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Erdoğans Ritt auf der Rakete

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Die Türkei will von Russland bekanntlich Flugabwehrraketen kaufen. Das sorgt bei den NATO-Partnern für Ärger. Die USA gehen seit Wochen in die Offensive. Trump oder Putin? Erdoğan, der seinerseits Stärke demonstriert, muss sich entscheiden.

Der Kalte Krieg ist vorbei. Doch die Mechanismen der Ost-West-Konfrontation haben die Zeit überdauert: Wer mit einer der Weltmächte kooperiert, ist für die andere nicht mehr tragbar. Das spürt Recep Tayyip Erdoğan gerade schmerzlich am eigenen Leib. Denn als Staatsoberhaupt der Türkei, einem Land, das als NATO-Mitglied eigentlich dem sogenannten „Westen“ zuzuordnen ist, stellt er aktuell die Systemfrage.

Denn die Türkei hat in Russland S-400-Luftabwehrraketen bestellt. Der Deal sorgt bereits seit Monaten für Ärger. Denn die USA und andere NATO-Mitgliedstaaten befürchten, Russland könnte so über das S-400-System an Informationen zu NATO-Flugzeugen gelangen. In Zeiten wachsender Konflikte könnte das dem gesamten transatlantischen Bündnis schaden.

USA stoppen Trainings

Hinzu kommt: US-Präsident Donald Trump will die Türkei dazu bewegen, statt der S-400-Raketen das US-Patriot-System zu erwerben. Erdoğan beharrt aber auf seiner Entscheidung. Zumal die russischen Raketen offenbar günstiger und schneller zu bekommen sind. So ließ der Kreml verlautbaren, dass die ersten Raketen bereits im Juni geliefert werden könnten.

Die USA gehen deswegen nun in die Offensive: Ab sofort würden keine weiteren türkischen Piloten mehr an F-35 Kampfjets ausgebildet, ließ das US-Militär vergangene Woche verlautbaren. Ein herber Schlag für die türkischen Streitkräfte (Türk Silahlı Kuvvetleri, kurz: TSK), die NATO-Angaben zufolge mit rund 386.000 Soldaten nach den USA (1,3 Millionen Soldaten) die größte Armee innerhalb des Bündnisses bilden. Denn die TSK ist im Zuge einer Modernisierungsstrategie auf den Knowhow-Transfer, insbesondere aus den USA, angewiesen.

Ein verheerendes Bild

Die Hintergründe offenbaren ein verheerendes Bild über das Verhältnis der NATO-Partner: Die Türkei – seit 2002 Mitglied im Joint Strike Fighter-Programm, in dem die Vereinigten Staaten gemeinsam mit Verbündeten Tarnkappen-Kampfflugzeuge entwickeln – steht kurz vor dem Rauswurf aus dem Entwicklungsprogramm. Eine F35-Lieferung aus den USA wird offenbar storniert. Türkische Ingenieure hatten seit Jahren an dem Programm mitgearbeitet.

Für Erdoğan ist die Entscheidung wie ein Ritt auf der Rakete: Mit dem Russland-Deal wollte er offenbar seine Unabhängigkeit von den USA demonstrieren. Nun wird er aber von den USA immer stärker bedrängt. Ein Kaufrücktritt würde aber die ohnehin schwierigen Beziehungen zu Russland gefährden. Aktuell sieht es so aus, als könne Erdoğan nur verlieren. Doch da auch Trump und Putin als unberechenbar gelten, könnte es jederzeit eine neue Entwicklung in dem komplizierten S-400-Deal geben.