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Kolumnen

Frieden der Stärke

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Alfred Nobel stiftete einst einen Preis, mittels dessen der Einsatz für den Weltfrieden gewürdigt werden sollte. Unsere Kolumnistin Dr. Sabine Schiffer meint, von dieser ursprünglichen Absicht wäre heute nicht mehr allzu viel zu bemerken.

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Frieden der Stärke
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Man mag es als Zynismus der Geschichte deuten, dass dem Erfinder des todbringenden Dynamits nun sein eigener Reparaturwunsch in Form des Friedensnobelpreises am Ende auch noch entgleist. Glaubt man jedoch dem norwegischen Juristen Frederik Heffermehl, der 2010 das Buch „The Nobel Peace Prize: What Nobel Really Wanted“ schrieb, so hatte sich Alfred Nobel seinerzeit nicht wenige Gedanken darüber gemacht, wie der von ihm gestiftete Preis für Frieden auch tatsächlich und nachhaltig in diesem Sinne vergeben werden könnte.

Dieter Deiseroth schreibt dazu in seiner Rezension, nach Auffassung Nobels sollte der Friedensnobelpreis an denjenigen „Friedensverfechter“ oder diejenige „Friedensverfechterin“ verliehen werden, der oder die „am meisten“ für (1) „die Verbrüderung der Völker“, (2) die Verminderung oder Abschaffung der „stehenden Heere“ sowie (3) „die Förderung von Friedenskongressen“ bewirkt habe.

Das Prozedere überließ Nobel nicht den Schweden, sondern wählte zur damaligen Zeit das norwegische Parlament für diese Aufgabe. Unter anderem hatte man zu jener Zeit in Norwegen Bertha von Suttner in ihren Friedensbemühungen unterstützt und sich im Zeitraum um die Jahrhundertwende herum um Abrüstung und Deeskalation bemüht. Dieses Faktum kann als zeithistorisches Signal dafür gewertet werden, dass Nobel die Gefahr erkannte, dass der Preis eines Tages missbraucht werden könnte. Würde er nur in Richtung eines „Ansporns“ umgedeutet, wie es manche Kommentatoren befürchten, dann wäre noch vergleichsweise wenig Schaden angerichtet. Wenn jedoch auch noch militärische Mittel so ohne weiteres in den Katalog „friedensbildender Maßnahmen“ aufgenommen werden, dann ist eine noch gewichtigere Umdeutung im Gange.

Nicht erst die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU wirft Fragen auf. Und derer gibt es einige: Fallen denn weder die Rüstungsfirmen und –exporte der EU, noch die sog. „Grenzagentur Frontex“ gegenüber der Würdigung der Aussöhnung zwischen ehemaligen Kriegsparteien ins Gewicht? Und zählt der Balkankrieg – in den EU-Staaten am Ende zumindest mit eingegriffen hatten – nicht als solcher, so dass von „60 Jahren Frieden“ gesprochen werden kann? Wird Joschka Fischer mit seinem manipulativen Ausruf „Nie wieder Auschwitz!“ zur Einläutung des NATO-Angriffs auf Jugoslawien als „Friedensengel“ in die Geschichte eingehen? Entweder hat das Osloer Nobelkomittee noch nie etwas vom Public-Relations-Manöver der Umetikettierung von Kriegen als „humanitäre Interventionen“ gehört, oder man hat es bewusst übersehen? – Die Intransparenz der Veranstaltung hilft jedenfalls dabei, sie unbeantwortet zu lassen.

Bereits die Preisverleihungen an Drohnenkönig Obama, der damals über die Schließung von „Guantanamo“ sprach, während er Bagram in Afghanistan ausbauen ließ, und an Martti Ahtisaari, der wesentlich zur Spaltung des bis heute nicht vollständig befriedeten Balkans beitrug, ließen nichts Gutes erahnen. Von Henry Kissinger ganz zu schweigen. Ins Bild passt, dass Mahatma Gandhi den Nobelpreis nicht erhielt.

Der Gipfel der Verlogenheit aber scheint mir an genau dieser Stelle zu liegen. Handelt es sich um einen politisch schwachen Protestierer, so fordert man von ihm gerne Gandhi-Methoden der absoluten Friedfertigkeit – bis hin zum eigenen Tod – bevor man ihm das zugesteht, was man selbst gerne auch mal als Kriegsgrund vor sich her trägt: Menschenrechte. Diese muss man sich im Sinne der Erfinder aber nicht erwerben, die hat man. Dennoch scheinen sie nicht automatisch für rebellierende Verlierer von Neokolonialismus und Globalisierung zu gelten.

Während die Friedensnobelpreisträger der Neuzeit waffenstarrend für das eintreten dürfen, was sie „Frieden“ nennen, was aber in Wirklichkeit eine bestimmte und für wenige profitable Wirtschaftsordnung ist, gilt für diejenigen, die dieser Ordnung zum Opfer fallen, ein Gebot der Gewaltfreiheit und Nächstenliebe um jeden Preis – als wären sie Jesus, der für die Armen und Entrechteten auch nichts anderes tun konnte als sterben.