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Politik

Fünf Rätsel zum NSU

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Der plötzliche Tod einer Zeugin im NSU-Komplex gibt weiterhin Rätsel auf: Trotz einer Vielzahl von Untersuchungsausschüssen und eines aufwendigen, mittlerweile zwei Jahre währenden Prozesses gibt es im Kontext der NSU-Mordserie weiterhin viele ungeklärte Fragen.

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Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt im Hintergrund. Darauf in roter Schrift: "Fünf Rätsel um NSU".
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Vier Wochen nach ihrer Aussage ist sie tot: Eine 20-Jährige ist an den Folgen einer Thrombose gestorben. Zuvor sagte sie vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Landes Baden-Württemberg als Zeugin aus. Der Tod ihres Freundes, Florian H., der ebenfalls Kronzeuge im Umfeld des NSU-Komplex war, beschäftigt Ermittler, Staats-, Rechts- und Bundesanwälte gleichermaßen.

Fünf Untersuchungsausschüsse in den Ländern, einer im Bundestag, polizeiliche Untersuchungen in Sachsen, Bayern, Thüringen und Baden-Württemberg sowie ein aufwendiger Prozess gegen die einzige noch lebende Hauptverdächtige, Beate Zschäpe, und mehrere Mittäter bzw. Helfer der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) haben bislang kaum Licht ins Dunkel bringen können.

Die sogenannte NSU ist weiterhin ein Buch mit sieben Siegeln. Zur Klärung der wichtigsten Rätsel und Geheimnisse im und um den NSU ist es bislang nicht gekommen. Im Gegenteil: Die Umstände der Morde und Anschläge von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Zschäpe werden immer rätselhafter. Die fünf wichtigsten NSU-Rätsel im Überblick.

1. Rätsel: Der Fall Kiesewetter

Insbesondere der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter vom 25. April 2007 in Heilbronn will nicht in das Muster der NSU-Terroristen passen und ist bislang völlig ungeklärt. Verschiedenste Verschwörungstheorien geistern um diesen Mord. Fakt ist: Der Gruppenleiter der Polizistin und ein weiterer ihr bekannter Polizist waren Mitglied im berüchtigten rechtsextremen Ku-Klux-Klan.

Doch damit nicht genug: Einem Bericht der US-amerikanischen Defense Intelligence Agency (DIA) zufolge sollen zum Zeitpunkt des Mordes ganz in der Nähe deutsche und US-amerikanische Geheimdienste eine geheime Operation zur Islamisten-Bekämpfung durchgeführt haben. Die deutschen Behörden dementieren dies bis zum heutigen Tage.

2. Rätsel: Der Tod des Nazi-Aussteigers

Florian H., der Freund der jüngst verstorbenen NSU-Zeugin, war im September 2013 bei einem Brand in seinem Auto umgekommen. Ermittler sprachen nach dem Ableben des zuvor aus der rechten Szene ausgestiegenen Mannes sehr schnell von Suizid. Er hatte am selben Tag einen Termin bei der Polizei und erklärte vorher, er kenne die Mörder der Polizistin Kiesewetter.

Brisant: Erst vor Kurzem fanden Angehörige in seinem ausgebrannten Auto eine Pistole, ein Handy und eine Machete. Warum die Polizei die verkohlten Beweisstücke nicht erfasste, ist eineinhalb Jahre nach dem Vorfall immer noch völlig unklar.

3. Rätsel: Der V-Mann „Corelli“

Ein weiterer Todesfall im Umfeld des NSU birgt enormes Potenzial für Verschwörungstheorien. Der Tod des ehemaligen V-Manns „Corelli“, bürgerlicher Name: Thomas R., passt zu den Pannen der Ermittler. In den 1990er-Jahren war er einer der führenden Köpfe in der Neonazi-Szene Sachsen-Anhalts und soll mit den NSU-Terroristen bekannt gewesen sein.

Als seine Identität nach seinem Ausstieg aus der rechten Szene nicht weiter geheim blieb, wurde er in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen und lebte unerkannt in Paderborn. Bevor er umfangreich aussagen konnte, starb er am 7. April 2014 in seiner Wohnung – angeblich an einer unerkannten Diabetes.

4. Rätsel: Die Nazi-CDs

„Corelli“ ist überdies der erste Zeuge zum NSU-Komplex überhaupt. Bereits im August 2005 übergab er dem Bundesamt für Verfassungsschutz CDs der Terrorgruppe um Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Zwar hatte das Amt dies immer wieder dementiert. Auf eigene Faust ermittelnde Beamte entdeckten die CDs dennoch und machten den Vorgang publik.

5. Rätsel: Verfassungsschützer am Tatort

Am 6. April 2006 stirbt ein Deutsch-Türke in seinem Internetcafé im hessischen Kassel. Halit Yozgat ist das wahrscheinlich neunte Opfer des (NSU) – getötet mit einer Schusswaffe mit Schalldämpfer. Ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, Andreas T., ist vor Ort und will nichts mitbekommen haben –, obwohl Yozgats Leiche offensichtlich am Boden hinter dem Tresen lag.

Bei späteren Befragungen, unter anderem im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München, versicherte T. dennoch immer wieder gebetsmühlenartig: Er habe nichts gesehen und nichts gehört. Wie kann es sein, dass ein Verfassungsschützer vor Ort war, als Halit Yozgat getötet wurde? Und wie kann er nichts gesehen haben? Diese Fragen stellen sich nicht nur das Gericht und die Angehörigen der Opfer. Bislang: Keine Antwort!

Die schreckliche Bilanz des NSU

Die Terrorgruppe des sogenannten NSU soll von 2000 bis 2011 aus Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bestanden haben. Die beiden mutmaßlichen männlichen Mitglieder der Gruppe sollen acht türkischstämmige und einen griechischen Händler sowie eine Polizistin getötet und 14 Banken in Chemnitz, Zwickau, Stralsund und Arnstadt überfallen haben.

Zschäpe ist seit 2013 wegen Mittäterschaft in zehn Mordfällen, besonders schwerer Brandstiftung und Mitgliedschaft in und Gründung einer terroristischen Vereinigung vor dem Münchener Oberlandesgericht angeklagt. Seit mehr als drei Jahren sitzt sie in Untersuchungshaft.

Mittlerweile haben die Taten des sogenannten NSU fünf Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Länderebene beschäftigt und unzählige Entlassungen und Rücktritte verursacht. Wirkliche Erkenntnisse bleiben jedoch rar, Verschwörungstheorien beliebt.