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Wirtschaft

Erfolgsgeschichte im Ethno-Marketing: Was andere von Haribo noch lernen können

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Im Jahre 2015 wird die türkische Community in Deutschland 3,2 Mio. Menschen umfassen, ein anspruchsvoller und dynamischer Markt, auch im Lebensmittel-Sektor. Ein Pressefrühstück soll helfen, die Potenziale anzusprechen. (Foto: reuters)

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Haribo ist in Deutschland sehr beliebt, auch bei Türken.
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Rund 3 Millionen Türken leben in Deutschland, die Hälfte davon gehört zur primär werberelevanten Bevölkerungsgruppe zwischen 15 und 40 Jahren. Marktstudien gehen von einer Kaufkraft von etwa 18,4 Milliarden Euro in dieser Zielgruppe aus. 

Deutsche Unternehmen haben diesen Markt im eigenen Land erst spät für sich entdeckt. Haribo beispielsweise bietet seit einiger Zeit auch Gummibärchen ohne Schweinegelatine an, Nestlé vertreibt „halal“-Kochzutaten und Bahlsen warb 2010 erstmals auch auf Türkisch für seine Kekse.

METRO bietet in 50 Märkten in Deutschland Halal-Lebensmittel an und auch EDEKA in ausgewählten Märkten. Das Deutsche Milchkontor liefert Halal-Produkte – ins Ausland.

Was die große Chance auch und gerade für qualitätsbewusste deutsche Anbieter ist: Die türkische Community ist bei Produkten des täglichen Lebens überdurchschnittlich anspruchsvoll. Zumindest behaupten dies 71% der Befragten für eine VuMA-Analyse, während innerhalb der deutschen Bevölkerung nur 16% das Gleiche von sich sagen. 51% der Türken assoziieren Markenartikel mit Qualität, hingegen nur 34% der befragten Deutschen. Und der Aussage „Markenartikel müssen einfach etwas teurer sein“ stimmen 44% der türkischen Bevölkerung zu – hingegen nur 24% der deutschen. Die türkische und muslimische Community ist in Deutschland ein schlafender Riese, dessen Potenzial nur darauf wartet, erschlossen zu werden.

Kulturelle Codes schwer zu entschlüsseln

Engin Ergün, Geschäftsführer der ethno IQ gmbh, einer Agentur für Ethno-Marketing, unterstreicht, dass deutsche Unternehmen, die das Kaufkraftpotenzial der türkischen Community für sich nutzen wollen, einige grundlegende Fehler vermeiden sollten. Einige seien sinnbildlich: „Zum Beispiel werden oft falsche Sprachbilder benutzt. Eine Firma hat mal mit dem Spruch geworben ‚Kein Schwein ruft mich an‘, das ist natürlich für Türken und Araber ein Problem. Auch Klischees, wie Frauen mit Kopftüchern zu zeigen, kommen selbst bei konservativen Türken nicht gut an. Die Eigenwahrnehmung der Türken ist eine andere. Gleichzeitig bedeutet das aber nicht, dass sich Türken in Deutschland mit freizügigen Frauenbildern identifizieren.“

All dies wisse man aber nur, wenn man die kulturellen Codes der Community kenne. Das sei für einen außenstehenden Deutschen fast unmöglich zu entschlüsseln. „Meine Mitarbeiter und ich sind in beiden Kulturen groß geworden und zu Hause“, betont Ergün. „Somit können wir ganz natürlich die Brücke zwischen den Kulturen bauen.“

Ethno-Markterschließung sei zudem kein Nischengeschäft: „Die türkische Community umfasst derzeit 2,7 Millionen Menschen und diese Gruppe wächst. 2015 wird die Community so groß sein wie Hamburg und Köln zusammen, nämlich 3,2 Millionen Menschen. Zurzeit reden wir von einer Kaufkraft von fast 18 Milliarden Euro jährlich. Und da die türkische Community deutlich jünger ist als die deutsche – nämlich 15 Jahre – wird die Kaufkraft noch zulegen. Hinzu kommt, dass die Türken sehr markenbewusst sind und gerne konsumieren. Man muss ihnen aber das richtige Angebot machen, die richtigen Vertriebswege finden und entsprechend kommunizieren“, betont Ergün.

Haribo als herausragendes Beispiel

Eine Erfolgsgeschichte des Ethno-Marketings hat Ergün übrigens selbst begleitet: „Jedes türkische Kind wächst mit Haribo auf, durfte es aber bis vor kurzem nicht essen, weil Schweinegelantine Bestandteil des Produktes ist. Auch ich habe als Kind immer sehnsüchtig vor den Tüten gestanden. Wir wussten, dass Haribo für den türkischen Markt die Produkte als „Halal“ produziert, also ohne Schweinegelantine. Also sind wir zur Haribo-Geschäftsführung gegangen und haben ihnen vorgeschlagen, die Produkte aus der Türkei nach Deutschland einzuführen und die gesamte Vertriebskette aufzubauen. Denn Türken in Deutschland kaufen immer noch am liebsten in türkischen Supermärkten ein. Wir haben eine Pilotphase gestartet, die sehr erfolgreich war.“

Mittlerweile sei das Segment in den Supermärkten ausgebaut worden, weil der Verkauf der Produkte so erfolgreich sei. Haribo sei europaweit in über 5500 Läden gelistet.

„In der türkischen Community hat sich die Nachricht rasend schnell verbreitet“, berichtet Ergün. „Einerseits weil wir Werbung dafür gemacht haben, andererseits aber auch, weil wir auch Teil der Community sind und uns in Vereinen und Verbänden engagieren und so etwas dann weitererzählen können. Natürlich hatte Haribo auch vorher schon eine große Markenbekanntheit.“

Heute, vier Tage vor Beginn des Ramadan, wird Ergün zusammen Hamza Wördemann, Vorstandsmitglied des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD), Prof. Dr. Gunther Hirschfelder, Professor für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg und Sefik Aras, Selbstständiger EDEKA-Kaufmann aus Berlin, an einem Pressefrühstück in Berlin teilnehmen und dort gemeinsam mit Interessierten erörtern, in welcher Weise das Potenzial türkischer und muslimischer Kunden künftig auch von deutschen Unternehmen besser genutzt werden kann.

Die Veranstaltung beginnt um 10 Uhr in den Räumlichkeiten der „Lebensmittelwirtschaft“, Friedrichstraße 171, 10 117 Berlin.