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Gesellschaft

Frieden ist nicht gleich Frieden

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Im Rahmen zweier international hochkarätig besetzter Konferenzen haben der Türkisch-Deutsche Bildungsverein Mannheim und das Rumi-Forum Experten aus aller Welt vereint, um über Wege zur Friedenspädagogik zu sprechen. (Foto: reuters)

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Eine Frau hält in Boston das Friedenssymbol in die Luft.
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Schon 1982 sang sich die damals 17-jährige Nicole mit „Ein bisschen Frieden“ auf Platz eins des Eurovision-Songcontest. Frieden schien sowohl damals als auch heute ein international anzustrebendes, gemeinsames Gut und eine große Sehnsucht der Menschheit zu sein. Was aber ist Frieden ganz genau und wie kann man diesen Zustand erlangen und – noch wichtiger vielleicht – diesen Zustand erhalten?

Schon John F. Kennedy sagte hierzu: „Für den Frieden gibt es keinen einfachen Schlüssel, keine großartige oder magische Formel, die sich eine oder zwei Mächte aneignen könnten. Der echte Frieden muss das Produkt vieler Nationen sein, die Summe vieler Maßnahmen.“ Die Nationen scheinen sich diesem Prinzip jedoch nur unter der Voraussetzung vorbehaltlos anschließen zu wollen, wenn sie selbst davon profitieren. Denn sonst hätten wir bereits längst den Zustand des Weltfriedens erreicht, von dem wir momentan noch sehr weit entfernt zu sein scheinen. Mögen sich die Nationen noch über den Frieden streiten: Zumindest in den Wissenschaften und den Gesellschaften scheint sich diesbezüglich endlich etwas zu tun.

Zum Thema Friedenspädagogik wurden in den vergangenen Wochen zwei Konferenzen abgehalten. Die erste fand im historischen Schloss von Schwetzingen statt. Die zweite in Washington, D.C. Nun, obwohl Frieden doch so universell und erstrebenswert ist, fiel das mediale Interesse umso schwächer aus. Frieden verkauft sich eben immer noch schlechter als Krieg.

Dabei hatten die Teilnehmer der Konferenz in Schwetzingen immerhin die Möglichkeit, namhaften Persönlichkeiten aus verschiedenen Ländern und Wissenschaftsbereichen hinsichtlich ihrer Perspektive des Friedens genauer zuzuhören. Dazu gehörten etwa Prof. Dr. Volker Lenhart (Heidelberg), Prof. Dr. Gavriel Salomon (Israel), Prof. Dr. Jonathan C. Taylor (Liberia), Dr. Idris Hadi Salih (Irak), Prof. Dr. Sanjin Kodric (Bosnien-Herzegowina), Agneta Ucko (Schweiz), Prof. Dr. Havva Engin (Heidelberg), Dr. Rene Ferguson (Südafrika), Uli Jäger (Deutschland) und Dr. Jochen Thies (Berlin). Internationale Friedenstheoretiker, die jedoch ihre Theorien auch in die Praxis umzusetzen verstehen, kamen zusammen, um über ihre Erfahrungen zu berichten.

Unterschiedliche Ausgangspositionen und Erwartungshaltungen

Für Menschen, die den Frieden als Selbstverständlichkeit erleben können, ist manchmal sogar die Überlegung des Gegensatzes eine Herausforderung. Dass allerdings Frieden nicht nur die Negation von Krieg ist, diese Erkenntnis durften alle Konferenzteilnehmer am Ende der Tagung mit nach Hause nehmen.

Die friedenspädagogischen Aspekte, die jeweils auch weltweit in den Schulen zur Umsetzung angeboten werden, zeigen, dass Frieden definitiv ein Grundwert ist, welcher in den Schulen vermittelt werden kann. Allerdings sieht die Umsetzung je nach Land und Situation völlig unterschiedlich aus. Während man durch „bewusste Verknappung von Spielzeug“ Drei- bis Vierjährigen in den Kindergärten die Fähigkeit zur Konfliktlösung beibringen möchte, erklärt Prof. Dr. Volker Lenhart, zeigt sich Prof. Dr. Jonathan C. Taylor schon überaus glücklich, wenn er Kindern überhaupt ein Schulgebäude von innen zeigen kann.

Die Kinder, um die sich Taylor zusammen mit seiner Frau in Liberia kümmert, kannten 14 Jahre lang nichts anderes als den Bürgerkrieg. Viele von ihnen waren selbst „Kindersoldaten“ oder „Warbabies“. Prof. Dr. Gavriel Salomon hingegen berichtet von anfänglichen „kriegsähnlichen“ Zuständen in den Klassenzimmern von palästinensischen und israelischen Schülern, die jedoch am Ende des Schuljahres in der Lage waren, sich in die Gegenseite hineinzuversetzen. Und obwohl die Umsetzungen und Entwicklungsstandards völlig unterschiedlich sind, so hatten alle Beiträge der Konferenz doch einen gemeinsamen Nenner: nämlich, dass Frieden schon sehr früh in den jeweiligen Institutionen und Einrichtungen pädagogisch vermittelt werden müsse.

Ein exzellentes Beispiel dieser pädagogischen Umsetzung inszenierten am Abend der Veranstaltung dann Jugendliche aus aller Welt mit einem Musik- und Tanzevent. Sie trugen gemeinsam auf der Bühne Tänze und Lieder zum Thema Frieden und Liebe vor. Dieses praktische Beispiel von Friedenspädagogik machte eins deutlich: Frieden ist nicht gleich Frieden – aber gemeinsam können wir es schaffen.

Frei nach Mahatma Gandhi könnte man auch sagen: „Jeder muss seinen Frieden in sich selbst finden, und soll der Friede echt sein, darf er nicht von äußeren Umständen beeinflusst werden.“