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Gesellschaft

Freital und das Flüchtlingsheim: Menschenverachtender geht’s nicht

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Seit Wochen sorgen die ausländerfeindlichen Proteste in Freital bei Dresden für Aufsehen. In der aufgeheizten Stimmung sollte eine Bürgerversammlung Druck vom Kessel nehmen. Gelungen ist das nicht. (Foto: dpa)

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Seit Wochen sorgen die ausländerfeindlichen Proteste in Freital bei Dresden für Aufsehen. In der aufgeheizten Stimmung sollte eine Bürgerversammlung Druck vom Kessel nehmen. Gelungen ist das nicht.
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Besorgte Bürger sehen anders aus: Viele von denen, die da zur Bürgerversammlung ins Freitaler Kulturhaus gekommen sind, wollen nicht über Asyl diskutieren. Sie haben eine Meinung zu den Flüchtlingen in ihrer Nachbarschaft, und die schreien sie heraus: „Schmarotzer“, „Wirtschaftsflüchtlinge“, „Kriminelle“. Die Politiker von Land, Kreis und Stadt, die am Montagabend mit ihnen über Sorgen und Probleme sprechen wollen, sind „Lügner“. Zwei Mitbürgerinnen, die es trotz der aggressiven Stimmung im Saal wagen, ihre Stimme für Flüchtlinge und gegen stumpfe Ausländerfeindlichkeit zu erheben, werden niedergebrüllt; einer Frau wird das Mikrofon weggenommen.

Die Beschimpfungen und Vorurteile sind dieselben, die man in den vergangenen Wochen schon bei den Demonstrationen vor dem zur Asylunterkunft umgewandelten früheren Hotel „Leonardo“ hören konnte, und die die Stadt vor den Toren Dresdens in die Schlagzeilen brachten.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig wurde ausgebuht, noch bevor er die aktuelle Situation bei der Unterbringung der Flüchtlinge schildern kann. „Es gibt immer wieder Menschen, bei denen man den Eindruck hat, dass sie nicht bereit sind, Dinge aufzunehmen“, sagt er später. Dennoch sei die Veranstaltung wichtig gewesen. Vor allem, da eine Gesprächsgrundlage für die weitere Kommunikation gefunden worden sei. Damit meint er ein Papier der Stadtrats-Fraktionsvorsitzenden, in dem sie sich gegen Rassismus und für ein friedliches Miteinander einsetzen. Als die Erklärung verlesen wird, gibt es Buh-Rufe.

Bei der Opposition im Landtag kommt Ulbigs Auftritt in Freital nicht gut an. Spätestens als der Frau von der Initiative für Weltoffenheit und Toleranz das Rederecht entzogen wurde, hätte er den Saal verlassen müssen, sagt Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt. „Mit dem Sitzenbleiben toleriert man einfach, dass der Mob das Sagen hat.“

„Mit Rassisten kann man nicht reden“

„Ich glaube nicht, dass man mit Rassisten reden kann“, sagt auch sein Grünen-Kollege Volkmar Zschocke. Wenn ältere Anwohner von „Schmarotzern“ und dem „Abschaum der Nation“ in Zusammenhang mit Flüchtlingen sprächen, zeige das, wie „brandgefährlich“ die Situation in Freital sei. „Das sind ja nicht ausgemachte Neonazis.“ Angesichts der Lage könne die Politik nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Klare Worte des Ministerpräsidenten seien gefragt.

Ulbig nennt Gebhardts Vorwurf „politische Stänkerei“, schließlich habe er in Freital deutlich gemacht, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit inakzeptabel seien.

Aber darf man mit Rassisten reden? „Was nicht sein kann, ist, dass der Eindruck entsteht, ‚je lauter wir dagegen sind, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass die Unterbringung an diesem Ort erfolgt’“, sagt Ulbig. Deshalb habe er in Freital ja auch klar gemacht, dass die Erstaufnahmeeinrichtung in dem Ex-Hotel zumindest noch bis Ende des Jahres bestehen bleiben werde und die Verträge eventuell auch darüber hinaus noch verlängert werden könnten.

Den zornigen Asylgegnern im Saal und rund 100 weiteren, nicht minder wütenden Freitalern vor der Tür, die wegen Überfüllung gar nicht erst ins Kulturhaus eingelassen wurden, ist jeder Tag zu viel. Die Asylbewerber würden ihren Frieden stören. „Die verursachen nur Dreck und Müll und schmeißen alles aus dem Fenster“, sagt eine Anwohnerin. Eine andere gibt an, wegen des Lärms nachts ohne Schlaftabletten kein Auge mehr zuzumachen. Geld würde „für Asylbewerber verschwendet“ und fehle beim Kitabau oder für marode Schulen.

 „Wir müssen in der Lage sein, miteinander zu kommunizieren“

Die Forderung der Stadträte, dass anerkannte Flüchtlinge in Freital ein sicheres Zuhause finden müssten, klingt angesichts solcher Aussagen wie ein frommer Wunsch. „Wir müssen erst mal in der Lage sein, miteinander zu kommunizieren“, räumt Freitals Erster Bürgermeister Mirko Kretschmer-Schöppan (parteilos) ein. „Erst dann können wir uns um die Integration (der Flüchtlinge) kümmern.“

Auch die Kommentare in den sozialen Netzwerke sind schockierend. Ein Blogger fasste auf der Seite „Perle aus Freital“ alle Kommentare auf Facebook und Twitter zusammen. Der Autor schreibt: „Ein Haufen dummer Menschen wehrt sich gegen die vermeintliche Bedrohung durch Flüchtlinge.“

Die Verfasser dieser hasserfüllten Kommentare rufen zu Gewalt auf. Man solle die Flüchtlinge erschießen und verbrennen. So schreibt ein gewisser Mike Randow: „Das sind Schweine, aber keine Menschen!!!!! Wir Deutschen hungern und sie werfen die Lebensmittel weg.“ Ein weiterer menschenverachtender Kommentar von Marvin Haring lautet: „Hundekot ist noch zu gut für die! Jedes deutsche Kind einen Zimmermannshammer kaufen und wenn Dreck Kinder kommen sofort mit der Spitze in den Schädel schlagen. Sind ja Strafunmuendig. Gott sei Dank kommen bald Zeiten In der aufgeräumt wird. Dann bestimmt ein Deutschland und sie werden ausgerottet.“ (dpa/dtj)