Wirtschaft
„Feelgood-Manager“: Mehr als nur bezahlte Wohlfühlbeauftragte
Für Gewerkschafter und Einzelgänger klingt es wie ein Albtraum – für Teamplayer und Erlebnisorientierte ist es hingegen eine große Chance: Feelgood-Manager sollen in Start-Ups schlechtere Bezahlung durch Spaß an der Arbeit kompensieren. (Foto: zaman)
Wer im Zusammenhang mit dem Feelgood-Management an „Opium fürs Volk“ denkt, um von schlechten Bedingungen abzulenken, oder an die berüchtigten Vertriebsfahrten eines namhaften Versicherungskonzerns nach Ungarn denkt, dürfte dem Konzept Unrecht tun.
Feelgood-Management gilt als Erfolgsrezept, um überflüssigen Stress von Kollegen fernzuhalten. Es soll eine Wohlfühlkultur entstehen – und Spaß an der Arbeit. Das Unternehmen als kleine Familie – zumindest während der Arbeit, das passt zumindest in die Singlekultur.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist das Wohlfühlmanagement zusätzlich eine Möglichkeit, auf Spezialistenknappheit zu reagieren, sagt Arbeitsökonom Lutz Bellmann von der Universität Erlangen-Nürnberg. Statt mit monetären Anreizen begegne man dem Fachkräftemangel vermehrt mit immateriellen Werten. „Gerade junge Startups können ihren Mitarbeitern häufig nicht viel zahlen“, erklärt der Ökonom. Sie müssten daher auf andere Weise punkten.
Das Betriebsklima ist ein wertvolles Gut und entscheidet wesentlich mit über den Erfolg eines Unternehmens. Gründer von schnell wachsenden Firmen wie Internet-Start-Ups wissen das. Ihre Unternehmen sind jung und international. Das Arbeitspensum ist enorm und die hoch gesteckten Ziele sind nur erreichbar, wenn das ganze Team mit voller Kraft mitzieht. Wohlfühl-Manager, sie selbst nennen sich in ihrer internationalen Welt „Feelgood-Manager“, sind dafür verantwortlich, dass das Arbeitsklima stimmt. Immer mehr Unternehmen setzen auf den neuen Trend-Job und eine neue Firmenkultur.
Vom Babysitterdienst bis zum Mystery Lunch
Geboren wurde die Idee im amerikanischen Raum beim Internet-Konzern Google. Die Gründer Sergey Brin und Larry Page sorgten schon kurz nach der Gründung im Jahr 1998 für kostenfreie Verpflegung des Personals. Bald gab es bei Google Spielzimmer mit Billard, Flipper, Darts und Konsolen, Ruheräume für den Mittagsschlaf und Gratis-Massagen für Mitarbeiter. Sie sollen sich wohlfühlen. „Bei uns gibt es allerdings keine Person, die dafür zuständig ist. Es ist Teil der Firmenkultur geworden“, sagt Unternehmenssprecher Stefan Keuchel. Das dürfte auch einen nicht unwesentlichen Unterschied zu jenen gezwungen wirkenden, verordneten Karaoke-Abenden, wie sie Anfang der 90er in japanischen Betrieben zur Stärkung des Kollektivs dienen sollten.
Feelgood-Managern geht es nicht in erster Linie darum, Party zu machen. Vielmehr soll möglichst viel überflüssiger Stress von den Mitarbeitern ferngehalten und Raum für Kreativität geschaffen werden. Babysitterdienste für Eltern, Umzugshilfe für neue Mitarbeiter oder Begleitung bei Behördengängen für ausländische Neuankömmlinge gehören ebenso dazu wie Sportevents und Geschäftsessen mit noch unbekannten Kollegen.
Frust soll keine Chance haben, denn der hemmt die Leistungsfähigkeit. Natürlich kann auch Feelgood-Management nicht auf Dauer gute Bezahlung oder funktionierende Work-Life-Balance ersetzen. Aber eine funktionierende Unternehmenskultur kann das entscheidende Mehr ausmachen, das Spitzenkräfte dazu motiviert, sich für ein bestimmtes Unternehmen zu entscheiden – oder es, einmal an Bord, nicht bereits beim nächsten Anruf des Headhunters wieder zu verlassen.