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Kolumnen

Galatasaray-Präsident auf Abwegen

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Misswirtschaft hat den türkischen Traditionsklub Galatasaray Istanbul an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht. Für die nächste Saison droht eine Europa-Sperre. Derweil sucht sein Präsident sein Heil in der Anbiederung an Erdoğan.

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Galatasaray-Präsident Duygun Yarsuvat
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Waren das noch Zeiten!

Um die Jahrtausendwende war Galatasaray Istanbul DAS Vorzeige-Team des Landes. Der türkische Traditionsklub feierte Erfolge über Erfolge. Seine Siege über AC Mailand, Arsenal London oder Borussia Dortmund sind bei mir noch in Erinnerung. Als bisher einzige türkische Fußball-Mannschaft hat sie den UEFA-Cup geholt. Das war im Jahr 2000. Der Supercup mit einem Sieg über Real Madrid folgte.

Die türkische Nationalelf, die bei der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea den dritten Platz geholt hat, bestand im Wesentlichen aus Galatasaray-Spielern. Der unbestrittene Star der damaligen Mannschaft war ein gewisser Hakan Şükür, der beim Spiel um den dritten Platz gegen Südkorea das schnellste Tor der WM-Geschichte überhaupt schoss. Das Tor fiel genau nach 11 Sekunden nach Anpfiff.

Diese Zeiten sind vorbei.

Keine europäischen Erfolge mehr

Gewiss, der Klub feiert noch Erfolge, holt Meisterschaften. Doch sind all diese Erfolge auf nationaler Ebene. Internationale Erfolge gibt es nicht mehr. In der laufenden Champions-League-Saison hat die Mannschaft die Gruppenphase nicht überstanden. Sie war eines der schlechtesten Teams überhaupt. Fußball-Freunde mit einem Herz für die Farben des Teams – nämlich Gelb-Rot – müssen schon auf die Aufnahmen von vor 15 Jahren zurückgreifen, wollten sie diese Gefühle noch mal erleben.

Nichtsdestotrotz macht der Klub von sich reden.

Leider nicht mit sportlichen Erfolgen, was von einem Fußball-Klub dieser Kategorie zu erwarten wäre. Der Klubpräsident, Duygun Yarsuvat, versucht es mit Fouls, mit einer Grätsche, zum Erfolg zu kommen.

Ein Präsident sieht rot

Er beschuldigte kürzlich in einem Zeitungsinterview die Hizmet-Bewegung, eine Bildungsbewegung, die von Fethullah Gülen inspiriert wurde, den Präsidenten des anderen türkischen Traditionsklubs Fenerbahçe Istanbul, Aziz Yıldırım, erpresst zu haben. Ihm zufolge hätte die Hizmet-Bewegung von Yıldırım 50 Millionen Türkische Lira gefordert, und als er diese nicht zahlte, hätte man die Korruptionsgeschichte im türkischen Fußball aus dem Jahr 2011 losgetreten.

Zur Erinnerung: Aziz Yıldırım wurde damals festgenommen, wurde von einem Gericht für schuldig befunden und saß ca. ein Jahr im Gefängnis. Aber die Behauptungen von seinem Kollegen von Galatasaray Istanbul weist er zurück.

Munition für Erdoğan – Geld für Galatasaray?

Es stellt sich die Frage: Warum erhebt der Galatasaray-Präsident diese Vorwürfe gegen die Hizmet-Bewegung? Sind es Alterserscheinungen – er ist immerhin 78 Jahre alt.

Das nicht. Aber es gibt schon handfeste Gründe aus seiner Sicht. Der Klub steckt in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten. Die Steuerschulden gegenüber dem türkischen Staat betragen über 41,3 Millionen TL. Die Gesamtschulden belaufen sich auf über 1,4 Milliarden Türkische Lira. Bis Mai dieses Jahres müssen 80 Millionen abbezahlt werden – 80 Millionen, die nicht aufzutreiben sind. Laut Medienberichten drohe dem Klub sogar eine Europa-Sperre für die nächste Saison.

Also was machen? Woher Geld holen?

Richtig! Durch Anbiederung an Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan. Er kontrolliert den Staat, er hat Macht über die Banken. Was in der aktuellen politischen Lage in der Türkei erforderlich ist, liegt eigentlich auf der Hand: Erdoğan in seinem Privat-Krieg gegen die Hizmet-Bewegung mit Munition unterstützen. Dann hat man echte Chancen, an Geld zu kommen. Und genau das macht der Galatasaray-Präsident!

Politisch angebracht – moralisch eine Katastrophe

Erdoğan selbst hat den größten Korruptions-Skandal der türkischen Geschichte überstanden, indem er die Hizmet-Bewegung beschuldigte, einen Parallel-Staat im Staate gebildet zu haben, um seine Regierung mit Korruptions-Vorwürfen zu stürzen. Im Gegenzug hat er aus der türkischen Republik einen AKP-Staat gemacht.

Der Galatasaray-Präsident denkt sich wohl: Warum soll es mit den Finanzen nicht auch beim Fußball klappen, wenn es schon in der Politik geklappt hat? Die Rechnung ist einfach: Gegen die Hizmet-Bewegung schießen – es ist derzeit schließlich Mode, die Gunst Erdoğans gewinnen, sich aller (Geld-)Sorgen entledigen.

Galatasaray mag so an neues Geld kommen. Ich finde aber: Fair ist das aber nicht! Ein Fußball-Klub sollte nach seinen Möglichkeiten geführt werden und Erfolge in erster Linie auf dem Rasen suchen.

Warum noch Galatasaray-Fan werden?

Die drei Istanbuler Traditionsklubs Galatasaray, Fenerbahçe (gelb-blau) und Beşiktas (schwarz-weiß) haben Fans im ganzen Land, ja sogar unter Türken im Ausland. Viele türkischstämmige Spieler, die in europäischen Top-Klubs Fußball auf Spitzemniveau spielen, entpuppen sich in ihrer Kindheit und Jugend als Fans dieser Klubs. So outete sich Mesut Özil als Fenerbahçe-, Nuri Şahin als Galatasaray-Fan.

Ich frage mich, ob es noch sinnvoll ist, die Kinder mit den Farben dieser Klubs darauf hinzulenken, Fans dieser Klubs zu werden. Die Farben mögen schön und gut sein. Aber der sportliche Erfolg fehlt, die Wirtschaftlichkeit in der Vereinsführung fehlt, vor allem das Fair-Play-Verständnis fehlt. Wofür soll man noch für diese Klubs mitfiebern, wenn sie nicht nur sportlich, sondern auch ethisch am Boden liegen?