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Freu dich – Du bist tot!

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Der Blick in die Medien lässt erahnen, dass Weltuntergangsszenarien, Naturkatastrophen und der Tod in Deutschland große Faszination auf die Menschen ausüben. Was die Frage aufwirft, wie unsere Gesellschaft mit dem Thema Tod umgeht. (Foto: rtr)

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Freu dich – Du bist tot!
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Von Kendra Thiemann

Der Tod hat in unserer Gesellschaft so etwas Ernstes, Düsteres. Sterben ist etwas Schreckliches, Furcht erregendes. Man trägt schwarz. Auf Friedhöfen muss man leise sein und sich „angemessen” verhalten. Wieso eigentlich?

Andere Kulturen zeigen, dass es auch anders geht. In Mexiko zum Beispiel feiern die Menschen jedes Jahr Anfang November den „Día de los Muertos”, den „Tag der Verstorbenen”, mit einem fröhlichen Fest, Essen und Trinken auf dem Friedhof. Und, jetzt gut festhalten: Musik auf dem Friedhof! Damit verbunden ist der Glaube, dass an diesem Tag die Toten aus dem Jenseits zu Besuch kommen, um mit den Lebenden gemeinsam zu feiern und beisammen zu sein. Hier gibt es keinen Grund, traurig zu sein, denn man glaubt ja daran, dass die Toten eigentlich gar nicht „tot” sind, sondern im Gegenteil äußerst lebendig, nur eben an einem für uns unsichtbaren Ort.

Und sagen dies nicht auch die Religionen? Und fängt nicht sogar die moderne Physik an, in die gleiche Kerbe zu schlagen, wenn sie feststellt, dass Energie ja nicht verloren gehen kann? Die Menschen bestehen aus Energie, und wenn sie sterben, dann geht diese Energie irgendwo hin. Sie verschwindet nicht einfach. Logisch, oder?

Heute Berlin, morgen Jenseits

Wo ist nun das Problem mit dem Sterben? Umziehen sind wir doch gewohnt, zumal in unserem globalisierten Zeitalter, dem wir uns durch das Erlernen von uneingeschränkter örtlicher Flexibilität angepasst haben. Heute Berlin, morgen London, übermorgen Sydney – und nächste Woche das Jenseits? Das sollte doch zu bewältigen sein. Wir können im Grunde dankbar für diese Lerngelegenheit sein, denn für die Generationen vor uns war eine solche Anpassungsleistung mit Sicherheit viel mühevoller.

Und da Sterben auch nichts anderes ist als Umziehen, könnten wir nun wirklich langsam mal aufhören, so ein Theater darum zu machen, wenn einer unserer Mitmenschen stirbt, von wegen Tränen und Trauer und Depression und so. Er ist ja nicht weg, und in ein paar Jahren mehr oder weniger sehen wir ihn wieder. Ansätze dieses Verständnisses scheinen sich langsam durchzusetzen.

Zum Beispiel bei gewissen Krieg führenden Mächten, die den Tod anderer zur Durchsetzung ihrer Interessen als legitimes Mittel ansehen und nicht viel Aufhebens darum machen. In Afghanistan ist bei einem Bombenangriff ein halbes Dorf in die Luft geflogen? Macht doch nichts! Da, wo die Bewohner jetzt sind, ist es bestimmt sowieso viel netter als in so einem trostlosen afghanischen Dorf! Und im Irak! Wer will da denn noch leben, so, wie die Lage ist? Da kann doch im Grunde jeder froh sein, der als Kollateralschaden endet!

Ach ja, und dann noch die vielen Opfer bei den Überflutungen in Myanmar, dem Erdbeben in China… Sterben ist doch ganz normal. Was sollen wir uns da einmischen und unsere Energie in Hilfsmaßnahmen oder gar Antikriegsdemonstrationen verschwenden? Schließlich sterben wir alle mal – nur eben ein paar Jahre früher oder später. Angesichts der Ewigkeit ist das erstens völlig unerheblich und zweitens soll die Erde angeblich sowieso überbevölkert sein. Ein paar weniger von unserer Sorte schaden da mit Sicherheit nicht.

Im Jenseits ist bestimmt mehr Platz – hoffentlich gibt es dort auch genug Ressourcen für alle. Zumindest habe ich bis jetzt nichts Gegenteiliges gehört, also kein Grund zur Beunruhigung. Ich fühle mich bestätigt, wenn ich höre, dass die Religion im Jenseits das Paradies verspricht: Das Paradies wäre schließlich nicht das Paradies, wenn es dort nicht genug für alle gäbe!

Exklusive Hölle?

Nur eines verstehe ich noch nicht so recht. Warum machen manche Menschen dann so ein Aufhebens darum, wenn Angehörige ihrer eigenen Nation sterben? Wenn irgendwo ein Unglück geschieht und neben vielen Einheimischen auch einige Touristen aus anderen Nationen darunter sind, zum Beispiel. Da sind die Nachrichten in diesen Nationen voll von Berichten über das Leid der Angehörigen der Touristenfamilien, dabei sind es doch viel mehr einheimische Angehörige, die jemanden verloren haben.

Genauso ist es bei Kriegen, Terroranschlägen oder Naturkatastrophen: Ob da nun ein paar Tausend im Nahen Osten, in Asien oder Afrika sterben oder in den USA, ist doch egal! Warum sollten wir uns um die einen mehr bekümmern als um die anderen? Müssten wir darüber nicht mehr berichten? Ist es denn schlimmer, trauriger, wenn ein Deutscher oder ein Amerikaner sein Leben verliert, als wenn dies bei einem Sudanesen oder Thailänder passiert?

Warum sollte es das sein? Kommen erstere etwa nicht ins Paradies?! Gibt es für sie etwa die extra Exklusivhölle für weiße Amerikaner und Europäer? Sollte Gott uns denn etwa dafür bestrafen, dass wir den Angehörigen anderer Völker helfen, schneller ins Paradies zu gelangen?

Nun, die Religionen sprechen zwar auch von einer Hölle für böse Menschen, aber meine verstorbene Großmutter, mit der ich regelmäßig schwatze, konnte mir das nicht bestätigen. Und dabei höre ich ihr immer genau zu! Wie es scheint, sind wir im Tod alle gleich. Gleich viel wert, gleichberechtigt. Und im Leben?