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Politik

G20-Gipfel in Hamburg: Erdoğan – ein schwieriger Gast

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Kein internationaler Politiker hat in den vergangenen Monaten mehr gegen Angela Merkel gewettert. In Deutschland ist Recep Tayyip Erdoğan deshalb zur Persona Non Grata geworden. Nun kommt er nach Deutschland. Was hat der türkische Präsident vor? 

Von STEFAN KREITEWOLF

„Deutschland nutzt Nazi-Methoden“, sagte er, seine Leibwächter prügelten wild um sich, sein Versprechen zum Bundeswehr-Stützpunkt Incirlik brach er: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan (AKP) war sich in den vergangenen Monaten für keinen Eklat zu schade. Fast immer war das Ziel seiner Attacken Deutschland, häufig traf es die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich. Nun kommt der AKP-Chef nach Deutschland zum G20-Gipfel in Hamburg. Am Wochenende wird er mit den mächtigsten Männern und Frauen die drängendsten Themen dieser Welt verhandeln. Und Erdoğan wird dabei eine Schlüsselrolle spielen.

Für Merkel und die Bundesrepublik ist Erdoğan ein schwieriger Gast, nicht nur wegen seiner Fauxpas der vergangenen Wochen. Sein Besuch birgt enormes Konfliktpotenzial und allein seine Entourage zeigt: Bescheiden wird der 63-Jährige in Hamburg nicht auftreten. Die ARD-Tagesschau berichtete zuletzt, Erdoğan reise mit einer 250-köpfigen Delegation an. Zum Vergleich: Den französischen Präsidenten Emmanuel Macron begleiten etwas mehr als 80 Personen – davon allein 60 Sicherheitsleute. 

Kurden und Gülen, alles Terroristen?

Sicherheitsleute sind bereits der erste Brandherd, den Erdoğan im Gepäck hat. Unvergessen sind die TV-Bilder aus Washington D.C: Leibwächter des türkischen Präsidenten prügelten auf AKP-kritische und pro-kurdische Demonstranten ein, traten sie gegen den Kopf, als sie am Boden lagen. Solche Szenen sollen sich während des G20-Gipfels nicht wiederholen. Da ist sich Erdoğan offenbar mit der Bundesregierung als Veranstalter des Gipfels einig. Die zwölf Securities, die an den Prügelorgien in den USA beteiligt waren, werden nicht mit nach Hamburg reisen. 

Die Affäre um die Sicherheitsleute, die in den USA übrigens per Haftbefehl gesucht werden, ist indes nicht das einzige Streitthema, was US-Präsident Donald Trump betreffen dürfte. Denn in den USA lebt der von der AKP als Initiator des mutmaßlichen Staatsstreichs im vergangenen Sommer in der Türkei bezichtigte Prediger Fethullah Gülen. Die Erdoğan-Regierung fordert die Auslieferung des greisen Geistlichen, den staatsnahe türkische Medien als „Terroristen“ bezeichnen. Trump reagierte darauf bislang nicht. 

Der Terror ist auch in anderer Hinsicht ein Konfliktthema zwischen Erdoğan und dem Westen. Die Rede ist von den Kurden in Syrien. Während die USA und andere westliche Staaten die Kurden in Syrien als Verbündete ansehen, gelten sie für die Türkei als Terroristen. Trump liefert Waffen an die YPG, das syrische Pendant zur in der Türkei agierenden Terrororganisation PKK, Erdoğan hingegen Drohungen. Dass nicht bald statt Drohungen bewaffnete türkische Drohnen in nordsyrische Kurdengebiet fliegen, ist keinesfalls sicher. 

Konflikt um Katar und Klima

Unsicher bleibt auch die Lage in Katar. Der Konflikt am Golf ist noch immer nicht geklärt. Saudi-Arabien und seine Verbündeten werfen Katar vor, Terroristen in der ganzen Welt finanziell zu unterstützen. Die Golfstaaten hatten das Land zum Paria erklärt, Katars Staatsangehörige ausgewiesen, ihre Botschaften im Land geschlossen. Die Türkei schickte Hilfslieferungen in das wirtschaftlich isolierte Land. Deswegen wollte sich Erdoğan am Rande des Gipfels eigentlich mit dem saudischen König Salman treffen und schlichten. Weil der König erkrankt ist und nicht nach Hamburg kommt, wird das nun nicht möglich sein. Für Erdoğan scheint das kein Hindernis zu sein, die türkische Militärpräsenz in Katar weiter auszubauen. 

Ausbauen ist übrigens auch das Stichwort für die türkische Klimapolitik. Erdoğan lässt zwar Stromnetze, die auf erneuerbare Energien setzen, ausbauen, errichtet aber gleichzeitig die ersten Atomkraftwerke des Landes. Dabei ist die Türkei ein von Erdbeben besonders gefährdetes Land, wie zuletzt die verheerenden Erdbeben in Van, der südlichsten Stadt der Republik vor die Augen führte. Hinzu kommt: Die Türkei verfeuert weiterhin ihre selbstgeförderte Kohle. Die Klimapolitik wird das wohl spannendste Thema des G20-Gipfels in diesem Jahr. Nachdem die USA das Pariser Abkommen aufgekündigt hatten, wird das Thema Klimaschutz ganz sicher besonders hitzig debattiert werden.

Mr. Unberechenbar 

Keinesfalls sicher ist, dass Erdoğan seine Pläne, im Umfeld des Gipfels zu seinen Anhängern zu sprechen, aufgegeben hat. Zwar hatte die Bundesregierung ein generelles Auftrittsverbot – auch in türkischen Konsulaten auf deutschem Boden – für Erdoğan und seine Minister ausgesprochen. Ob sich der impulsive Politiker daran hält, ist aber ungewiss. Das Verbot hatte die deutsch-türkischen Verhältnisse zuletzt wieder einmal massiv belastet – die mittlerweile obligatorisch erscheinenden „Nazi“-Vergleiche in Richtung der Kanzlerin inklusive. 

Aus deutscher Sicht ist die Inhaftierung deutsch-türkischer Journalisten das schwerwiegendste Problem auf nationaler Ebene. Deniz Yücel und Mesale Tolu sind weiterhin in der Türkei isoliert. Doch es sind nicht nur inhaftierte Journalisten, die Erdoğans Gewaltapparat zu spüren bekommen. Das Auswärtige Amt sprach zuletzt von neun inhaftierten Deutschen mit türkischen Wurzeln. Dass deutsche Bundeswehrsoldaten in diesen diplomatisch schlechten Zeiten die Türkei und den langjährigen Stützpunkt Incirlik verlassen werden, erscheint nach den verweigerten Besuchen deutscher Bundestagsabgeordneter nur konsequent. 

Der türkische Präsident gilt – auch wegen des Konflikts um Incirlik – als Mr. Unberechenbar. Gerade bei diplomatischen Gipfeltreffen schießt er gern quer. Was Erdoğan vor hat, ist kaum vorhersehbar. Eins bleibt sicher: Sein Besuch in Deutschlands zweitgrößter Stadt wird in jedem Fall einen bleibenden Eindruck hinterlassen.