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Politik

Türkischer AfD-Politiker: Das ist beschämend für Deutschland

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Tuncay Deniz ist Deutsch-Türke und Mitglied der Alternative für Deutschland (AfD). Das ist in dieser Partei keine alltägliche Erscheinung. Seine Kandidaturen waren bislang allesamt erfolglos. Von Ausgrenzung will er trotzdem nichts wissen.

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Tuncay Deniz von der AfD
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Die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) wird am 25. Mai erstmalig zu den Wahlen zum Europäischen Parlament antreten. War sie bei den Bundestagswahlen im Vorjahr, die bereits wenige Monate nach Parteigründung stattfanden, mit 4,7% denkbar knapp an der 5%-Hürde gescheitert, kann sie zur EU-Wahl Umfragen zufolge mit fünf bis zehn Mandaten im Straßburger Parlament rechnen.

Restriktive Positionen zur Einwanderungspolitik und rechtslastige Äußerungen einiger Funktionäre und Mitglieder haben der AfD mancherorts den Vorwurf eingebracht, islamfeindliche Tendenzen in den eigenen Reihen zumindest zu tolerieren. Die Partei selbst weist indessen jedwede Anschuldigungen, die in Richtung Fremdenfeindlichkeit gehen, zurück. In der Tat scheint die Partei vor allem innerhalb der russischen Einwanderercommunity starken Rückhalt zu haben. Das Verhältnis zwischen der AfD und türkischen Einwanderern ist hingegen noch eher distanziert.

Tuncay Deniz kommt aus einer türkischen Einwandererfamilie und engagiert sich seit Längerem für die eurokritische Partei. DTJ hat mit ihm über seinen Eindruck von der Parteiarbeit gesprochen und darüber, warum er sich für die AfD engagiert.

Sie sind eines der wenigen Parteimitglieder aus einer türkischen Einwandererfamilie in der Alternative für Deutschland (AfD). Fühlen Sie sich da nicht manchmal einsam?

Nein, warum sollte ich? Ich bin ja nicht in die AfD gegangen, weil ich ein Problem mit meinem Migrationshintergrund habe. Ich habe ein großes Problem mit Frau Merkel und ihrer Politik.

Warum?

Seit gut zehn Jahren geht es immer weiter bergab mit den Menschen in Deutschland. Ganz egal, was für einen ethnischen oder sozialen Hintergrund sie haben. Mag schon sein, dass Deutschland Exportweltmeister ist. Nur, was haben die Menschen davon? Ich sag´s Ihnen: Die meisten davon haben nichts davon. Ganz im Gegenteil, sie zahlen eher drauf. Das war vor zehn, 20 Jahren anders. Schauen Sie sich doch nur einmal die Altersarmut an. Sie wächst ungehindert weiter. Die Zahl unserer Rentner, deren Rente für einen würdigen Lebensabend nicht mehr ausreicht und die deswegen mit ihren 70, 80 Jahren noch im Müll nach Pfandflaschen suchen müssen, damit sie noch über die Runden kommen, ist erschreckend hoch. Das ist beschämend für Deutschland, für eines der reichsten Länder dieser Erde. Und das ist nur ein Beispiel von vielen für den sozialen Niedergang in Deutschland.

Ihre Partei wirbt auf ihren Wahlplakaten mit dem Slogan „Einwanderung braucht klare Regeln“. Damit trifft sie einen harschen Ton gegenüber Einwanderern. Wie nehmen Sie diese Kampagne wahr?

Sowohl ich als Person als auch meine Partei bejahen die Zuwanderung integrationswilliger und integrationsfähiger Einwanderer nach Deutschland. Allerdings finden wir, dass die Einwanderungspolitik zunächst nach klaren Kriterien gesetzlich geordnet werden muss,zum Beispiel in Anlehnung an entsprechende Kriterien. Entscheidend sind für uns Sprachkenntnisse, Ausbildung, berufliches Wissen und die Erfordernisse des hiesigen Arbeitsmarktes. Schauen Sie, die Leute, die zu uns kommen, kommen ja in der Regel nicht zu uns, weil es ihnen zu Hause besonders gut geht. Nein, sie kommen zu uns, weil es ihnen in der Regel schlecht geht. Nun kommen diese Menschen zu uns und haben Schwierigkeiten, einen Job zu finden, ganz einfach, weil sie den Anforderungen des deutschen Arbeitsmarktes nicht gerecht werden. Sie geraten somit vom einen Schlamassel in den andere.

Insbesondere die „Einwanderung in die Sozialsysteme“ soll gestoppt werden. Mit diesem Standpunkt offenbart Ihre Partei Überschneidungen mit der NPD, die dies seit Jahren in Ihren Wahlprogrammen fordert. Identifizieren Sie sich mit dieser AfD-Forderung?

Wir haben selbst zum Beispiel mit der Altersarmut zu kämpfen. Wir müssen zunächst die soziale Absicherung für die eigenen Leute wieder gewährleisten, bevor wir eine Zuwanderung aus anderen EU-Ländern zulassen können. Wir sind ja ganz offensichtlich schon mit der Grundversorgung unserer eigenen Rentner überfordert, so dass diese Menschen Pfandflaschen aus dem Müll einsammeln müssen. Wie sollen wir da noch die Grundversorgung der sozial Schwachen aus anderen EU-Ländern bewerkstelligen?

Nehmen Sie die AfD als „offene“ Partei für politisch interessierte Menschen mit Migrationshintergrund wahr?

Ja natürlich, jeder, mit oder ohne Migrationshintergrund, ist herzlich eingeladen, in die AfD einzutreten und mitzumachen. Allerdings wollen wir keine Mitglieder, die den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat in der Bundesrepublik in Frage stellen. Schauen Sie, die FDP ist nicht mehr im Bundestag und wird nicht mehr reinkommen. Da kann sie machen, was sie will, es ist vorbei. Die FDP hinterlässt in der politischen Landschaft eine Lücke, die von der AfD gefüllt wird. Nur eine „FDP-Lücke“ auszufüllen reicht uns aber nicht. Wir wollen mehr. Ob man uns mag oder nicht: Man wird uns von der politischen Bühne in der Bundesrepublik und Europa nicht mehr wegdiskutieren können.

Bei der Landesliste für die Bundestagswahl 2013 haben Sie es lediglich auf den 32. Platz geschafft, auch bei der Europawahl ist Ihre Kandidatur nicht bestätigt worden. Warum?

Wir sind noch Amateure auf der politischen Bühne. Für die Bundestagswahl 2013 war ich von der AfD als Direktkandidat für München-Ost nominiert. Die Direktkandidaten einer neuen Partei müssen 200 Unterstützerunterschriften beim Kreisverwaltungsreferat (KVR) einreichen, bevor sie überhaupt zur Wahl zugelassen werden. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich mehr als 250 Unterschriften eingereicht, aber das KVR hat nur 193 Unterschriften akzeptiert. Mehr als 50 Unterschriften wurden mit Begründungen wie fehlenden Geburtsdaten, falschen Wohnorten, nicht wahlberechtigt usw. zurückgewiesen. Somit ist meine Direktkandidatur wegen sieben fehlender Unterschriften hinfällig geworden. Für die Landesliste hatte ich mich damals nicht explizit beworben, da ich ja schon als Direktkandidat nominiert war. Ich bin aber trotzdem aufgestellt worden. Als später meine Direktkandidatur hinfällig wurde, kandidierte ich dann nur auf dem besagten 32. Platz der Landesliste.

Was wären Ihre politischen Standpunkte gewesen?

Meine politischen Standpunkte wären zum Beispiel die stärkere Mitbestimmung der Bürger durch Volksbegehren und Volksentscheide bei grundsätzlichen europapolitischen Entscheidungen, eine stärkere Kontrolle und Einschränkung der Europäischen Kommission und Einschränkung ihres Gesetzesinitiativrechtes, eine einheitliche Stimmgewichtung aller Europäer im Europäischen Parlament, klare Kompetenzabgrenzung zwischen EU und Mitgliedstaaten, die Rückführung von Kompetenzen zu den Mitgliedstaaten nach dem Subsidiaritätsprinzip und die Stärkung der europapolitischen Mitsprache und frühzeitige Einbindung des Deutschen Bundestags bei Fragen zu allen europapolitischen Themen.

Womit hätten Sie versucht, die Stimmen von Menschen mit Migrationshintergrund für die AfD zu gewinnen?

Ganz unabhängig vom Migrationshintergrund sind wir alle ein Teil Deutschlands. Ich denke, es ist daher unser aller Pflicht, uns Gedanken über die Zukunft unseres Staates zu machen und natürlich auch Verantwortung für diesen Staat zu übernehmen.

Die AfD hatte insbesondere nach ihrer Gründung Probleme mit ehemaligen Mitgliedern rechter Parteien, die sich bei der AfD engagieren wollten. Können Sie ausschließen, dass sich auch Mitglieder mit rechter Gesinnung zur Wahl stellen?

Nach unseren ersten Wahlerfolgen sind wir leider attraktiv geworden für Leute, die mit unserer freiheitlich-demokratischen Gesinnung nicht immer einverstanden sind. Sie versuchen verstärkt in unsere sich noch im Aufbau befindende junge Partei einzutreten und möchten ihre Weltanschauung durchbringen. Das passt uns zwar nicht, aber gegenwärtig können wir nicht viel dagegen unternehmen. Es ist wichtig, dass Migranten in die AfD eintreten, um diesen Strömungen entgegenzutreten.

Ihre Partei hat sich in den vergangenen Monaten versucht breiter aufzustellen, fand aber nicht immer einen gemeinsamen Standpunkt. Nun kämpft die AfD nur mit einem Thema für den Einzug ins Europaparlament: die europäische Finanzpolitik. Ist das nicht zu wenig?

Das sehe ich nicht so. Schauen Sie sich bitte mal meine Homepage an. Klaus-Peter Siegloch, Präsident der Deutschen Luftverkehrswirtschaft BDL, findet es zum Beispiel gut, was wir machen. Und das hat mit der europäischen Finanzpolitik nun gar nichts zu tun.

Ihre Partei hat in den vergangenen Monaten durch innere Streitigkeiten auf sich aufmerksam gemacht. Viele Landesverbände sind zerstritten, Vorstände wurden gestürzt, Schiedsgerichte angerufen. Ist das tatsächlich nur Ausdruck einer „lebendigen Streitkultur“, wie es Ihr Parteivorsitzende Bernd Lucke beschrieben hat?

Das ist richtig und ich finde das nicht gut, was gerade da abläuft. Aber vergessen Sie bitte nicht, wir sind noch eine sehr junge Partei. Es dauert noch seine Zeit, bis sich das alles gesetzt hat. Geben Sie uns bitte noch ein wenig Zeit.

In einer aktuellen Forsa-Umfrage liegt die AfD bei sechs Prozent. Der Einzug ins Europäische Parlament wäre gesichert. Was wünschen Sie sich von Ihren Abgeordneten für Deutschland und Europa?

Dass sie den von Frau Merkel eingeschlagenen Weg endlich stoppen. Natürlich werden wir das nicht auf Anhieb mit unseren paar Abgeordneten im Europaparlament schaffen. Dafür sind wir noch zu wenige. Schauen Sie sich doch einfach mal nur die Ukraine an. Durch das unverantwortliche Fehlverhalten von Frau Merkel, Monsieur Hollande, Herrn Barroso und so weiter ist ein Bürgerkrieg in der Ukraine angezettelt worden. Der Ausgang ist immer noch ungewiss. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, wir erleben gegenwärtig die Wiedergeburt des kalten Krieges, eines Krieges, den wir vor gut 20 Jahren beendet hatten. Ein herzliches Dankeschön dafür Frau Merkel, merci beaucoup, Monsieur Hollande. So ein Deutschland, so ein Europa wollen wir nicht. 

Ihr Parteichef Bernd Lucke hat gute Chancen ins Europäische Parlament gewählt zu werden. Zuletzt schloss er eine Kooperation mit rechtspopulistischen Parteien, wie dem französischen Front National, aus. Mit wem würden Sie denn zusammenarbeiten?

Für mich wäre eine Zusammenarbeit mit EVP (Fraktion der Europäischen Volkspartei, Anm. d. Red.), AECR (Allianz der Europäischen Konservativen und Reformisten, Anm. d. Red.) oder ALDE (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, Anm. d. Red.),) denkbar. Eine Zusammenarbeit mit Parteien wie der Ukip (United Kingdom Independent Party, Anm. d.Red.), dem FN (Front National, Anm. d. Red.) oder der PVV (Partij vooor de Vrijheid, Anm. d. Red.) schließe ich für mich aus.

Herr Deniz, im vergangenen Oktober sagten Sie, die AfD sei „keine Partei im herkömmlichen Sinne“. Vor der Europawahl möchten wir natürlich wissen, was ist die AfD denn dann überhaupt?

Ganz einfach: Die AfD ist eine neue Bewegung aus der Mitte vieler besorgter und verantwortungsbewusster Bürger, die das Versagen der politischen Führung in der Eurokrise und bei der Bewältigung politischer Probleme nicht mehr ertragen können und wollen. Das unterscheidet uns von den etablierten Parteien. Das habe ich damals gemeint.