Gesellschaft
Fleischskandal: 100% pure Beef – pure Illusion?
Erst Schweinefleisch für muslimische Gefängnisinsassen, nun Pferdefleisch in Fertigmahlzeiten – die Skandale um Lebensmittel in England reißen nicht ab. Der britische Ernährungsminister Paterson beruft nun ein Krisentreffen ein. (Foto: ap)
London – Im Skandal um mit Pferdefleisch versetzte Rindfleisch-Produkte ist am Dienstag europaweit die Ursachenforschung weitergegangen. Der britische Ernährungsminister Owen Paterson hat ein weiteres Krisentreffen mit Spitzenvertretern der Nahrungsmittelbranche einberufen, um mögliche Schritte zu diskutieren. Am Mittwoch solle es ein Ministertreffen auf EU-Ebene geben.
In Deutschland weiteten viele Bundesländer ihre Tests auf Pferdefleischspuren in Rinderhack-Produkten aus. „Wir planen jetzt eine Schwerpunktaktion, um speziell Hamburger zu überprüfen“, kündigte Rico Schmidt, Sprecher der Verbraucherschutzbehörde in Hamburg an.
In Großbritannien und Irland waren in den vergangenen Wochen immer wieder als Rindfleisch deklarierte Burger und andere Hackfleischprodukte entdeckt worden, die Pferde-, aber auch Schweinefleischanteile enthielten – in Einzelfällen bis zu 100 Prozent.
Zuletzt hatte die Supermarktkette Tesco in Spaghetti Bolognese und Lasagneprodukten Pferdefleisch entdeckt und die entsprechenden Erzeugnisse aus dem Verkehr gezogen. Unter anderem wurde auch in britischen Haftanstalten schweinefleischhaltiges Essen an muslimische Gefangene verteilt.
Verzehr von Pferdefleisch ist in Großbritannien ein gesellschaftliches Tabu
Der Verzehr von Pferdefleisch, in Ländern wie Italien, Frankreich oder auch Deutschland durchaus üblich, gilt in Großbritannien und Irland als gesellschaftliches Tabu. Pferdefleisch zu essen ist zwar nicht offiziell verboten. Es gibt aber anders als in Zentraleuropa keine Schlachter, die Pferdefleisch zu Wurst oder Fleischwaren verarbeiten.
Die Behörden vermuten inzwischen, dass „kriminelle Machenschaften“ hinter dem Skandal stecken, wie Paterson sagte. Allerdings ist das Motiv völlig unklar.
In britischen Medien wurde vermutet, dass mit Medikamenten behandelte Pferde – die etwa in Deutschland für die Verarbeitung als Lebensmittel tierärztlich gesperrt und damit legal unverkäuflich sind – in die Nahrungskette gelangt sein könnten. Die Lebensmittelbehörden in Großbritannien gehen aber weiter davon aus, dass keine gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung zu befürchten ist.
Spekulationen zufolge könnte der Skandal von Rumänien ausgegangen sein. Die rumänische Regierung geht jedoch davon aus, dass es in dem Land keine Verstöße gegen irgendwelche EU-Regeln gegeben hat. Betroffen wären stattdessen Produzenten in Frankreich.
Mehrere Lebensmittelketten, darunter auch die britischen Ableger der deutschen Discounter Aldi und Lidl, mussten Fleischprodukte aus dem Sortiment nehmen. Sie trennten sich zum Teil von Lieferanten.
Britische Behörde entdeckte Schweinefleisch in Gefängnisnahrung für muslimische Insassen
Die EU soll sich am Mittwoch in Brüssel mit dem Skandal um falsch deklariertes Pferdefleisch beschäftigen. Zu einem entsprechenden Treffen werde der irische Landwirtschaftsminister Simon Coveney einladen, teilte die Regierung in Dublin mit. Coveney wolle bei dem Treffen mit EU-Verbraucherkommissar Tonio Borg und weiteren EU-Ministern die Auswirkungen der jüngsten Erkenntnisse über die Beimischung von Pferdefleisch besprechen. Außerdem werde der Skandal auch Thema beim nächsten EU-Agrarministerrat sein.
In britischen Gefängnissen wurden letzte Woche bereits Spuren von Schweinefleisch in Speisen gefunden, die für muslimische Häftlinge gedacht waren. Die Justizbehörden ordneten eine umfassende Untersuchung an. Alle betroffenen Produkte seien sofort aus dem Verkehr gezogen worden. Nach Angaben des Justizministeriums wurde die Geschäftsbeziehung zu einem Lieferanten beendet.
Die Behörden beriefen eine Zusammenkunft mit allen anderen Lieferanten ein. Ein Sprecher der staatlichen Behörde für Lebensmittelsicherheit sagte: „Die Kunden haben ein Recht darauf, dass die Lebensmittel, die sie verzehren, sauber gekennzeichnet sind.“ (dpa/dtj)