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Gesellschaft

Hexenjagd mit Folgen: Mutter tötet Kind und begeht Selbstmord

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In der türkischen Stadt Denizli ereignete sich am 16 Februar eine Tragödie. Eine Mutter erschoss zunächst ihr schwerbehindertes Kind und anschließend sich selbst. Der Familienvater sitzt seit über einem Jahr im Gefängnis. Der Vorwurf lautet, wie bei so vielen anderen auch die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation.

Eine grausame Nachricht erschütterte die türkische Öffentlichkeit, als unterschiedliche Zeitungen berichteten, dass Seher Bas zunächst ihren schwerbehinderten Sohn (17) mit einer Schrotflinte erschoss und anschließend mit eben jener Waffe sich selbst das Leben nahm. In beiden Fällen trat der Tod durch einen Kopfschuss ein. Die leblosen Körper wurden von der Polizei gefunden, die von der Nachbarschaft alarmiert wurde.

Der genaue Hintergrund der Tat ist unklar und wird wohl kaum noch vollständig aufgeklärt werden, aber der Vater der Jungen, der Ex-Mann von Seher Bas, wurde vor rund einem Jahr inhaftiert. Der ehemalige Mitarbeiter bei der „Türkischen Bahn“ TCDD gehört zu den Zehntausenden Häftlingen, die aufgrund des Vorwurfes der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation festsitzen. Mit dem selben Vorwurf wurde auch Deniz Yücel konfrontiert.

Gemeint ist ein ums andere Mal die Bewegung um den muslimischen Gelehrten Fethullah Gülen, der und dessen Anhänger in der Türkei flächendeckend für den Putschversuch vom 15. Juni 2016 verantwortlich gemacht werden. Seit der Putschnacht bezeichnete zunächst der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan diese Bewegung als FETÖ. Dieser Begriff bedeutet Fethullahistische Terrororganisation und betrifft Zehntausende Personen. Nach nur wenigen Augenblicken breitete sich diese Bezeichnung in der gesamten Türkei aus. Auch die gesamte Opposition macht von dem Begriff FETÖ gebrauch. Hinterfragt wird der Begriff in der Türkei nicht mehr. Umso mehr stößt der Begriff jedoch im Ausland auf Kritik.

Viele Türken hatten Kontakt zu der Hizmet-Bewegung

Die Hizmet-Bewegung um den muslimischen Gelehrten Fethullah Gülen war lange Jahre als friedenstiftinde, religiöse Bewegung in der Türkei bekannt und auch besonders beliebt. Sie betrieb mehrere hundert Schulen, Nachhilfevereine, Universitäten und Unternehmen im Land. Eltern trauten ihre Kinder der frommen Bewegung um Fethullah Gülen gerne an, auch wenn sie selber eine weniger religiöse Lebensart pflegten. Ein Großteil der Türken hatte in der ein oder anderen Weise Kontakt zu der Bewegung. Selbst Staatschef Erdoğan, der den, in den USA lebenden Fethullah Gülen, in einer emotionalen Rede am Rande einer Hizmet-Großveranstaltung in 2013 (2013; Das Jahr der Korruptionsvorwürfe gegen die AKP Regierung) persönlich einlud, endlich in die Heimat zu kommen und der „Sehnsucht“ ein Ende zu setzen. Auch bei einer USA Reise im Mai 2013 antwortete Erdogan auf eine Reporterfrage, ob er denn Gülen besuchen wolle rhetorisch, „Was hat der Boden nicht dankbar angenommen, dass vom Himmel herab regnet?“. Für die Kenner des islamischen Sufismus eine klare Geste der Bescheidenheit gegenüber einer spirituell überlegenen Person.

Gülen weist Vorwürfe zurück; Auch Ausland nicht überzeugt von türkischer Version

Auch Fethullah Gülen selbst weißt weiterhin jegliche Vorwürfe zurück. Die Bewegung habe mit dem Putschversuch nichts zu tun. Während in der Türkei nicht nur die Regierung, sondern die gesamte Opposition diesen Begriff benutzt und an die Theorie, die Gülen-Bewegung sei der Urheber des Putschversuches glauben schenkt, wird diese Idee in keiner der westlichen Demokratien anerkannt. Der deutsche sowie britische und auch der US-amerikanische Geheimdienst legte offen, dass sie hinter dem Putschversuch ausdrücklich nicht die Gülen-Bewegung vermuten. Bruno Kahl, der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) ist dabei nur einer von vielen geheimdienstlichen Autoritäten, die diesen Standpunkt öffentlich vertreten. Dieser hatte in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ gesagt, dass „Die Türkei auf den verschiedensten Ebenen versucht [hat], uns davon zu überzeugen“. Das sei ihr aber bislang nicht gelungen, so Kahl. Auch sei die Gülen-Bewegung nicht wie behauptet eine islamisch-extremistische oder gar terroristische Bewegung, sondern eine „zivile Vereinigung zur religiösen und säkularen Weiterbildung.“