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Kolumnen

Von der Nützlichkeit des Menschen

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„Es kommen nicht nur Roma, sondern auch Akademiker“, schlagzeilte heute.de und meinte damit sogar, Ressentiments gegenzusteuern. Und was passiert, sollten die eingewanderten Akademiker eines Tages nicht mehr als nützlich erscheinen? (Foto: reuters)

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Zum Glück gibt es immer die anderen. Nachdem uns die „Jugoslawen“ abhanden gekommen waren, setzten wir auf die Türken, um schließlich auf die gleiche Gruppe von Einwanderern als Muslime zu schimpfen. Der zwischenzeitliche Versuch der Bild-Zeitung, „Pleite-Griechen“ als Feindbild zu etablieren, darf als gescheitert gelten – wenn wir auch gelernt haben, dass jedes stigmatisierende Bild binnen kürzester Zeit mühelos mit Leben erfüllt werden kann. Nun stört also die Einwanderung aus dem Osten, vor allem jene von Bulgaren und Rumänen. Das heißt, nein, eigentlich ist es nicht so. Diesmal ist es anders. Zumindest scheint es auf den ersten Blick so zu sein.

Während einige wenige Politiker eine rassistische Stimmung anheizen, nehmen andere Politiker dezidiert Stellung gegen die Verunglimpfung von Roma und anderen, die aus dem Osten einwandern oder auch schon lange da sind. Auch unsere Medien setzen hin und wieder andere Akzente. Zwar sind die alarmistischen Warnungen vor Einwanderungs-„Wellen“ nicht verschwunden, aber man bemüht sich – zumindest anhand von Einzelbeispielen –, auch das Schicksal einzelner Flüchtlinge oder Arbeitsmigranten sichtbar zu machen, für Mitgefühl zu werben.

Noch bemühter ist das Beschwören eines Fachkräftemangels, dessen Existenz zwar umstritten ist, der jedoch gerne angeführt wird, wenn es gilt, positive Stimmung gegenüber Einwanderung zu machen – die wir ja immer noch nicht so nennen dürfen und deshalb auf das Wort „Zuwanderung“ ausweichen. Über die positive Bewertung von „Zuwanderung“ zu Arbeitszwecken mögen sich gerade diejenigen freuen, die schon lange und zu recht monieren, dass über sog. „Ausländer“ vor allem Defizitdiskurse geführt würden und man es von Medienseite versäumt, auch deren positiven Einfluss auf die Gesellschaft und die Wirtschaft zum Ausdruck zu bringen.

Gegenteil von gut ist gut gemeint

Genau dies bemüht man sich nun zu tun, wenn auch ein Versuch auf heute.de als exemplarisch für einen von nicht wenigen Fehlversuchen steht: Mit einer Überschrift, wie „Es kommen nicht nur Roma, es kommen auch Akademiker“ werden allenfalls weitere Vorurteile kultiviert. Ganz so, als gäbe es unter Roma keine Akademiker. Gerade der Antiziganismus scheint sich auch weiterhin und weitestgehend unhinterfragt Bahn zu brechen. Dieser Debattenbeitrag fällt also, wenn man nicht Absicht unterstellen will, in die Rubrik „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.“ Und genau in diese Kategorie ordnet sich die ganze Debatte um den angeblichen Fachkräftemangel ein.

Ein Überlebender KZ-Häftling

Denn wer Menschen danach einteilt, ob sie – für die Wirtschaft – nützlich sind oder nicht, hebelt einen wichtigen Grundsatz der Menschenrechte aus. Denn diesen zufolge muss ein Mensch zunächst nichts leisten, um diese Rechte zu haben. Menschen, die nicht mehr arbeiten können, sind nämlich kein Entsorgungsobjekt, um es mal so krass auszudrücken, wie die Debatte es in weiterer denklogischer Fortführung einfordert. Wer ökonomisch „nützliche“ Menschen anfordert, ist auch genauso schnell bereit, diese wieder wegzuschicken, wenn sich die gesellschaftliche Bedarfssituation verändert hat. Dies zeigt nicht zuletzt die Behandlung ehemaliger „Gastarbeiter“, die genau die Zielgruppe waren, die man damals gebraucht hat. Wenn Wirtschaft und Markt das Menschenbild bestimmen, dann haben wir als Menschen verloren.

„Du kannst nützlich sein, Deutscher bist du noch lange nicht“

Deutschland wird noch bunter und daran ist nichts auszusetzen. Wenn sich aber an den Grundeinstellungen nichts ändert, dann ist allenfalls zu erwarten, dass eine abgelehnte Gruppe von „Ausländern“ die andere ersetzen wird. Ob es den vormals Stigmatisierten dann besser geht, darf bezweifelt werden. Das zeigt nicht zuletzt die Hartnäckigkeit der Wortschöpfung „Migrationshintergrund“ – ein Begriff, der immer noch das ausdrückt, was viele ältere Wortschöpfungen auch schon taten, nämlich das Andere. Deutsch zu werden bleibt so gut wie unmöglich, Pass hin oder her. Und schließlich wird auf dem Konkurrenzmarkt um Arbeit und Auskommen das gegeneinander Ausspielen von Arbeitskräften aus dem In- und den Ausland, das vor allem dem Lohndumping dient, nicht zur Befriedung der Lage beitragen – eher zur Befeuerung des Gegenteils.