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Politik

Friedensverhandlungen mit der PKK: „İmralı muss Geschichte werden!“

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Die Nachricht Fethullah Gülens mit Blick auf die Verhandlungen mit PKK-Führer Öcalan hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Alte Fronten bröckeln und neue Koalitionen werden geschmiedet, um dem Land endlich Frieden zu verschaffen. (Foto: iha)

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Friedensverhandlungen mit der PKK: „İmralı muss Geschichte werden!“
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Die endlich greifbare Chance für den Frieden; die Aussicht, die Türkei könnte von den Fesseln, die ihr seit 30 Jahren keinen Entscheidungsraum geben, befreit werden, ist zum Greifen nah. Das ist eine so eine wichtige Lebensfrage, dass die Frage der Einstellung zum Imrali-Prozess neue politische Ausrichtungen, eine neue Landkarte, neue Konfrontationen, neue Allianzen oder neue Fraktionen entstehen lässt. Und man sollte darüber in keiner Weise überrascht sein.

Die ersten Auswirkungen sind bereits zu sehen: Es ist zu erkennen, dass die Entscheidung von Oppositionsführer Kılıçdaroğlu, den Prozess zu unterstützen, in demokratischen Kreisen gegenüber der CHP eine gewisse Sympathie hervorruft und dass sich sogar bei denjenigen, welche die Partei als einen hoffnungslosen Fall betrachten, wieder so etwas wie vorsichtiger Optimismus aufkeimt. Dass gerade diese Entwicklung wiederum innerhalb der CHP selbst manche in Panik versetzt und sich Sollbruchstellen auftun, ist ein anderes Thema.

Es ist wichtig, dass die AKP in diesem schwierigen Prozess die Unterstützung anderer politischer Akteure sucht und Allianzen eingeht. Doch ein noch wichtigerer Faktor, ja sogar entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg für den Prozess, ist die Haltung der breiten Masse der Konservativen – diese stellen ungefähr 60% der Bevölkerung. Sie bilden die Basis der AKP und ohne deren Segen kann weder eine Erweiterung des Friedensprozesses noch irgendeine Art von Amnestie stattfinden.

Die erste Botschaft richtet sich an die religiöse-konservative Masse

Das erste Ziel von Gülens Erklärungen ist auch, diese Masse anzusprechen. Die langjährige Haltung der religiösen-konservativen Masse mit Blick auf das Kurden-Thema ist im Rahmen der Ausbreitung der kemalistischen Ideologie entstanden. Diese Masse, die sensibel war für Einschränkungen der eigenen religiösen Freiheit, hat die jahrelange Politik der Zwangsassimilation, die der Staat gegenüber den Kurden angewendet hat, nicht annähernd so sehr gestört – sie blieb gegenüber der Grausamkeit unempfindlich, sie hat sie zum Teil sogar unterstützt. Der Nationalismus war ein Verfassungsprinzip. Und wenn man dem Staat wegen seiner Unterdrückung der Religion schon kritisch gegenüberstand, konnte man sich wenigstens im nationalen Stolz mit ihm eins fühlen.

Erst in letzter Zeit, vor allem durch neue politische Ansätze der AKP-Führung, hat diese Masse angefangen, sich selbst zu hinterfragen. Zwar gibt es im Mitte-Rechts-Spektrum immer noch eine starke türkisch-nationalistische Strömung, aber mit beginnender Fähigkeit zur Selbstkritik wird erkannt, dass die alten staatlichen Rezepte in der Kurdenfrage – Leugnung und Assimilation – nicht mehr taugen.

Somit versucht Gülen zunächst einmal seine eigenen Verbündeten, dann die breiten religiösen-konservativen Massen vor den alten Reflexen, welche entstehen können, zu warnen, die Unsicherheiten zu beseitigen und die Menschen für die volle Unterstützung des Prozesses zu gewinnen.

Die zweite Botschaft geht an die Politik

Die weiteren Adressaten der Erklärung sind zunächst einmal die Politik, dann die gesamte Öffentlichkeit. Wie jeder von uns weiß, ist der eigentliche Grund, warum Geheimdienstchef Hakan Fidan im Februar 2012 festgenommen wurde, der Versuch der alten Seilschaften war, den Oslo-Prozess zu hintertreiben. 2010 war publik geworden, dass es in Oslo erste Geheimgespräche zwischen der PKK und der türkischen Regierung gegeben hatte.

Es war bekannt, dass die Bevölkerung mehrheitlich einen Verhandlungsprozess dieser Art ablehnen würde. Als Ergebnis gab es zwei Ansätze im Kampf gegen den Terrorismus, welche als „politische Lösungen“ und „militärische Lösungen“ bezeichnet werden konnten. Die Öffentlichkeit und auch die Hizmet-Gemeinde betrachtete die Frage vom Blickwinkel der Sicherheit aus und favorisierte die militärische Lösung.

Meiner Meinung nach ist diese Haltung der zweite Grund, warum sich Fethullah Gülen gleich unmittelbar nach dem Beginn des Imrali-Prozesses in der Angelegenheit zu Wort gemeldet hatte. Indem Gülen dem Imrali-Prozess volle Unterstützung leistet, möchte er auch den Spekulationen entgegentreten, die Hizmet-Bewegung würde in der PKK-Frage eine militärische Lösung favorisieren.

Beide Botschaften sind in gleicher Weise sehr wichtig und werden ohne Zweifel bei den Adressaten ankommen.

Autoreninfo: Gülay Göktürk, geb. 1949 in Istanbul, Journalistin und Autorin, schreibt seit Jahren für die türkische Tageszeitung Bugün.