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Politik

Friedhof Mittelmeer

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Wieder sind mindestens 35 Menschen beim Kentern eines Flüchtlingsbootes vor der italienischen Insel Lampedusa ums Leben gekommen. Politiker fordern nun einen Kurswechsel in der Einwanderungspolitik der bisherigen „Festung Europa“. (Foto: dpa)

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Mitglieder einer EU-Delegation um Jose Manuel Barroso bei einer Gedenkminute für die mehr als 300 Opfer, die bei der ersten Lampedusa-Katastrophe am 6. Oktober ums Leben kamen.
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Nach dem neuen Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa hat die Regierung von Malta die Europäische Union zum Handeln aufgerufen. Malta fühle sich von der EU im Stich gelassen, sagte Ministerpräsident Joseph Muscat am Samstag in einem BBC-Interview. „Bisher hören wir von der EU nur leere Worte“, sagte Muscat, dessen Land direkt von der Flüchtlingskrise betroffen ist.

Die Zahl der Opfer der neuen Flüchtlingstragödie im Mittelmeer stieg unterdessen auf 35. Die meisten Leichen seien nach Lampedusa, einige nach Malta gebracht worden, berichtete die Nachrichtenagentur ANSA am Samstag unter Berufung auf italienische Behörden. Insgesamt hätten 206 Menschen gerettet werden können.

Das Flüchtlingsboot war am Freitag zwischen Malta und Lampedusa gekentert. Zu dem Unglück soll es gekommen sein, als Passagiere versucht hätten, eine maltesische Patrouille auf ihr Schiff aufmerksam zu machen.

Erst eine Woche zuvor hatte sich vor Lampedusa eine Schiffstragödie ereignet, nach der bislang 339 Leichen geborgen wurden. 155 Flüchtlinge hatten den Schiffbruch überlebt. Nach ihren Angaben sollen insgesamt 545 Menschen an Bord gewesen sein. Damit wäre das Schicksal von 51 Flüchtlingen noch ungeklärt.

Maltas Ministerpräsident Muscat kündigte an, sein Land werde in der EU auf eine Änderung der Einwanderungsbestimmungen drängen. „Ich weiß nicht, wie viele Menschen noch sterben müssen, bevor etwas geschieht. Wie die Dinge im Moment stehen, machen wir unser eigenes Mittelmeer zum Friedhof“, sagte Muscat.

Schulz: Führungsanspruch in der Flüchtlingspolitik wahrnehmen

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), fordert angesichts der jüngsten Flüchtlingsdramen im Mittelmeer einen radikalen Kurswechsel in der europäischen Einwanderungspolitik. „Wir brauchen dringend eine Reform unserer Einwanderungsgesetze“, sagte Schulz „Spiegel online“. „Europa muss endlich anerkennen, dass es ein Einwanderungskontinent ist. Deshalb brauchen wir ein legales Einwanderungssystem. Alle großen Einwanderungsregionen dieser Erde, so wie die USA, Australien oder Kanada, haben moderne Gesetze, die legale Zuwanderung regeln.“ Nur so könnten Menschen davon abgehalten werden, „sich unmoralischen Schleppern auszuliefern, die aus ihrer Hoffnungslosigkeit ein Geschäft machen“.

Schulz forderte zudem die Einführung eines Verteilungsschlüssels, der die Aufnahme von Einwandern in den EU-Mitgliedstaaten regelt. „Wenn Sie 10 000 Flüchtlinge auf einer Insel wie Lampedusa haben, die 6000 Einwohner zählt, ist das für die Insel eine Katastrophe. Wenn Sie 10 000 Menschen unter 507 Millionen Europäern in 28 Mitgliedstaaten verteilen, ist das machbar“, sagte Schulz. „Weder Italien noch Malta kann man alleine lassen, das muss eine europäische Aufgabe sein.“

Die Bundesrepublik sieht Schulz besonders in Verantwortung. Er erneuerte seine Forderung, dass Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen müsse. „Wir sind das reichste und ein politisch starkes Land in der EU, unsere Regierung muss ihren Führungsanspruch wahrnehmen“, sagte der SPD-Politiker. „In Deutschland wird noch häufig die Debatte geführt, dass wir kein Einwanderungsland sind und die Einwanderer hier nichts verloren haben. In einigen europäischen Ländern spielen bestimmten Parteien auch mit den Ängsten der Leute. Daran sollte sich eine deutsche Regierung nicht beteiligen.“

Libyen bestreitet Vorwürfe

Libyen weist indessen Vorwürfe zurück, wonach das Militär des nordafrikanischen Landes auf ein Flüchtlingsboot geschossen hat. Ministerpräsident Ali Seidan betonte am Sonntag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem maltesischen Amtskollegen Joseph Muscat in Tripolis, man gehe den Vorwürfen nach. Nach ersten Erkenntnissen seien die Anschuldigungen jedoch falsch.

Beim jüngsten Schiffsunglück zwischen Malta und Lampedusa waren am Freitag mindestens 35 Bootsflüchtlinge ums Leben gekommen, mehr als 200 konnten gerettet werden. Überlebende berichteten der Zeitung „Malta Today“ (Sonntag), zwei Insassen seien getötet worden, als libysches Militär das Feuer auf das Boot eröffnet habe. Ein Boot der Marine sei ihnen zuvor stundenlang gefolgt und habe den Kapitän zur Rückkehr aufgefordert. Schließlich habe die Marine den Maschinenraum beschossen. Das Schiff war in der libyschen Hafenstadt Suwara in See gestochen. (dpa)