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Gesellschaft

„Exil-Journalismus ist wichtig – auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte“

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„Journalist:innen im Exil bereichern unsere Gesellschaft mit ihren Sichtweisen, Talenten und Erfahrungen“, sagt Theresa Schneider. Die Programmleiterin „Exil“ der Körber-Stiftung erläutert im DTJ-Interview, warum das Engagement für exilierte Pressevertreter wichtig ist.

Frau Schneider, vor kurzem fand das Exile Media Forum, eine Veranstaltung der Körber-Stiftung, die den Austausch von Exil-Journalist:innen fördert, statt. Wie bewerten Sie das Event unter Pandemie-Bedingungen?

Wir hatten tatsächlich mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen. Deswegen verlegten wir das Exile Media Forum ins Internet, wo alle per Live-Stream mit dabei sein konnten. Und die Veranstaltung war ein voller Erfolg.

Auf Workshops und andere auf aktive Teilnahme aufbauende Formate mussten Sie dann aber verzichten, oder?

Richtig, aber wir haben die Veranstaltung sozusagen in zwei Teile getrennt. Der erste Teil umfasste Talks und Präsentationen. Der zweite Teil ist partizipativer und umfasst eine Webinar-Reihe, die in den nächsten Wochen weiterläuft. Der Austausch gelingt uns also auch unter den jetzigen Bedingungen.

„Exil-Journalist:innen sind wichtige Brückenbauer“

Zurück zum Thema: Warum hat die Körber-Stiftung das Thema Exil-Journalismus in den Fokus genommen?

Wir glauben – auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte –, dass Journalismus im Exil wichtig ist. Exilierte Journalist:innen bereichern unsere Gesellschaft mit ihren Sichtweisen, Talenten und Erfahrungen. Wir wollen den Zusammenhalt in Deutschland stärken. Exil-Journalist:innen können hier wichtiger Brückenbauer sein, wenn sie zwischen Neuankommenden und der sogenannten Mehrheitsgesellschaft vermitteln. Es geht uns darum, ihre Stimmen hörbar zu machen. Denn häufig haben sie viel zu berichten. Deswegen sollten wir ihnen aufmerksam zuhören.

Inwiefern bereichern Menschen im Exil mit ihrer Perspektive unsere Gesellschaft?

In ihrer Heimat haben sie häufig für Freiheit und Demokratie gekämpft. Sie wissen daher um den Wert unserer freiheitlichen Gesellschaft. Wenn wir ihnen die Möglichkeit geben, können sie mit uns gemeinsam diese Gesellschaft verbessern. Und am Ende sollte es in einer Demokratie wie der unseren ums Prinzip gehen: In Zeiten, in denen Demokratien unter Druck stehen und Autokraten immer härter gegen Pressevertreter vorgehen, müssen wir diesen Menschen Schutz bieten.

Wie wirken die Exil-Journalist:innen auf die Situation in ihren Heimatländern ein?

Ich denke, dass es durchaus Möglichkeiten von außen gibt, die Situation in den Heimatländern zu beeinflussen. In ihrer Heimat können sie nicht frei arbeiten und nicht das schreiben oder senden, was sie möchten. Aus dem Exil heraus können sie das – technisch gibt es ja immer mehr Möglichkeiten.

Wie nehmen Sie die deutsche Medienlandschaft wahr? Ist es Exil-Journalist:innen möglich, in deutschen Medien über die Situation in ihren Heimatländern zu berichten?

Das ist definitiv ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen. Medien sollten häufiger mit exilierten Journalist:innen zusammenarbeiten. Wir versuchen sie dabei zu unterstützen. Die Wahrheit ist aber, dass es für viele sehr schwer ist, in deutschen Medien Gehör zu finden.

„Starke Stimme im Kampf für Demokratie“

Gibt es in Deutschland eine aktive türkische Exil-Journalist:innen-Community?

Ja, besonders nach dem Putschversuch in der Türkei 2016 und den darauffolgenden Repressionen gegen liberale Pressevertreter sind viele Journalist:innen nach Deutschland geflüchtet. Einige relativ neue türkischsprachige Medien in Deutschland wurden in der Folge gegründet.

Sie sprechen es an: Die taz.gazete und Özgürüz sind nur zwei Beispiele für türkischsprachige Exil-Medien. Während die Taz das Projekt komplett einstellte, schrumpfte Özgürüz zu einem täglichen Newsletter zusammen. Wieso stehen türkische Exilmedien so unter Druck?

Ich glaube, es ist am Ende ein ganz normaler Prozess, dass Exilmedien mal mehr, mal weniger Aufmerksamkeit bekommen. Im Fall der türkischen Exilmedien ist das sicherlich problematisch. Dennoch gibt es weiterhin wichtige türkische Exil-Journalist:innen, die aus der Bundesrepublik heraus eine starke Stimme für den Kampf um Demokratie und Menschenrechte in der Türkei aufrechterhalten.

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Über die Stiftung: 1959 vom Unternehmer Kurt A. Körber ins Leben gerufen, ist die Körber-Stiftung heute national und international aktiv. Sie stellt sich eigenen Angaben zufolge mit ihren operativen Projekten, in ihren Netzwerken und mit Kooperationspartnern aktuellen Herausforderungen in den Handlungsfeldern „Innovation“, „Internationale Verständigung“ und „Lebendige Bürgergesellschaft“. Die drei Themen „Neues Leben im Exil“, „Technik braucht Gesellschaft“ und „Europa zusammenhalten“ stehen derzeit im Fokus ihrer Arbeit. Für die gemeinnützige Arbeit der Stiftung stehen eigenen Angaben zufolge rund 19 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. An den Standorten Hamburg und Berlin sind rund 130 haupt- und nebenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sowie etwa 90 ehrenamtliche Kräfte.

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