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Politik

Flüchtlinge: Türkei bleibt auch 2016 das wichtigste Transitland und die Balkanroute das Tor nach Europa

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Die schlechten Lebensbedingungen in der Türkei, im Libanon und in Jordanien sind für viele syrische Bürgerkriegsflüchtlinge Antrieb zum Aufbruch nach Westeuropa. Experten erwarten wieder eine Million.

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In der Bekaa-Ebene im Osten Libanons liegt Schnee. Straßen sind wegen der Schneestürme gesperrt. Die Lage der syrischen Flüchtlinge im Lager Bar Elias hat sich nochmals verschlechtert. Notdürftig zusammengezimmerte Hütten aus Brettern und Latten, Plastikplanen und Blech. Autoreifen auf dem Dach verhindern, dass der eisige Wind große Teile der Behausungen wegweht.

Die windschiefen Dächer der Notunterkünfte, mehr Verschläge als Wohnungen, werden vom Schnee befreit. Kinder spielen in dünnen Trainingshosen im Freien – die nackten Füße in Sandaletten, die Hände rot gefroren. Dem eisigen Wind, dem Schnee und der Kälte sind hier alle nahezu schutzlos ausgeliefert.

In den Libanon sind nach Regierungsangaben weit mehr als eine Million Syrer geflohen, 1,4 Millionen nach Jordanien. Die Türkei hat zwei Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen. Und von der Türkei aus haben sich 2015 mehr als eine Million Menschen auf den Weg nach Westeuropa gemacht – in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Mindestens 800 000 von ihnen sind nach Zählung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Serbien über die Balkanroute nach Österreich und vor allem nach Deutschland gekommen.

Viel zu wenig Geld für viel zu viele Menschen

UNHCR-Mitarbeiter klagen, es gebe viel zu wenig Geld, um allein die aus Syrien kommenden Millionen von Flüchtlingen zufriedenstellend versorgen zu können. Und: Wenn den Menschen hier nicht geholfen werde, zögen sie nach Europa weiter, sagen sie. Hans Friedrich Schodder leitet die UNHCR-Vertretung in Serbien. Er erwartet auch im neuen Jahr wieder eine Million Flüchtlinge im Transit aus der Türkei über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien bis nach Österreich und Deutschland.

Die internationale Gemeinschaft habe bisher auf die Flüchtlingskrise nur reagiert, sagte Schodder der Belgrader Zeitschrift „Novi Magazin“ zum Jahresende. Jetzt müsse sie „proaktiv werden“. Dazu hatte die EU in Brüssel am 25. Oktober ein Treffen mit den Regierungschefs der Balkanländer organisiert. Die dabei vereinbarten Maßnahmen sind aber bis heute noch längst nicht umgesetzt worden. Griechenland sollte 50 000 Aufnahmeplätze für Flüchtlinge schaffen, um den Druck auf Österreich und vor allem Deutschland zu mindern. Die anderen Balkanstaaten sollten für weitere 50 000 Aufnahmeplätze sorgen.

Der Flüchtlingsansturm dürfte die ohnehin zerstrittenen Balkanländer erneut auf eine harte Probe stellen. Schon im vergangenen Jahr gab es wegen der Flüchtlinge einen kurzen Handelskrieg zwischen Serbien und Kroatien. Kroatien stritt sich mit seinem Nachbarn Slowenien, obwohl beide Länder EU-Mitglieder sind. Und alle schimpften auf das EU-Land Ungarn, das seine Grenzen mit einem Zaun dichtgemacht hatte.

Im gerade begonnenen Jahr gibt es viele Unwägbarkeiten: Die neue Regierung in Kroatien dürfte sich mehr als ihre Vorgängerin für eine Abschottung des Landes gegen Flüchtlinge einsetzen. Und auch im südlichen Mazedonien dürfte mit der neuen Regierung im April die Flüchtlingskrise wieder in den Mittelpunkt rücken. Die war wegen der innenpolitischen Dauerkrise bisher links liegen gelassen worden. (dpa/dtj)