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Politik

„Egal ob Muslim, Druse oder Christ: Ein Nein zu Assad bedeutet den Tod”

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Zu Zeiten des Bürgerkriegs waren sie eine militärische Einheit und ihre Anführer hatten regelmäßig eine geringe Lebenserwartung. Heute sind die Forces Libanaises (FL) eine aufstrebende zivile politische Kraft im Libanon. (Fotos: reuters)

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Force Libanaise
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Deutsche Politiker und Nahost-Experten geben regelmäßig in Talkshows ihre Einschätzungen und Meinungen zum aktuellen Bürgerkrieg in Syrien zum Besten. Dabei reichen die Aussagen von „Al-Qaida ist die größere Gefahr als das alte Regime” über „Das Regime in Damaskus ist eine abscheuliche Diktatur. Aber es ist auch nicht schlimmer als andere” bis hin zur Bezeichnung „Schlächter Assad”. Ein gern genanntes Argument der Unterstützer Assads ist, dass das Regime die Minderheiten schütze und Assads Machterhalt somit auch den Christen in Nahost nütze.

Das DTJ sprach mit Elsy Oueiss, maronitische Christin und außenpolitische Sprecherin der libanesischen Partei „Forces Libanaises” (FL) über die politische Lage im krisengeschüttelten Libanon, die Rolle Assads und das Schicksal der Christen im Nahen Osten.

Der Libanon ist heute politisch gespalten zwischen der anti-syrischen Allianz des 14. März, der auch Ihre Partei angehört, und der sog. Allianz des 8. März. Worum geht es bei diesem Konflikt?

Wir (die Allianz des 14. März) sind gegen das „iranische Projekt”. Das heißt nicht, dass wir gegen den Iran sind. Aber zu unseren Gegnern gehören die Hisbollah, die schiitische Amal-Bewegung, die Syrische Soziale Nationalistische Partei, die sich für eine Annexion des Libanon an Großsyrien einsetzt, und die Partei von General Aoun, der die Allianz des 14. März verlassen hat und eigene Pläne verfolgt.

Wir fordern, dass die Streitkräfte der Hisbollah genau wie alle anderen libanesischen Milizen ihre Waffen an den Staat übergeben und dass die libanesische Armee die volle Kontrolle über den Südlibanon erhält. Wie soll im Libanon Demokratie entstehen, wenn eine der Parteien über Waffen verfügt und andere Parteien mit diesen Waffen bedroht? Die Waffen waren 2006 zwar gegen Israel gerichtet, aber in den Jahren danach kam es im Libanon zu heftigen Spannungen zwischen verschiedenen Gruppen und der Hisbollah. Damals richtete die Hisbollah ihre Waffen auf Libanesen.

Besteht die Gefahr, dass sich solche inner-libanesischen Auseinandersetzungen entlang konfessioneller Linien bald wiederholen?

Die Spaltung der libanesischen Bevölkerung basiert nicht auf konfessionellen oder religiösen Gegensätzen. Das möchte man die Libanesen und das Ausland zwar gerne glauben machen, doch so ist es nicht. Die Spaltung des Libanons ist vielmehr ein politisches Projekt einiger Mächte. Die Allianz von 14. März stellt sich gegen dieses Projekt und gegen die syrische Besatzung.

2011 bewies die Hisbollah, dass sie nicht zögert, ihre militärische Macht zu nutzen, um politische Prozesse im Libanon zu erzwingen. Damals drängte sie die Regierung zum Rücktritt. In drusischen Wohngebieten tauchten beispielsweise Hisbollah-Kämpfer auf, um die drusische Bevölkerung einzuschüchtern und dazu zu bewegen, für den von der Hisbollah favorisierten Ministerpräsidenten-Kandidaten zu stimmen.

Sie sind außenpolitische Sprecherin der libanesischen Partei „Forces Libanaises”. Was sind die Forces Libanaises und wer führt sie an?

Die Partei wurde in den späten 70er-Jahren von Bachir Pierre Gemayel gegründet und hatte während des libanesischen Bürgerkriegs einen militärischen Arm. Bachir Gemayel wurde 1982 zum libanesischen Präsidenten gewählt und nur einen Monat nach seiner Wahl ermordet. Ab 1986 war dann Samir Geagea Oberhaupt der Forces Libanaises. Nach langjähriger Haft in Syrien kam Geagea 2005 frei und ist nun Parteivorsitzender.

Wie sah die Lage der FL nach dem Bürgerkrieg aus?

Das Abkommen von Taif beendete 1989 den libanesischen Bürgerkrieg. Jedoch wurden die Vereinbarungen, welche die libanesischen Bürgerkriegsparteien getroffen hatten, falsch umgesetzt, da Syrien den Libanon militärisch besetzt hielt. Die FL war gegen die syrische Besatzung. Geagea wollte nicht an der pro-syrischen Regierung teilnehmen und es begann eine politische Kampagne gegen die FL.

Seit 1994 war die Partei im Libanon dann verboten. Es kam zu vielen Verhaftungen und sogar zu Folter von FL-Aktivisten durch syrische Sicherheitsbeamte. Während dieser Zeit war die Studentenbewegung der Partei sehr aktiv, aber dann wurde der Führer der Studentenbewegung der FL im Jahre 2001 entführt und ermordet.

Welche politische Rolle spielt die FL heute im Libanon?

Nach dem Attentat auf den libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri kam es zur Zedernrevolution und die syrische Besatzung endete. Die FL schloss sich damals der anti-syrischen „Allianz des 14. März” an, der auch die wichtigsten sunnitischen und drusischen Gruppen und sogar einige unabhängige Schiiten angehörten. Es war das erste Mal in der Geschichte des Libanons, dass ein politisches Bündnis zwischen einer christlichen und einer sunnitischen Partei geschlossen wurde.

2005 wurde die Partei wieder erlaubt und seitdem restrukturiert sie sich. Seit 2005 sind wir die erste echte demokratische Partei der gesamten Region, da wir auch innerhalb der Partei Wahlen haben. FL-Vertreter und Ämter werden also nicht bestimmt, sondern durch die Mitglieder vergeben.

Ist die FL eine christliche oder rein maronitische Partei?

Für gewöhnlich sind unsere Mitglieder Christen. Wir befinden uns im Moment noch im Prozess der Mitgliedergewinnung. Aber es tragen sich auch einige Sunniten bei uns ein. Es ist also keine rein christliche Partei. Jeder, der unsere politischen Ziele teilt, kann sich einbringen.

Die FL hat außerdem ein Partei-Maifest entworfen, zu dem nicht nur Mitglieder der maronitischen Gemeinschaft, sondern auch Schiiten und Sunniten beigetragen haben. Übrigens ist der FL-Vorsitzende Geagea in Teilen der sunnitischen Bevölkerung sehr beliebt, weil er sich offen gegen Hisbollah äußert.

Welche politischen Ziele verfolgen die FL?

Unsere Ziele sind der Schutz des Libanons und seiner Souveränität, die Rückgabe der Scheeba-Farmen durch Israel und eine Anpassung der politischen Repräsentation in den staatlichen Institutionen, damit alle libanesischen Gruppen fair vertreten sind.

Außerdem setzen wir uns für mehr Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, sowie die Stärkung der Rolle der Frau und eine Dezentralisierung der politischen Verwaltung ein.

Weitere wichtige Punkte sind die Durchsetzung der UN-Resolution 1559, die die Entwaffnung und Auflösung aller im Libanon aktiven Milizen fordert und der UN-Resolution 1701, die fordert, dass es neben dem libanesischen Staat keine andere herrschende Macht im Libanon geben darf, auch nicht die Hisbollah.

Stichpunkt Hisbollah. Sie verfügt über eine gut ausgerüstete Miliz. Planen christliche oder sunnitische Gruppen im Libanon auf Grund der Spannungen eine Wiederbewaffnung?

Nein, denn ein Großteil der christlichen und sunnitischen Bevölkerung glaubt an das libanesische Projekt, das heißt ein Staat und eine Armee. Die Gründung eigener konfessioneller Milizen würde dem libanesischen Projekt zuwiderlaufen. 1990 gab der militärische Arm der FL gemäß dem Taif-Abkommen all ihre Waffen ab. Wir fordern, dass die Hisbollah das gleiche tut.

Außerdem fordern wir die Hisbollah auf, ihre militärische Einmischung in Syrien sofort zu beenden. Erstens, weil das syrische Regime seine eigene Bevölkerung bekämpft und zweitens, weil das syrische Regime im Libanon immer wieder gezielte Tötungen und Anschläge durchführt. Assad tötet Syrer und Libanesen gleichermaßen. Wie kann die Hisbollah nach Syrien gehen und dieses Regime unterstützen?

Die Allianz des 8. März gilt als pro-syrisch. Wie groß ist Assads Einfluss im Libanon?

Assad nutzt beispielsweise den bewaffneten Konflikt zwischen der sunnitischen Mehrheit und der alawitischen Minderheit in der nordlibanesischen Stadt Tripoli, um der Welt ab und an zu zeigen, wie chaotisch es im Libanon ist und wie nötig deshalb doch ein stabiles Regime in Syrien wäre. Es kommt immer wieder zu schwerem Beschuss sunnitischer Stadtteile durch die alawitische Miliz, die von Assad gestützt wird.

Weil die von der Hisbollah geführte Regierung sich in den letzten Jahren geweigert hatte, die libanesische Armee zur Entwaffnung der Gruppen in Tripoli – vor allem der schwerbewaffneten alawitischen Seite – einzusetzen, konnten auch radikale sunnitische Gruppen in der Stadt Fuß fassen. Es entstand das Bild von Terrorgruppen, die in Tripoli wüten und den Konflikt anheizen würden. Doch in Tripoli gab es davor nie Probleme mit sog. Radikalen.

Bei der letzten Wahl erhielt die Muslimbruderschaft in Tripoli gerade einmal drei Prozent. Die Muslimbruderschaft hat außerdem nie zuvor versucht, ihre Ziele im Libanon militärisch durchzusetzen. Warum also gerade jetzt? Was da passiert, ist reine Provokation der Alawiten gegenüber den Sunniten und die Regierung schaut zu. Den Sunniten aus Tripoli kann man nicht vorwerfen, dass sie sich selbst verteidigen, da der Staat dort versagt hat.

Assad Anhänger in Libanon

Assad profitiert also von einer Destabilisierung des Libanon?

Ein weiteres Beispiel dafür ist, dass es 2008 in dem palästinensischen Flüchtlingslager Nahr al-Bared zu schweren Gefechten zwischen der libanesischen Armee und Extremisten der Gruppe Fatah al-Islam kam. Diese Extremisten kamen über Syrien und mithilfe der syrischen Geheimdienste in den Libanon, um dort für Unruhe zu sorgen.

Baschar al-Assad ist der Unterstützer des Terrors. Es ist lächerlich, wenn al-Assad in Reden den Kampf gegen Terrorismus und Extremismus fordert, weil sein Sicherheitsapparat selbst die Extremisten unterstützt.

Im Libanon und besonders in Tripoli gibt es außerdem immer wieder gezielte Tötungen bestimmter Personen durch den syrischen Geheimdienst. Das ist Fakt, einige der Hintermänner stehen momentan vor Gericht. Der Fall des libanesischen Politikers Michel Samaha, der für den syrischen Geheimdienst Sprengstoff in den Libanon schmuggelte, beweist, wie stark das syrische Regime im Libanon aktiv ist.

Übrigens: Der libanesische Offizier, der Samaha verhaftete, wurde zwei Monate später ermordet.

Die libanesische Armee galt lange als Institution, in der alle Gruppen des Libanon vertreten sind. Doch was nützt das, wenn sie die Libanesen nicht vor äußerem Einfluss schützen kann?

Obwohl der Westen lange Zeit davor zurückschreckte, die libanesische Armee zu unterstützen, ist die libanesische Armee durchaus dazu in der Lage, für Stabilität zu sorgen. Es fehlt aber der politische Wille der jeweiligen Regierung dazu. Denn wenn bei einem Konflikt kein Konsens zwischen den verschiedenen regierenden Gruppen besteht, wird keine Entscheidung gefällt und es werden auch keine Befehle erteilt.

Auch innerhalb der libanesischen Armee, die sich aus allen Bevölkerungsteilen zusammensetzt, gibt es Bereiche, die von Angehörigen einer bestimmten Konfession dominiert werden. Die Sicherheitskräfte am Flughafen von Beirut etwa sind in der Hand von Hisbollah-treuen Angehörigen der Sicherheitskräfte. Der libanesische Geheimdienst „General Security Directorate” wird größtenteils von Sunniten kontrolliert. Im Libanon basiert fast alles auf dem sog. Konsens.

Aber die libanesische Armee wäre dennoch in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen, wenn der politische Wille bestehen würde. Aber seit 2011 haben wir im Libanon die korrupteste Regierung aller Zeiten.

Zurück zu Syrien. Was macht Ihre Partei, wenn Assad den Krieg gewinnt?

Ich glaube, es würde der Geschichte widersprechen, wenn Assad diesen Krieg gewinnen würde. In Syrien leben mehr als 20 Millionen Menschen, von denen ein Großteil Assad ablehnt. Glauben Sie, Assad kann auf Dauer Millionen Menschen beherrschen, die sein Regime ablehnen? Auf lange Sicht auf keinen Fall.

Selbst nachdem Assad chemische Waffen gegen die Bevölkerung eingesetzt hatte, lehnten sie seine Herrschaft immer noch ab. Er hat alle Werkzeuge aus seinem Terrorarsenal eingesetzt, um das syrische Volk zu brechen und es dennoch nicht geschafft.

Vielleicht kann jemand aus seiner Partei die Macht übernehmen oder eine Übergangsregierung mitbilden, aber Assad, nach all den Verbrechen die er begangen hat, wird niemals bleiben können.

Hat Ihre Partei einen Plan B für den Fall, dass Assad doch bleibt? Wäre die FL bei einem militärischen Sieg des syrischen Regimes dazu gezwungen, sich mit der Hisbollah zu verbünden oder dem Iran anzunähern, um innenpolitisch überleben zu können?

Unsere Politik dreht sich nicht um die Person Assad. Unsere Politik konzentriert sich auf den Libanon und wir wollen eine Regierung, die immun gegen alle Konflikte in der Region ist. Wenn der Libanon demokratisch wird und seine Souveränität verteidigen kann, dann brauchen wir uns nicht darum zu kümmern, wer in Damaskus regiert. Das einzige Problem ist in meinen Augen, dass bei einem Sieg Assads die Hisbollah noch stärker als je zuvor sein würde.

Ein mahnendes Beispiel für eine Annäherung an die Hisbollah ist die Partei von General Aoun. Zwischen Aoun und der Hisbollah entstand eine nach der Zedernrevolution eine Art Bündnis, wobei Aoun bei diesem Bündnis nicht als gleichberechtigter Partner behandelt wird. Als 2006 der Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Südlibanon ausbrach, gab es beispielsweise keine Absprache zwischen der Hisbollah und General Aoun. Auch bei anderen Entscheidungen wird Aoun lediglich informiert, nicht jedoch in den Entscheidungsprozess eingebunden.

Für die Zukunft in Syrien und im Libanon wird man die Gespräche zwischen dem Iran und den USA abwarten müssen.

Es wird oft berichtet, dass viele syrische Christen das Assad-Regime aus Angst vor erstarkenden sunnitischen Extremisten stützen. Ist Assad ein Schutzgarant für die Minderheiten und die syrischen Christen im Besonderen?

Dass Assad der Beschützer der Christen im Nahen Osten sein soll, ist ein schlechter Scherz. Assad kümmert sich doch nicht um die syrischen Christen, weil sie Christen sind. Das Assad-Regime hat im Libanon 30 Jahre lang Christen verfolgt. Assad kümmert sich nur darum, dass die syrischen Christen ihn weiterhin ertragen.

Das Regime hat die Christen an den Rand der Bedeutungslosigkeit gedrängt. Kennen sie bedeutende christliche Politiker oder Persönlichkeiten aus Syrien? Diese Diktatur hat den Christen ihr politisches Gewicht geraubt und sie gezwungen, sich den Regeln der Diktatur zu fügen. Egal ob Muslim, Druse oder Christ: Ein Nein zu Assad bedeutet in Syrien meist den Tod.

Fakt ist, dass die Christen seit zweitausend Jahren im Nahen Osten existieren. Die muslimische Bevölkerung im Nahen Osten ist nicht terroristisch. Christen wurden im Nahen Osten immer als solche akzeptiert. Die Assad-Familie herrscht erst seit 40 Jahren in Syrien. Die Christen im Nahen Osten brauchen kein Regime, dass sie angeblich beschützt, auch wenn es jetzt hier und da zu Terroranschlägen kommt.

Wie sehen Sie als Politikerin die Zukunft der christlichen Minderheiten im Nahen Osten?

Der Libanon ist heute das einzige Land im Nahen Osten, in dem Christen noch politische Macht haben. Die libanesische Verfassung schreibt vor, dass die Hälfte des Parlaments christlich sein muss, der Präsident muss maronitischer Christ sein. Wir wollen keine Hilfe von ausländischen Mächten, denn die Ära der Schutzmächte ist vorbei.

Die Christen müssen auf sich selbst zählen und auf ihre moderaten Partner innerhalb der muslimischen Bevölkerung. So wie die FL, die sich mit der Partei des Sunniten Hariri verbündet hat, um den Libanon demokratischer zu machen. Und dieses Bündnis kann erfolgreich sein. Das haben die Libanesen 2005 bewiesen, als sie die syrische Besatzungsmacht aus dem Libanon geworfen haben.

Die Christen dürfen dem Nahen Osten nicht einfach so den Rücken kehren. Nicht in einer Zeit, in welcher die Partner der Christen – die Muslime – uns so sehr brauchen, um Freiheit und Demokratie durchzusetzen.

Minderheiten im Nahen Osten dürfen nicht anfangen, konfessionell zu denken, denn von einer solchen Denkweise und der daraus resultierenden Angst vor den Muslimen profitieren Regime wie das von al-Assad.