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Gesellschaft

Dein Vater stirbt und du kannst nicht zu seiner Beerdigung

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Der Ausnahmezustand in der Türkei verschärft weiterhin die Lage der türkischen Bevölkerung, auch davon betroffen sind mittlerweile immer mehr Türken aus Deutschland.

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Nach dem gescheiterten Putschversuch am 15. Juli 2016 wurde in der Türkei der Ausnahmezustand ausgerufen. Bereits in der Nacht des Putsches, noch bevor überhaupt feststehen konnte wer hinter dem Putsch steckte, begann die sogenannte Säuberungswelle. Gerichtet war diese Welle zunächst auf die Bewegung des in den USA lebenden türkischen Gelehrten Fethullah Gülen, in dem Recep Tayyip Erdogan den Drahtzieher und Staatsfeind Nummer 1 sieht.

Unter dem Ausnahmezustand ließ die Türkei bislang 370 Vereine schließen, mehr als hunderttausend Beamte vom Dienst suspendieren, eine unbekannte Zahl, die auf mehrere zehntausend geschätzt wird, Menschen verhaften – darunter viele Frauen, Kinder und alte Menschen. Laut Amnesty International Berichten zufolge geschehen in Haft Vergewaltigungen, Folter und vereinzelt sogar Morde. Der Fall eines Diabetikers, dem 13 Tage in der Haft die Medikamente verweigert wurden und der infolge dessen starb, sorgte international für heftige Kritik.

Auch deutsche Staatsbürger wurden in der Türkei zwischenzeitlich unrechtmäßig verhaftet. Das deutsche Außenministerium musste sich einschalten, um zwei deutsche Bürger frei zu bekommen. In mindestens vier weiteren Fällen werden deutsche Staatsbürger an der Ausreise aus der Türkei gehindert. Die Begründungen sind oftmals Mitgliedschaft, oder Unterstützung einer Terrororganisation.

Auch Türken in Deutschland bleiben mittlerweile nicht unberührt von den Entwicklungen in der Türkei. In mindestens zwei Fällen konnten Angehörige nicht zur Beerdigung von Familienmitgliedern fliegen, da sie in der Türkei eine ungewisse Lage erwarte. Mahmut Cebi, langjähriger türkischer Journalist und Kolumnist der Tageszeitung Zaman schrieb via Facebook, dass er nicht an der Bestattungszeremonie seines 85. jährigen Vaters teilnehmen konnte, weil regierungsnahe türkische Medien wie Hürriyet und Sabah ihn öffentlich zur Zielscheibe erklärt hatten. Die Hürriyet schrieb zuletzt in einem Artikel, dass besagter Cebi den gesuchten türkischen Staatsanwalt Zekeriya Öz bei sich zu Hause beherbergen würde. In diesem Artikel veröffentlichte die Hürriyet sogar die genaue Adresse seines Wohnortes.

Zudem beklagt sich Cebi in einem emotionalen Statement darüber, dass auch alte Freunde und Bekannte eine Schuld trifft, denn er wüsste, dass er durch diese Personen denunziert wurde und an türkische Behörden als Verräter mitgeteilt wurde. Ein ähnliches Schicksal erlitt vor wenigen Tagen ein weiterer türkisch stämmiger Journalist, dessen Großvater verstorben ist. Auch Hüseyin Topel konnte nicht zur Beerdigung und auch seine Mutter, die Tochter seines Großvaters, konnte keinen Abschied mehr nehmen. Einige hätten den Namen seiner Familie an türkische Behörden mitgeteilt, dass man ein Verräter sei. „Sie entscheiden, urteilen und ermöglichen oder verunmöglichen weltliche Abläufe, stellen sich an die Stelle von Gott und verraten alles, woran sie angeben zu glauben“ klagt der junge Journalist Topel auf Facebook.

Wie viele solcher Fälle geschehen, ist bislang unbekannt, aber bei der Art und Weise der türkischen Regierung gegen Kritiker umzugehen, werden das vermutlich keine Einzelfälle sein. Zuletzt stellte die Regierung Erdogan mit seinem Vorgehen gegen pro-kurdische Oppositionelle unter Beweis, dass Fethullah Gülen und dessen Bewegung lediglich ein Alibi ist, um alle Gegner Schritt für Schritt auszuschalten. Mittlerweile trifft Erdogans Zorn jeden, der ihn öffentlich kritisiert.

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