Connect with us

Politik

EU-Diplomaten wollen Türkei mit Beitrittsversprechen wieder auf Kurs bringen

Spread the love

Eine Woche nach dem Besuch des russischen Präsidenten Putin in der Türkei will die EU mittels einer hochrangigen Delegation ihren Einfluss in Ankara sichern. Brüssel lockt die Türkei dabei mit der Wiederaufnahme des Beitrittsprozesses. (Foto: Cihan)

Published

on

Spread the love

Die Annäherung der Türkei an die Russische Föderation und das Aus für  das South-Stream-Projekt lässt in Brüssel die Alarmglocken schrillen. Plötzlich werden im Rahmen des Besuchs der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, des EU-Erweiterungskommissars Johannes Hahn und des Kommissars für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement, Christos Styliandes, wieder demonstrativ die Anstrengungen der Türkei im Bereich der Flüchtlingshilfe und die Wichtigkeit eines türkischen EU-Beitritts angesprochen.

Der Hintergrund liegt nahe: Zum einen wünscht man von der Türkei ein stärkeres Engagement in der aktiven Bekämpfung der Terrormiliz „Islamischer Staat“ in Syrien, zum anderen soll die Wiederbelebung des Beitrittsprozesses Brüssel wieder ein mögliches Druckmittel verschaffen, um die Türkei dazu zu bewegen, die Sanktionspolitik Brüssels gegen die Russische Föderation mitzutragen oder zumindest diese nicht zu unterminieren.

Derzeit gehört die Türkei zu den Hauptprofiteuren der Sanktionspolitik, die seitens der EU infolge der Abspaltung der Halbinsel Krim von der Ukraine und deren Eingliederung in den russischen Staatsverband im März des Jahres in Gang gebracht worden war. Türkischen Unternehmen hat sich auf diesem Wege ein gigantischer Markt erschlossen, der zuvor lange Zeit von Anbietern aus den EU-Staaten besetzt war.

Türkei-Besuch mit umfassendem Gesprächsprogramm

„Der Besuch in der Türkei gemeinsam mit den Kommissaren Hahn und Stylianides ist ein starker Indikator für die strategische Wichtigkeit der Beziehungen zwischen der Türkei und der EU und unserem Begehren, in Anbetracht geteilter Interessen und gemeinsamer Herausforderungen das Engagement zu verstärken“, hieß es in einem schriftlichen Statement der EU-Diplomaten.

Die EU-Delegation, die am Montag und Dienstag in der Türkei zu Gesprächen war, gehört zu den hochrangigsten, die im Laufe der letzten Jahre das Land besucht hatte.

Mogherini und die Kommissare werden mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan, Premierminister Ahmet Davutoğlu, dem Minister für EU-Beziehungen, Volkan Bozkır, sowie mit Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu zusammentreffen. Daneben stehen Treffen mit Vertretern der Opposition, der Geschäftswelt und Nichtregierungsorganisationen auf dem Programm.

Mogherini zufolge wisse die EU um die „kritische Rolle“, die der Türkei in der Region zukomme, und man wolle entsprechend zusammenarbeiten, um Frieden und Stabilität zu gewährleisten. Sie betonte zudem, dass die Türkei gute Chancen hätte, der EU beizutreten. Die Unterstützung eines Beitritts der Türkei in der Öffentlichkeit liege in der EU bei über 50 Prozent. „Wir sollten diese Statistik noch verbessern“, betonte Mogherini. „Ich hoffe, nicht nur die türkische Regierung, sondern auch das türkische Volk sind sich dessen bewusst, dass ein Beitritt der Türkei nicht nur für die Türkei, sondern auch für die EU Vorteile bringt.“

In einem Statement auf seiner Webseite hat EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker kürzlich jedoch betont, dass die EU einer Erweiterungspause bedürfe, um das Erreichte konsolidieren zu können, und dass deshalb für die nächsten fünf Jahre keine Beitritte mehr ins Auge gefasst werden. Mogherini bestätigte diese Position, es wäre für die Türkei jedoch wichtig, den Beitrittsprozess ungeachtet dessen voranzubringen und daran zu arbeiten, Mitglied zu werden.

Würdigung der Flüchtlingsarbeit

Die EU-Außenbeauftragte würdigte auch die Anstrengungen der Türkei in der Flüchtlingskrise und betonte: „Die Türkei hat bemerkenswerte Arbeit geleistet, wenn es darum geht, syrischen und irakischen Menschen Schutz, Nahrung und Unterstützung zu gewähren.“ Mogherini und Stylianides wollen Flüchtlingslager in Gaziantep und Kilis besuchen und dort noch einmal ihren Respekt vor der Arbeit der Türkei zum Ausdruck bringen.

Die Türkei beherbergt derzeit 1,6 Mio. Flüchtlinge aus den bürgerkriegsgeschüttelten Nachbarstaaten Syrien und Irak. Sollte die zweitgrößte syrische Stadt Aleppo an die Regierungstruppen von Machthaber Assad oder die Terrormiliz IS fallen, wird mit einer erneuten Flüchtlingswelle gerechnet.

Völlig uneigennützig dürfte die Würdigung der Rolle der Türkei in der Flüchtlingsfrage jedoch nicht sein. Man möchte auch eine noch engere Kooperation mit Ankara bei der Bekämpfung des IS. Die Türkei wurde im Westen oft kritisiert, sie hätte tatenlos zugesehen, wie IS-Anhänger aus Europa durch die Türkei hindurch in die Kampfgebiete durchgesickert wären. Dieser Transit soll nach Vorstellung der EU ebenso noch entschlossener unterbunden werden wie der Geldfluss in Richtung der Terrormiliz. Die Türkei solle, so die EU, noch intensiver daran arbeiten, ausländische IS-Kämpfer zu identifizieren.

Schadensbegrenzung nach South-Stream-Aus gesucht

Der hochrangige Besuch aus Brüssel kommt eine Woche nach dem Besuch des Präsidenten der Russischen Föderation, Vladimir Putin. Es ist daher auch davon auszugehen, dass die EU versuchen wird, Druck auf Ankara auszuüben, da die Türkei die nach der Sezession der Krim verhängten Sanktionen bis dato nicht mitgetragen hat und auch keine Bereitschaft erkennen ließ, sich diesen anzuschließen.

In der Vorwoche war Putin mit insgesamt zehn Ministern in die Türkei gereist, um dem fünften Treffen des türkisch-russischen Kooperationsrats auf höchster Ebene im neu errichteten Präsidentenpalast beizuwohnen.

Dabei hatten Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan betont, künftig wirtschaftlich noch enger zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus hat Putin den Stopp der Bauarbeiten für das geplante South-Stream-Pipelineprojekt verkündet, die eine Versorgung der EU mit Erdgas über Wege hätte ermöglichen sollen, die nicht durch die Ukraine fließen. Nun soll statt der EU die Türkei zum Vorzugspartner der Russischen Föderation werden – was zur Folge hätte, dass Westeuropa hinsichtlich seiner Gasversorgung nicht nur von Russland in einem hohen Maße abhängig sein würde, sondern auch von der Türkei.