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Politik

Ermittlungsverbot „um keine Unruhe in die (rechte) Szene zu bringen“

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Vor dem Untersuchungsausschuss zu den NSU-Morden sind schwere Vorwürfe gegen die Thüringer Sicherheitsbehörden erhoben worden. Die nicht abreißenden „Ermittlungsfehler“ erschüttern die Glaubwürdigkeit in die Sicherheitsbehörden. (Foto: dpa)

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Ermittlungsverbot „um keine Unruhe in die (rechte) Szene zu bringen“
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Berlin – Vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zu den Neonazi-Morden sind mehrere schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden Thüringens erhoben worden. Das Landesamt für Verfassungsschutz habe die Polizei gebeten, nicht im rechtsradikalen Umfeld zu ermitteln, „um keine Unruhe in die Szene zu bringen“, berichtete der Thüringer Zielfahnder Sven Wunderlich am Donnerstag vor dem Ausschuss. Aber auch polizeiliche Informationen sind demnach nicht an die zuständigen Fahnder gelangt.

Dabei geht es um den Zeitraum Anfang 1998, als das mutmaßliche Terroristentrio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe erst wenige Wochen untergetaucht war. Eine in einer Garage in Jena zusammen mit Sprengsätzen gefundene Adressenliste hätte die Fahnder auf die Spur des Trios bringen können, wurde aber nicht weitergegeben, sagte Wunderlich. Auch in den Akten tauchte diese „Garagenliste“ später nicht auf. Erst Anfang 2013 habe er sie in den Unterlagen plötzlich entdeckt, sagte der Kriminalhauptkommissar. Zur Frage, ob die Akten eindeutig manipuliert worden seien, wollte sich der Fahnder nicht äußern.

Edathy: „Entweder der Verfassungsschutz hat gelogen, oder der Zielfahnder“

Die Linken-Obfrau im Untersuchungsausschuss, Petra Pau, zeigte sich „entsetzt“ darüber, dass sich die Polizei vom Verfassungsschutz habe sagen lassen, wo sie ermitteln dürfe. Der Grünen-Obmann Wolfgang Wieland urteilte: „Die Polizei in Thüringen hat versagt.“ Der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy sagte mit Bezug auf frühere Aussagen von Verfassungsschützern, wonach alle Informationen weitergegeben worden seien: „Entweder der Verfassungsschutz hat gelogen, oder der Zielfahnder.“

Der Zeuge Wunderlich bestätigte auch, dass es schon 1997/1998 den Verdacht gegeben habe, dass Beate Zschäpe eine Quelle des Verfassungsschutzes gewesen sei. Belege dafür gibt es bisher nicht. Wunderlich hatte die mutmaßliche spätere Rechtsterroristin Zschäpe bereits 1997 vorübergehend festgenommen. Eine spezielle Zielfahndung nach dem Neonazi-Trio habe es aber nicht gegeben, sagte Wunderlich. Dies sei in Rücksprache mit dem Bundeskriminalamt BKA geschehen. Hinweisen, wonach das Trio in den Rechtsterrorismus abzugleiten drohte, sei nicht nachgegangen worden.

Befragt werden sollte am Donnerstag auch der ehemalige Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Sippel. Er war 2012 im Zusammenhang mit den Ermittlungsfehlern abgelöst worden. Der NSU wird für zehn Morde verantwortlich gemacht. Der Untersuchungsausschuss will nach Angaben des FDP-Obmanns Hartfrid Wolff seine Erkenntnisse noch vor der Bundestagswahl dem Plenum des Parlaments vorlegen. Es wird aber davon ausgegangen, dass er seine Arbeit in der nächsten Legislaturperiode fortsetzt.

Zschäpe muss sich wegen Mordes verantworten

Knapp 15 Monate nach der Festnahme von Beate Zschäpe hat das Oberlandesgericht München die Anklage gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin zugelassen. Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl bestätigte am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa in München, dass die Entscheidung des Senats über die Eröffnung der Hauptverhandlung der Verteidigung vorab zugefaxt worden sei. „Inhaltlich möchte mich dazu nicht äußern, weil noch nicht allen anderen Verfahrensbeteiligten die Entscheidung vorliegt“, sagte er. Der Berliner „Tagesspiegel“, die „Süddeutsche Zeitung“ und „Spiegel Online“ hatten als erste über die Eröffnung berichtet.

Damit muss sich die 38-Jährige wegen des Verdachts der Mittäterschaft an den zehn Morden des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ vor Gericht verantworten. Eine Sprecherin des Oberlandesgerichts wollte die Berichte zunächst nicht kommentieren. Das Verfahren soll voraussichtlich im April beginnen. (dpa/dtj)