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Politik

EU in Panik: Schwache Merkel auf „Erlöser“ Erdoğan angewiesen

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Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat am Montag seinen Besuch in Brüssel begonnen. Die Türkei ist ein wichtiges Transitland für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa. Die EU will daher stärker mit Ankara zusammenarbeiten.

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Zuletzt war der türkische Staatspräsident Anfang 2014 in Brüssel. Damals, kurz nach der Korruptionsaffäre in der Türkei, die die EU noch nicht so richtig einzuordnen vermochte, galt er noch als einigermaßen demokratischer Politiker, dessen Ansehen allerdings stark durch seine autokratische Reaktion auf die Gezi-Proteste geprägt war.

In den vergangenen zwei Jahren hat Recep Tayyip Erdoğan viel Kredit im In- und Ausland verspielt. Obwohl er drei Wahlen für sich entscheiden konnte, sorgte er mit seinen zunehmend rechtswidrigen Maßnahmen und Übergriffe auf die freie Presse für Verstimmung. Bürgerrechte wurden eingeschränkt, Kritiker sitzen in Haft, ohne Hoffnung auf einen fairen Prozess. Die EU reagierte mit Unverständnis und rief ihn auf, sich auf die Reformen, die er in den Anfangsjahren seiner Amtszeit auf den Weg gebracht hatte, zu besinnen.

Die Flüchtlingskrise der letzten Monate jedoch hat den starken Mann vom Bosporus notgedrungen zu einem unverzichtbaren Partner für die EU aufgewertet. Allein Deutschland erwartet bis Ende des Jahres über eine Million Flüchtlinge. Der kalte Machtpolitiker Erdoğan sieht nach Auffassung des Zaman-Korrespondenten in Brüssel, Selçuk Gültaşlı, darin seine Chance gekommen: „In Europa herrscht eine Panik-Stimmung und die Meinung ist verbreitet, dass die Türkei den Flüchtlingsstrom eindämmen kann. Erdoğan wird als Erlöser gesehen. Als Gegenleistung wird er unter anderem die Visa-Freiheit für türkische Staatsbürger einfordern.“

Kein neuer Frühling zwischen EU und Türkei

Einen neuen Frühling in der Beziehung zwischen der Türkei und der EU erwartet Gültaşlı dennoch nicht: „Die EU geht realpolitisch vor und widerspricht ihren eigenen Werten. Noch vor den letzten Wahlen vom 7. Juni war Erdoğan zwar in Belgien, aber es fand sich kein EU-Spitzenpolitiker, der den neuen Staatspräsidenten der Türkei empfangen wollte. Jetzt aber haben sich durch die Flüchtlingskrise die Vorzeichen zu Gunsten Ankaras geändert.“

Dabei soll Angela Merkel, die wegen ihrer offenen Flüchtlingspolitik in Kritik steht, Einfluss auf die EU-Führungsriege genommen haben, damit sie den türkischen Präsidenten auf höchster Ebene empfangen.

Laut „Tagesspiegel“ stand Merkel in ihrer fast zehnjährigen Amtszeit noch nie so stark unter Druck wie in diesen Tagen. „Der offene Widerstand von Horst Seehofer und der CSU gegen ihre Flüchtlingspolitik ist dabei noch nicht einmal das größte Problem der Kanzlerin. Was Merkel und ihre Berater im Kanzleramt noch mehr sorgen muss, ist der schwindende Rückhalt in der CDU sowie das hohe Tempo, mit dem die bisherige Umfragekönigin an Zustimmung in der Bevölkerung verliert.“ Ihren Kritikern setzt die Kanzlerin eine bessere Sicherung der EU-Außengrenzen und eine entsprechende Vereinbarung mit der Türkei entgegen.

Der ZDF-Korrespondent in Istanbul, Luc Walpot, sieht im Brüssel-Besuch einen großen Erfolg für Erdoğan und ein Armutszeugnis der europäischen Realpolitik. „Erdoğan, der machtbewusste Autokrat, weiß um die Schwäche der Europäer, die, heillos zerstritten, plan- und ziellos, schon jetzt an einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik gescheitert sind. Und er wird sich ihren Hilferuf teuer bezahlen lassen. Nicht nur in Milliarden Euro, sondern vor allem in politischer Unterstützung für seinen undemokratischen und radikalen Kurs.“

Pro Asyl warnt vor Flüchtlings-Deal mit der Türkei

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hält hingegen nichts von Überlegungen zu einer europäisch-türkischen Vereinbarung in der Flüchtlingspolitik. Sollten türkische und griechische Grenzschutzeinheiten künftig gemeinsam mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex die Seegrenze im Mittelmeer abriegeln, dann wäre das „eine moralische Bankrotterklärung Europas“, erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt am Montag.

Angesichts von Berichten über Menschenrechtsverletzungen und des wieder aufflammenden Konflikts zwischen der türkischen Regierung und der terroristischen PKK nannte er zudem die Diskussion um die Einstufung der Türkei als „sicheres Herkunftsland“ zynisch. (dtj/dpa)