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Kolumnen

EU-Türkei-Gipfel: Kommt die Türkei in die EU?

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Kommt die Türkei nun in die EU? Eher Nein, aber: Die Türkei will weiterhin in die EU. Das bekräftigte Recep Tayyip Erdoğan beim EU-Türkei-Gipfel. Trotz aller Differenzen hält der türkische Staatspräsident an diesem Ziel fest. Dass er dennoch mit harter Rhetorik auffiel, unterstreicht: Erdoğan agiert nicht als Bittsteller.  

,,Der Beitritt zur EU bleibt unser strategisches Ziel“: Mit diesen Worten erstaunte Recep Tayyip Erdoğan gestern die Weltöffentlichkeit beim Gipfeltreffen zwischen der Türkei und Vertretern der Europäischen Union (EU.

Erdoğan, der, statt mit Diplomatie, wegen der Androhung „osmanischer Ohrfeigen“ gegenüber seinen Bündnispartnern auch in diesem Jahr von sich reden machte, fokussiert gegenüber Europa offenbar eine Entspannung der Beziehungen. Das ist nicht erst seit der Freilassung Deniz Yücels offizielle Staatsdoktrin im Staate Erdoğan.

Gleichwohl gelten die bislang vergeblichen Beitrittsversuche der Türkei in die EU als Achillesferse des starken Mannes am Bosporus. Denn die seit 2006 andauernden Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei sind von Beginn an von beiderseitigem Misstrauen geprägt – zumal die Absicht, die Türkei zu integrieren, vielerorts auf Missgunst trifft. Große Teile der EU-Bürger und der türkischen Bürger lehnen bereits den Versuch einer Annäherung ab. Und obwohl alle EU-Mitgliedstaaten den bisherigen Stufen des Beitrittsprozesses zugestimmt haben, ist er weiterhin in der politischen Diskussion. So sprach sich zum Beispiel das EU-Parlament zuletzt am 24. November 2016 für ein „Einfrieren“ der Gespräche aus.

Erdogan kommt nicht als Bittsteller

Weil Erdoğans Rherotik – insbesondere gegenüber Deutschland und Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die Nazi-Vergleich sind bekannt – auf Konfrontation abzielte, schien der Annäherungsprozess zwischen Brüssel und Ankara aussichtslos. Das Treffen am Montag fand allerdings nach einer Phase der Entspannung der Beziehungen statt. Dass Beobachter das Gipfeltreffen bereits vorab feierten, weil die EU und die Türkei zumindest beabsichtigten, wieder miteinander zu sprechen, sagt indes viel über das zerrüttete europäisch-türkische Verhältnis aus.

So durften auch am Montag scharfe Worte nicht fehlen. Der türkische Staatspräsident warf der EU „Doppelstandards“ und „Heuchelei“ vor. Er unterstrich damit, dass er nicht als Bittsteller gekommen war. Wohlwissend, dass die Türkei für Europa den Türsteher gegenüber Flüchtlingen aus dem Nahen und Mittleren Osten gibt, trat Erdoğan selbstbewusst auf. Er forderte unter anderem drei Milliarden Euro für die Kosten der Flüchtlingsströme nach Anatolien, die ihm die EU angeblich zugesagt, aber bislang nicht gezahlt habe.

Zugleich versuchte er sich, als Sperrspitze im Kampf gegen den internationalen Terror zu inszenieren und forderte von Brüssel einen „energischeren Kampf gegen den Terror“. Diese Forderung erscheint angesichts der türkischen Einnahme der nordsyrischen Kurden-Region Afrin wie ein schlechter Scherz. Merkel und andere EU-Regierungschefs kritisierten sein Vorgehen dort massiv.

Erdoğans vermeintliche und etwas ungelenke Charmeoffensive gegenüber der EU kommt zu einer Zeit, in der die Türkei aufgrund des Feldzugs gegen die Kurden, der im irakischen Sindschar-Gebirge fortgesetzt wird, wachsende Risiken von außen zu befürchten hat. Was die Innenpolitik angeht, ist die Türkei ohnehin auf die wirtschaftliche Kooperation mit der EU angewiesen.

Und aktuell steht es schlecht um die Ökonomie des Landes. Der Absturz der türkischen Lira findet kein Ende, die Inflation ist hoch, Ratingagenturen stufen türkische Anleihen immer weiter herab und die Auslandsschulden steigen. Erdoğan erhofft sich von den Gesprächen mit der EU eine verbesserte Zollunion und eine ordentliche Finanzspritze. Das würde ihn auch im Inneren stärken. Seine berüchtigten Verbalattacken gen Europa hat er dafür erst einmal eingestellt. Die Frage ist nur: Wie lange noch?