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Politik

Der Sieg des inneren Feindes

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Der Front National und die UKIP legen massiv zu. In Frankreich ist Le Pen gar die stärkste Kraft. Auch in anderen Ländern können Rechtspopulisten Stimmen dazugewinnen. Doch die Parteien sind zerstritten. Ein Funken Hoffnung bleibt. (Foto: reuters)

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Marine Le Pen
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„Ein Erdrutschsieg“, „politisches Erdbeben“, „Schande für Europa“: Das politische Europa ist nach dem Tag der Wahl zum Europäischen Parlament erschüttert. Rechtspopulisten und Rechtsextremisten haben in vielen Ländern erhebliche Stimmenzuwächse verzeichnen können. Unerwartet kam das nicht, erschreckend ist es trotzdem.

Auf dem gesamten Kontinent triumphierten extreme Parteien. Insgesamt errang zwar die konservative Europäische Volkspartei (EVP), eine Fraktion in der auch Merkels CDU vertreten ist, die meisten Sitze im Europaparlament. Im künftigen EU-Parlament werden Rechtsaußenparteien und Anti-EU-Projekte jedoch deutlich stärker vertreten sein als bisher. Fast 20 Prozent der Sitze gehen den vorläufigen Ergebnissen zufolge an Europakritiker.

Europas rechtspopulistische Parteien profitieren vom Frust über die Bürokratie in Brüssel und einer schlechten Wirtschaftslage mit hoher Arbeitslosigkeit, harten Sparprogrammen und Ängsten vor verstärkter Zuwanderung. Die Stimmungsmache gegen Zuwanderer sicherte rechten Parteien auf dem gesamten Kontinent maßgeblich den Einzug ins Europaparlament.

Frankreich erlebt Rechtsruck

Frankreich im Schock: Der rechtsextreme Front National hat mit gut 25 Prozent die meisten Wählerstimmen auf sich vereinen können. Die Partei von Marine Le Pen hat die alteingesessenen Parteien der regierenden Sozialisten und der Konservativen weit abgeschlagen hinter sich gelassen und setzt sich an die Spitze der europäischen Rechtspopulisten.

Der Wahlsieger Front National will nun Köpfe rollen sehen und fordert Rücktritte innerhalb der Regierung. Aus dem Ergebnis der EU-Wahl müssten auch Konsequenzen in Frankreich selbst gezogen werden. Marine Le Pen fordert die Parteien auf, Frankreichs Parlament aufzulösen: „Nationale Neuwahlen sind bitter nötig.“ Die Gründung einer eigenen Fraktion im EU-Parlament ist bereits beschlossene Sache.

Frankreichs Präsident François Hollande, der nach zwei desaströsen Jahren die Scherben seiner Legitimität aufzukehren versucht, kündigte an, „weitreichende Konsequenzen“ aus dieser Wahlniederlage zu ziehen. Am Montag soll eine „Krisensitzung“ erste Reaktionen erörtern. Premierminister Manuel Valls lässt jedoch keine Zweifel: „Die Lage ist ernst – für Frankreich und Europa.“

Großbritannien bald raus aus der EU?

In Großbritannien beweist der Wahlerfolg der United Kingdom Independence Party (Ukip) das Verlangen der Wähler nach Unabhängigkeit und dem Austritt des Königsreichs aus der Europäischen Union. Vorläufigen Prognosen zufolge bekamen sie 29,5 Prozent der Stimmen, 2009 waren es bei der letzten Europawahl noch 16,5 Prozentpunkte.

Nigel Farage, Parteichef der Ukip, kündigte an, ein baldiges Referendum über die Zugehörigkeit Großbritanniens zur EU abhalten zu wollen. Viele Briten sind europaskeptisch eingestellt. Ein Referendum hätte gute Aussichten, das Königreich aus der Gemeinschaft heraus zu bugsieren. Premierminister David Cameron muss schnell reagieren, seine Macht steht nach dem Wahlsieg der Ukip zur Disposition. Auch er kündigte „Konsequenzen“ an und berief eine Krisensitzung seiner Minister ein.

Wilders verliert und stilisiert sich trotzdem zum Sieger

Der islam- und europafeindliche Geert Wilders von der niederländischen Partei voor de Vrijheid (PVV) konnte hingegen nicht die Bestmarke toppen und erhielt einen schweren Dämpfer. Wilders, der in den vergangenen Wochen immer wieder mit rechtsradikalen Parolen Skandale produzierte, vergraulte offenbar viele potenzielle Wähler.

Während letzte Umfragen seine Partei vor der Wahl deutlich an der Spitze sahen, gelangte die PVV nur auf den vierten Platz in den Niederlanden. Wilders zeigte sich trotzdem in Siegerpose. Er will sich nun auf Europa konzentrieren und höchstwahrscheinlich gemeinsam mit Le Pen eine eigene Fraktion bilden.

Österreichs Rechtspopulisten enttäuschen, griechische Neonazis stellen drei Abgeordnete

In Österreich konnte die rechtspopulistische FPÖ zwar nicht die hohen Prognosen erfüllen, legte im Gegensatz zur EU-Wahl von 2009 aber deutlich zu. Knapp 20 Prozent erhielt die Partei, die im Wahlkampf Stimmung gegen die Eurohilfen für kriselnde Mitgliedsländer, Zuwanderung und die „Bürokratie-Maschine Brüssel“ machte. Die Konkurrenz in Form der „Reformkonservativen“ (REKOS) und des „Bündnis Zukunft Österreichs“ (BZÖ) ging mit 1,2 bzw. 0,5% völlig unter.

Die islamfeindliche Dänische Volkspartei wurde mit 26% stärkste Kraft in Dänemark und errang vier Mandate. In Belgien kam der Vlaams Belang auf 4,2% und wird mit einem Mandat vertreten sein. Gegenüber 2009 ist das aber eine Halbierung des Stimmen- und Mandatsbestandes. In Bulgarien kam die „Ataka“ nur auf 2,97% und verlor ihre Sitze.

Von den offen neonationalsozialistischen Parteien erzielten die deutsche NPD, die dank des Wegfalls der Sperrklausel mit einem Ergebnis von 1% einen Abgeordneten nach Straßburg schicken kann, und die „Goldene Morgenröte“ aus Griechenland Mandate. Chrysi Avgi kam auf 9,8% und stellt künftig drei Abgeordnete. Die ungarische Jobbik kam auf 14,7% und drei Sitze.

Bürgerliche Anti-Euro-Parteien mit Achtungserfolgen

Neben den rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien kamen jedoch auch moderatere, bürgerliche oder libertäre Europakritiker ins Parlament, die nun den Anschluss an die von den britischen Konservativen geführte ECR-Fraktion suchen werden. In Polen kam neben der konservativen „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), die als stärkste Kraft 32,3% und 19 Mandate erzielte, auch der libertäre „Kongress der Neuen Rechten“ (KNP) auf 7,1% und vier Sitze.

In der Slowakei kam die konservative NOVA bei ihrem ersten Antreten auf 6,8% (1 Sitz) und die radikalliberale „Freiheit und Solidarität“ (SaS) auf 6,6% (ebenfalls 1 Sitz). In den Niederlanden verbesserte sich das Bündnis der beiden streng calvinistischen Parteien „ChristenUnie“ und SGP auf 7,6% und wird zwei Vertreter in Straßburg stellen.

Aus der Bundesrepublik entsendet die Alternative für Deutschland (AfD) künftig sieben Abgeordnete ins EU-Parlament. Parteichef Bernd Lucke sah die AfD am Wahlabend bereits als „neue Volkspartei“ und wurde gar poetisch, als er seine Partei mit einer „blühenden Blume“ verglich. Im gemeinsamen Talk der deutschen Spitzenkandidaten hagelte es in der ARD jedoch Kritik an den angeblich „populistischen“ Thesen der Partei.

Aus dem Stand sieben Prozent der deutschen Stimmen zu erreichen, wird von Lucke jedoch völlig zu Recht als „voller Erfolg“ verbucht. Kritiker werfen der AfD vor, auch rechte Themen zu vertreten und ehemalige Rechtsextreme in die Partei zu integrieren. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Partei entwickeln wird. In jenen drei Bundesländern, in denen Ende August Landtagswahlen anstehen (Thüringen, Brandenburg, Sachsen), kam die AfD auf Ergebnisse zwischen 7,4 und 10,1%. Am schlechtesten schnitt sie in NRW und Niedersachsen mit jeweils 5,4% ab.