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Politik

Ex-Militärs aus dem Westen im Irak: Krieg gegen den IS als „Humanitäre-Mission“?

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Die Gruppe „1st North American Expeditionary Force“ wirbt auf ihrer Website offen Ex-Militärs aus westlichen Ländern zum Kampf gegen den IS im Irak an. Der vermeintlich „selbstlose“ Kampf der Männer birgt jedoch Risiken. (Foto: cihan)

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Ein kurdischer Kämpfer steht etwa 20 Meter von einer IS-Straßensperre nahe Kirkuk. Die schwarze IS-Fahne ist deutlich zu erkennen.
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TEIL 2

Vor allem der Überfall des IS auf die ezidische Region Shingal im Nordirak und die IS-Offensive auf die kurdische Stadt Kobani in Syrien erhielten in westlichen Medien große Aufmerksamkeit. Auch die Angriffe durch mutmaßliche IS-Anhänger in Quebec und Ottawa sind in diesem Zusammenhang als wichtige Ereignisse zu nennen.

Auf seine Motive angesprochen, sagte Hillier, der vor seiner Reise ins Kampfgebiet im Irak in der in der Princess Patricia’s Canadian Light Infantry diente, gegenüber der National Post: „Aus meiner Sicht war es das Richtige (zusammen mit den Kurden gegen den IS zu kämpfen), weil sie gerade sehr schwere Zeiten durch machen. Ich sehe in dem was ich tue keinen Unterschied zu den Tausenden Kanadiern, die im Zweiten Weltkrieg gegen die Deutschen kämpften. Und ich denke der IS ist weit grausamer.“

 „(Der IS) ist absolut widerwertig“, sagte Hillier gegenüber der National Post. Die Kurden hingegen seien weltoffen und tolerant: „Sie kümmert es nicht, dass ich kein Muslim bin, das ist kein Problem für sie. Sie sind anders als diejenigen, gegen die sie kämpfen.“

Unterstützung für Kurden: Offene Anwerbung von Ex-Militärs

Auf ihrer Website wirbt die „1st North American Expeditionary Force“ offen um neue Freiwillige. Dabei wird wiederholt darauf hingewiesen, dass jeder potentielle Freiwillige vor einer möglichen Rekrutierung intensiv durchleuchtet und auf seine militärischen Fähigkeiten hin überprüft würde. Aktive Soldaten werden demnach nicht angeworben. Nach eigener Darstellung ermutigt die Gruppe Kriegsveteranen nicht dazu, sich freiwillig zum Kampf gegen den IS zu melden. Vielmehr biete sie nur denjenigen kriegserfahrenen Personen aus Nordamerika, die bereits ihre Entscheidung zum Kampf gegen den IS getroffen hätten, eine Plattform. Diese Veteranen werden dazu aufgerufen, sich mit der Gruppe in Verbindung zu setzen, um die Konsequenzen – also die Reise in den Irak und die Aufnahme des bewaffneten Kampf – und das „Risiko dieser (bereits gefällten) Entscheidung zu reduzieren“.

Denjenigen, die sich für einen solchen Schritt entschlossen hätten rät die „1st North American Expeditionary Force“, einige Punkte nochmals zu evaluieren.  Die angehenden Kämpfer sollten beispielsweise prüfen, ob „persönliche und familiäre Aspekte“, möglicherweise hohe Reisekosten, die Frage nach der Ausrüstung und Bewaffnung, die „begrenzt und auf eigene Rechnung erfolgt“, das Fehlen von Medizinischer Versorgung und Versicherungsschutz, den möglichen rechtlichen Komplikationen den ein solcher Kampfeinsatz nach sich ziehen kann und schließlich das allgegenwärtige Risiko des Freiwilligen getötet, verwundet oder gefangen genommen zu werden.

Das Logo der „1st North American Expeditionary Force“. Das Foto stammt von der Facebook Seite der Gruppe.

Auffällig ist, dass die Gruppe großen Wert darauf legt, auf ihrer Website den Anschein einer humanitären Mission und an der Uneigennützigkeit ihres Kampfes gegen den IS zu wahren. Die Gruppe betont auch, dass Personen mit medizinischer Ausbildung sich für die Aufnahme bewerben können. Auch um Spenden und um „Humanitäres und Taktisches Material“ wird offen im Internet geworben. Die Gruppe sieht sich den Angaben auf ihrer Website nach auch dazu verpflichtet, die aus ihren Augen nötigen Sicherheitsvorkehrungen für ihre sog. „Humanitäre-Mission“ selbst zu treffen.

Krieg gegen den IS im Irak als „Humanitäre-Mission“?

So hat die „1st North American Expeditionary Force“, deren Hauptaugenmerk auf der Entsendung von kriegserfahrenen Veteranen ins Kampfgebiet liegt, auch eine eigene „Vision“ niedergeschrieben: „Manchmal brauchen Menschen jemanden, der für sie einsteht. Um ihr Leben zu verteidigen, ihnen Medizinische Versorgung sicher zukommen zu lassen, um sie falls nötig zu retten und um sie sicher und geschätzt zu sehen. Wenn eine Person ihr Leben einmal der Verteidigung anderer verschrieben hat, dann bleibt dieses Versprechen in dir.“ Mit dieser offiziellen Absichtserklärung heroisiert die „1st North American Expeditionary Force“ ihre Tätigkeit und spielt damit gleichzeitig indirekt auf den Eid an, den ehemalige Soldaten gegenüber ihrem Land abgelegt haben. Diesem Eid können die selbsterklärten anti-IS Kämpfer nun der Lesart der Gruppe zufolge auch außerhalb ihres Militärdienst verrichten.

Auf der Seite ist unter der Überschrift „Exemplum.. Sei (selbst) das Beispiel“ auch ein Ethikkodex enthalten. Demnach handelt die Gruppe aus „äußerst selbstlosen Beweggründen“ und ihre Mitglieder würden „in höchstem Maße unabhängige humanitäre Verhalten“ an den Tag legen.

Doch der selbstverfasste Ethikkodex und die Verpflichtung zum „selbstlosen“ Kampf gegen den IS täuschen nicht darüber hinweg, dass das militärische Engagement solcher Freischärler aus mehreren Gründen höchst problematisch ist. Obwohl die Gruppen sich offensichtlich um engen Kontakt bzw. um die Eingliederung ihrer Kämpfer in die Peschmerga-Verbände bemühen, stellt sich dennoch die Frage, wer bzw. wie die Staatsangehörigen westlicher Staaten zur Rechenschaft gezogen, sollten bei ihrem Kampf gegen den IS gegen irakisches oder internationales Recht verstoßen. Der Fall der vier Mitarbeiter eines Privaten Sicherheitsunternehmens, die im Jahre 2007 in Bagdad mehr als 10 Zivilisten erschossen, zeigt wie problematisch der Einsatz von irregulären Kräften ist.

Risiko der anti-IS Kämpfer: ‚Der Krieg ernährt den Krieg‘

Die anti-IS Kämpfer sind bei der Beschaffung ihrer Ausrüstung, Verpflegung und Bewaffnung auf sich selbst gestellt bzw. auf den Guten Willen und die Ressourcen der zuständigen Peschmerga-Kommandeure angewiesen sind. Es besteht daher die Gefahr, dass einige dieser Kämpfer notgedrungen zu Plünderungen oder anderen illegalen Aktivitäten greifen müssen, um ihren Kampf überhaupt finanzieren zu können – gemäß der Redewendung ‚Der Krieg ernährt den Krieg‘. Angesichts der militärischen Ausbildung dieser Personen ist dieses Risiko nicht zu unterschätzen.

Außerdem birgt ihre Präsenz im Kampfgebiet die Gefahr, dass der IS gezielt Operationen zur Gefangennahme der westlichen Kämpfer durchführen könnte. Einmal in den Händen des IS würden die Kämpfer dann zu Geiseln und zu politischem Druckmittel gegen ihre Heimatländer.

Ein Kämpfer trägt auf seiner Schulter eine Variante der kanadischen Flagge und darunter die Flagge des kurdischen Autonomiegebiets im Irak. Das Foto stammt von der Facebook Seite der 1st North American Expeditionary Force.

Wie ernst und blutig der Kampf ist, für den sich Menschen wie Hillier freiwillig melden, zeigen Aufnahmen der „1st North American Expeditionary Force“. Auf der Facebookseite der Gruppe ist ein Video zu finden, das den ehemaligen kanadischen Soldaten Dillon Hillier in einer Stellung der kurdischen Peschmerga zeigt.

Wie ernst und blutig der Kampf ist, für den sich Menschen wie Hillier freiwillig melden, zeigen Aufnahmen der „1st North American Expeditionary Force“. Auf der Facebookseite der Gruppe ist ein Video zu finden, das den ehemaligen kanadischen Soldaten Dillon Hillier in einer Stellung der kurdischen Peschmerga zeigt. Das Video ist offensichtlich mit einer Helmkamera aufgenommen worden, die Hillier selbst trug. Der hinter einem Erdwall liegende Kanadier feuert darin mehrere Salven aus einem Sturmgewehr offenbar in Richtung einer IS-Stellung ab und verbindet einen Peschmerga Kämpfer, der anscheinend im Bereich des Gesichts verletzt wurde.

Dillier sagt in dem Video „Fuck, er wurde im Gesicht getroffen. Du wirst schon wieder, Junge! (…) Das ist alles was ich für ihn tun kann“. Das Magazine Vice zitiert Dillier, der dieses Video eigenen Angaben bei einem IS-Hinterhalt im Zuge einer Peschmerga Operation in der irakischen Ortschaft Tal al-Ward aufgenommen hat, mit den Worten: „Ich habe in diesen 20 Stunden mehr Gutes getan als in allen 26 Jahren meines Lebens. Ich habe einen Mann, dem ins Gesicht geschossen wurde, in Sicherheit gezogen und ihn versorgt, während viele andere um mich herum nur da standen und nichts getan haben.“