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Fall-Zarrab: Entscheidung gefallen

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Es waren fragwürdige Methoden, mit denen Mehmet Hakan Atilla durch das Netz aus Iran-Sanktionen schlüpfte. Nach dem Urteil im New Yorker Prozess droht dem Banker eine lange Haftstrafe. Das belastete Verhältnis zwischen den USA und der Türkei sackt weiter ab.

Von Johannes Schmitt-Tegge 

Angeklagt war Recep Tayyip Erdogan nicht. Und doch wirkt es ein wenig wie ein Schuldspruch gegen den türkischen Staatschef, als am Mittwoch in einem New Yorker Gericht das Urteil fällt: Mehmet Hakan Atilla, Ex-Vizechef der staatlichen türkischen Halkbank, ist schuldig, unter anderem wegen Bankbetrugs und der Verschwörung zur Geldwäsche. Durch seine Tricks – und mit Erdogans Zustimmung – wurden Milliardengeschäfte zwischen der Türkeiund dem Iran möglich und Sanktionen der USA umgangen, so die Jury. Ihre Entscheidung dürfte in Ankara noch einige Zeit nachhallen.

Mehrfach hatte Erdogan sich laut «New York Times» persönlich bemüht, den vor Monaten angelaufenen Prozess abzuwenden. Nicht nur gegenüber Vertretern der US-Regierung, auch in einem direkten Telefonat mit Präsident Donald Trump habe Erdogan den Fall thematisiert. Sein Vize-Ministerpräsident Bekir Bozdag sprach im November von einem inszenierten «Theater», das da in Manhattan stattfinde. Und das, als habe der Streit um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen, den Erdogan für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich macht, beiden Seiten nicht schon genug Kopfschmerzen bereitet.

Zu verdanken ist das Schauspiel der juristischen Spitzenklasse vor allem Reza Zarrab. Der heute 34 Jahre alte Goldhändler iranisch-türkischer Abstammung machte auf dem Weg zur Anklagebank im letzten Moment auf dem Absatz kehrt und legte überraschend ein Schuldgeständnis ab. Aus dem Zeugenstand schilderte er über sieben Tage en détail, wie der Sanktionsschirm der USA und der Vereinten Nationen mit fragwürdigen Methoden durchlöchert wurde.

Vorgetäuschte Lieferungen von Lebensmitteln und Medizin 

Da waren etwa die vorgetäuschten Lieferungen von Lebensmitteln und Medizin, die Geldzahlungen an den Iran möglich machten. Gold wurde in Koffern und Bargeld in Schuhkartons versteckt, um türkische Beamte zu schmieren, sagte Staatsanwalt David Denton im Prozess. Atilla bekam so Zugang zu iranischem Öl im Wert von Milliarden Dollar – genau der Rohstoff also, mit dessen Beschneidung Washington auf Teheran Druck ausüben wollte. Und Erdogan, damals noch Ministerpräsident, segnete die Deals 2012 ab, sagte Zarrab.

Kein Wunder, dass die New Yorker Staatsanwaltschaft das Urteil als Erfolg feiert. «Wenn Sie Vertreter des US-Finanzministeriums wiederholt anlügen und Dokumente fälschen, um – wie Atilla – mit einem geheimen Plan iranisches Öl im Wert von Milliarden Dollar am Sanktionsnetz der USA vorbeizuschmuggeln, sollten Sie auf die Konsequenzen vorbereitet sein», erklärt Staatsanwalt Joon Kim. Er und sein Team dürften sich nach diesem Schuldspruch die Hände reiben.

Welches Schicksal Zarrab nach seinem Geständnis und seinem Deal mit der Staatsanwaltschaft droht, ist offen. Zudem sind sieben weitere Angeklagte auf freiem Fuß, die für US-amerikanische Strafverfolger in der Türkei schwer zu fassen sein dürften. Unter ihnen ist auch Mehmet Zafer Caglayan, der bis Ende 2013 unter dem damaligen Ministerpräsidenten Erdogan Wirtschaftsminister war. So mag der Arm der US-Justiz sich aus New York über 8400 Kilometer bis nach Ankara gestreckt haben – gepackt hat er zunächst nur Atilla und Zarrab.

Das türkische Außenministerium reagierte denn auch gereizt auf das Urteil und bezeichnete es als eine «Rechtsschande», die korrigiert werden sollte. Die US-Anklage habe sich auf «gefälschte Beweise» gestützt. Zudem hätten Gülen-Anhänger das Verfahren beeinflusst. Auch der stellvertretende Ministerpräsident Bekir Bozdag sieht den Prozess als große politische Verschwörung. Er schrieb auf Twitter: «In dem Zarrab-Prozess wurden die Justiz, das Gericht und die Gerichtsverhandlung unverhohlen für einen politischen Zweck benutzt.»

Atillas Anwälte enttäuscht über Urteil

So schnell scheint das letzte Wort in dem Prozess auch noch gar nicht gesprochen zu sein. «Wir sind enttäuscht über das Urteil und haben vor, Berufung einzulegen», sagt Atillas Anwältin Cathy Fleming der Deutschen Presse-Agentur. Atilla sei «traurig, aber entschlossen, seinen Namen reinzuwaschen», sagt sein weiterer Verteidiger Victor Rocco dem «Wall Street Journal» zufolge. Nach Stand vom Mittwoch soll das Strafmaß am 11. April verkündet werden. Atilla drohen Jahrzehnte hinter Gittern.

Den USA, die ihre ab den 1970er Jahren eingeführten und schrittweise verschärften Strafmaßnahmen gegen den Iran durchsetzen müssen, verpasst das Urteil einen Schub. «Ausländische Banken und Banker haben die Wahl», sagt Staatsanwalt Kim. «Sie können dem Iran und anderen sanktionierten Ländern helfen, US-Recht zu umgehen, oder sie können Teil der internationalen Bankenlandschaft sein, die US-Dollar Transaktionen abwickelt. Aber sie können nicht beides tun.»

dpa/dtj

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