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Kolumnen

Europäische Union, die Türkei und Erdogan

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Der türkische Premier recep Tayyip Erdogan
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von Zeynel Ali Canogul

Die Europäische Union hat derzeit eindeutig größere Probleme als eine aufstrebende undemokratische Staatsstruktur in der Türkei. Deutschland hat die Diskussion über die Türkei am 19. Oktober 2017 auf die Tagesordnung des EU-Gipfels gesetzt und die Herabsetzung der Finanzhilfen gefordert. Der Hauptgrund für diese Debatte sind die antidemokratischen Praktiken und Menschenrechtsverletzungen der Türkei, die eindeutig sowohl die europäischen Werte als auch den Beitrittsprozess selbst verletzen. Es scheint, dass Deutschland versucht, die EU-Stataen dazu zu bewegen, Verantwortung für die Türkei zu übernehmen, und um zu demonstrieren, dass nicht-demokratische Tendenzen und klare Menschenrechtsverletzungen nicht geduldet werden. Die EU ist für eine solche Verantwortungsverteilung aber scheinbar nicht bereit und derzeit auch nicht bereit, Maßnahmen zu ergreifen, um ihre eigenen Werte und Beitrittsbestimmungen zu verteidigen.

Aus der Perspektive der EU ergeben sich Bedenken, die Beziehungen zur Türkei zu verringern oder gar zu kappen. Schließlich war und ist die Türkei ein wichtiger Partner, um zumindest eine vorübergehende Lösung für die Flüchtlingskrise in Europa zu finden. Obwohl die Beziehungen im Nahen Osten täglich problematischer werden, ist die Türkei immer noch ein NATO-Mitglied und immer noch ein Vertreter westlicher Interessen. Strategische Rechnungen der EU im Hinblick auf die Beziehungen zur Türkei überbieten sowohl das Wertesystem als auch die Gesetze der EU.

Es ist Zeit, ernsthaft über die Türkei zu sprechen

Deutschland versucht die EU davon zu überzeugen, die Verantwortung im Umgang mit der Türkei unter den EU-Staaten gerechter aufzuteilen, aber gleichzeitig nicht zu ignorieren, was die Türkei für die EU tut, um Flüchtlinge zu stoppen und den Fluss nach Europa zu blockieren. Der Ansatz der EU und auch der deutsche Ansatz basierten bisweilen auf politischen Rechenspielchen und selbst nach schweren Menschenrechtsverletzungen in der Türkei gab es keine bedeutenden Sanktionen. Diese Herangehensweise ist sehr problematisch und es ist längst an der Zeit, in Bezug auf die Türkei eine wirksame Politik zu entwickeln:

1- Die Türkei ist ein offizielles EU-Beitrittsland und profitiert seit mehr als einem Jahrzehnt von den Beitrittsfonds. Die Türkei nutzt neben dem Heranführungsfonds auch einige andere Fonds. Die Türkei genießt die EU-Gelder, obwohl die politischen Änderungen der Türkei grundlegende europäische Werte und Normen verletzen, und die Geldmittel, die der Türkei zugewiesen werden, machen fast 40% der Heranführungshilfen aus (4,5 Milliarden Euro). Diese Milliarden sind Gelder, die aus Steuern der europäischen Bevölkerung, einschließlich der deutschen Bevölkerung, erwirtschaftet werden.

2- Ferner erhält die Türkei auch Gelder für die „Einrichtung für Flüchtlinge in der Türkei“. In diesem Programm wurden Mitte-Oktober in diesem Jahr ganze 52 Projekte im Wert von mehr als 1,69 € Milliarden verteilt, wovon bereits 899 Millionen Euro ausgezahlt wurden. Die, für die Umsetzung im Rahmen des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei bereitgestellten Mittel, für humanitäre und nicht humanitäre Maßnahmen, belaufen sich auf 2,9 Mrd. EURO.

Erdogan zieht EU-Gelder ins Lächerliche

Präsident Erdogan erwähnt diese Realität nie, er zieht die Finanzmittel der Europäischen Union sogar ins Lächerliche, denn in vielen seiner öffentlichen Auftritte definiert er den spendablen Geldgeber EU als einen der größten Feinde. Auch der Bundesregierung wird diese Tatsache klar sein, aber sie zieht es vor, von Wahlkampfstimmung zu reden und zu hoffen, dass dieses Jargon irgendwann abgelegt werde. Aber das große geduldige Warten hat kein Ende. In einer Rede, die Erdogan noch vor Kurzem an die lokalen AKP-Ortsvorsitzenden richtete, sprach der türkische Staatspräsident über die EU: „Lauter nicht eingehaltene Versprechen“, „Sie spielen mit uns“, „Die Türkei wird nicht unterstützt“, „Am Ende dieses Ringkampfes wirst du (EU) derjenige sein, der von der Matte flüchtet“, “ wir brauchen die EU nicht“.

Erdogan verweist ständig auf das Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei und an das Versprechen, die Türkei bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Doch die EU habe sich nicht daran gehalten.

Die EU hat der Türkei allerdings beträchtliche finanzielle Unterstützung gewährt. Ein Blick auf die Umsetzung der von der EU finanzierten Projekte auf lokaler Ebene zeigt, dass die EU indirekt Erdogan dabei hilft, seine undemokratische Macht in der Türkei weiter zu festigen. Erdogan wird mit den EU-Mitteln sogar noch antidemokratischer.

Um dieses Problem präventiv zu behandeln, sollte die EU die Anzahl der EU-Finanzmittel, die in die Türkei fließen, transparenter machen und  sie jedes Mal durch die Medien im Vorfeld ankündigen. Eine Offenlegung der Zahlungsmittel bedeutet, dass Erdogan nicht mehr so ohne Weiteres behaupten kann, die Europäische Union helfe ihr nicht.

3- Erdogan übernimmt niemals Verantwortung für seine Handlungen und beschuldigt immer Dritte, wenn in dem Land, dass seit Jahren unter seiner Regierung steht, schon wieder etwas schief geht. Im Laufe der Jahre hat Erdogan dafür so viele Sündenböcke erschaffen, dass er selbst den Überblick darüber zu verlieren scheint. Die EU eignete sich zuletzt für viele Dinge als ein guter Sündenbock für ihn. Dabei werden vieler seiner Äußerungen ignoriert. Als ein politisches Zeichen. Aber gar nicht auf die zahlreichen Behauptungen und Verleumdungen Erdogans zu antworten, machen ihn in der Gunst seiner Unterstützer nur noch stärker.

Das Schweigen der Europäischen Union kehrt als Druck auf die Demokraten in der Türkei zurück

Zudem kehrt das Schweigen der EU oft als Druck auf die Menschen zurück, die an die Demokratie in der Türkei glauben. Daher sollte die EU in solchen Angelegenheiten eher proaktiv sein und in ihrer Türkeiolitik transparenter agieren, indem sie beispielsweisen die Fake Information von Erdogan mit sachlicher Wahrheit und diplomatischem Ton widerlegen. Während Erdogan manipuliert, sollte die Europäische Union die Realität aussprechen. Die europäische Öffentlichkeit sollte deutlicher sehen, was Erdogan sagt und was in Wirklichkeit passiert.

4- Erdogan denkt, dass er der Besitzer der Türkei ist. Die Idee der Europäischen Union erfordert jedoch, dass die Verantwortlichen den Pluralismus im Land auf verschiedenen Ebenen respektieren. Anstatt die Türkei vage anzufordern, die Menschenrechte zu respektieren und demokratische Institutionen zu unterstützen, sollte die EU direkte Maßnahmen ergreifen, um Pluralismus und Demokratie in der Türkei zu unterstützen. In der EU gibt es viele Instrumente, die direkt mit der Zivilgesellschaft kommunizieren und die Demokratie fördern können. Wie viele Bürger des Landes, scheint auch die EU Angst zu haben, dem Erdogan-Regime die Wahrheit zu sagen; etwa dass die Türkei mehr ist als ein Erdogan, und er zwar der Präsident ist, aber nicht der Eigentümer des Landes. Erdogan wird sicherlich sofort auf solche Initiativen reagieren und jede Gelegenheit nutzen, um die EU weiter zu dämonisieren. Er wird dies außerdem als Eingriff in innenpolitische Angelegenheiten auffassen, und diejenigen, die mit den EU-Institutionen auf unabhängigen Stützpunkten in Kontakt kommen, als Verräter des Landes bezeichnet denunzieren. Ja, es ist möglich, dass sie und ihre Angehörigen sogar deshalb verfolgt werden. Die Lösung von Problemen mit umgekehrten Maßnahmen und Maßnahmen wird jedoch sein Argument, dass er der Eigentümer der Türkei ist, nur verstärken.

5- Erdogan manipuliert die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei, indem er der türkischen Öffentlichkeit nicht das gesamte Bild zeigt, sondern die Beziehung zur EU als ein Wrestling-Kampf darstellt. Von einer Kooperation ist bei Erdogan nicht die Rede. Trotz der beträchtlichen Unterstützung, die die Türkei von der EU erhält, wird die türkische Bevölkerung durch die andauernde Dämonisierung der EU verblendet und von dem einstigen Traum, Mitglied der Europäischen Union zu werden getrennt. Dabei profitieren genau diese Menschen in vielen Fällen von den Mitteln der EU, in dem sie sich lokale Projekte fördern lassen.Aber gleichzeitig lassen sie sich auch vom „Hass“ gegenüber der EU verleiten, der vom Präsidenten des Landes gezielt verbreitet wird. Das ist ein großes Dilemma für die EU, die dringend zu lösen gilt!

6- Der türkische Staatspräsident versucht die Welt davon zu überzeugen, dass Erdogan die Türkei und die Türkei Erdogan bedeutet. Leider unterstützen die derzeitigen EU-Strategien dieses Image. Die EU ergreift keine Initiative, um mit anderen Akteuren in der Türkei Kontakt aufzunehmen. Wahrscheinlich will man Erdogan nicht ärgern. Erdogan macht in seinen öffentlichen Reden deutlich, dass er eine „neue Türkei“ konstruiert, und es ist klar, dass dies keine freie und europäische Demokratie sein wird. Tatsächlich ist die Türkei ein weitaus größeres Land als Erdogan. Er ist der Präsident des Landes, aber es bedeutet nicht, dass er das Recht hat, jedermanns Leben nach seinem Wunsch zu gestalten.

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