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Politik

Erstürmung von Zaman: Mit nackter Gewalt gegen die Pressefreiheit

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Mit Wasserwerfern und Tränengas ging die türkische Polizei gestern Abend gegen friedliche Demonstranten vor, die vor dem Gebäude der Tageszeitung Zaman die Ankunft der Zwangsverwalter erwarteten. Die Redaktion wurde gewaltsam gestürmt.

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Die türkische Polizei hat gestern Abend gegen 23.30 Uhr Ortszeit die Zentrale der Tageszeitung Zaman gewaltsam gestürmt. Mit Wasserwerfern und Tränengas gingen Polizisten in Begleitung von Sondereinheiten gegen eine friedlich demonstrierende Menschenmenge vor. Mehrere hundert Menschen hatten sich vor dem Redaktionsgebäude der Zeitung versammelt, die gestern von der Regierung einer Zwangsverwaltung unterstellt wurde.

Die Menschenmenge skandierte Sprechchöre wie „Die freie Presse lässt sich nicht zum Schweigen bringen“ („Özgür basın susturulamaz“), als die Polizei mit mehreren sogenannten TOMAs (Toplumsal Olaylara Müdahale Aracı, „Fahrzeug zur Intervention bei sozialen Ereignissen“) anrückte und unversehens begann, sie gewaltsam auseinanderzutreiben. Auf Filmaufnahmen ist zu sehen, wie Hunderte von Anhängern der Zeitung dem Angriff mit Wasserwerfern mehrere Minuten stoisch trotzten, ohne sich gewaltsam zu wehren.

Als sie die Menschenmenge vor dem Eingangstor auseinandergetrieben hatten, begannen die Polizisten damit, Tränengasgranaten in den Vorhof des Redaktionsgebäudes zu werfen. Vereinzelt warfen Demonstranten die ersten Granaten noch zurück in Richtung der Polizei, mussten sich der Übermacht aber bald beugen. Daraufhin begannen Feuerwehrleute, die zusammen mit der Polizei angerückt waren, das mit einer Eisenkette verschlossene Tor zum Grundstück der Redaktion mit einem Schweißgerät zu bearbeiten und brachen es schließlich auf.

Die Redaktionsleitung wehrte sich bis zur letzten Minute gegen die Erstürmung. Chefredakteur Abdülhamit Bilici teilte der Öffentlichkeit gegen Mitternacht mit: „Ich erkenne diese Entscheidung nicht an.“ Kurz darauf belagerten die Sicherheitskräfte alle Stockwerke der Redaktion, einschließlich der Chefetage. Dabei kam es zu chaotischen Szenen und teilweise zu Handgemengen zwischen eindringenden Polizisten und Mitarbeitern der Zeitung. Die Mitarbeiter begrüßten die ankommenden Zwangsverwalter mit „Diebe raus!“-Sprechchören („Hırsızlar dışarı!“).

Die Chefredakteurin der englischsprachigen Ausgabe der Zeitung Today’s Zaman, Sevgi Akarçeşme, sprach kurz nach der Erstürmung live mit dem Fernsehsender Can Erzincan TV. Mit tränenerstickter Stimme sagte sie: „Es ist so, als ob die Polizei kommt und uns mit Gewalt aus der eigenen Wohnung schmeißt. Es wurde hart durchgegriffen. Die Türkei verdient so etwas nicht.“

Um 0.22 Uhr unterbrach die Polizei die Übertragung der hauseigenen Nachrichtenagentur Cihan. Auch die Überwachungskameras im und am Gebäude schalteten die Einsatzkräfte nach ihrem Eindringen ab, um Live-Bilder ihres Vorgehens zu verhindern. Gegen 0.45 Uhr war die Erstürmung beendet.