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Panorama

„Ganz Baden-Württemberg ist heute in Trauer vereint“

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Der Andrang beim Totengebet ist groß. Auch die türkische Regierung ist in Backnang vertreten. Derweil geht die Suche nach der genauen Ursache für das Flammeninferno weiter. Vermieter und Behörden stehen in der Kritik. (Foto: dpa)

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„Ganz Baden-Württemberg ist heute in Trauer vereint“
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Backnang – Hunderte Trauernde haben im schwäbischen Backnang Abschied von den Opfern der Brandkatastrophe genommen. Acht mit türkischen und deutschen Flaggen geschmückte Särge standen am Dienstag im Hof nahe der Moschee. Bei dem Feuer in einem nahegelegenen Wohnhaus waren am Sonntagmorgen eine 40 Jahre alte Mutter und sieben ihrer zehn Kinder ums Leben gekommen.

Beim Totengebet in der Moschee anwesend waren auch der türkische Vizepremier Bekir Bozdağ, Baden-Württembergs Vizeregierungschef Nils Schmid, Integrationsministerin Bilkay Öney (beide SPD) sowie der türkische Botschafter Hüseyin Avni Karslıoğlu.

Der türkische Vizepremier Bekir Bozdağ hat den Hinterbliebenen der Backnanger Brandkatastrophe am Dienstag das Mitgefühl des ganzen Landes ausgedrückt. „Millionen türkische Bürger leiden mit uns und teilen unseren Schmerz“, sagte Bozdağ beim Totengebet für die acht Brandopfer auf einem Hof nahe der Moschee. Er wünsche der Familie viel Stärke und vertraue darauf, dass die Ursache des Brandes restlos aufgeklärt werde. Er nehme die Leichen mit in die Türkei, wo sie am Mittwoch beigesetzt werden sollen.

„Kinder, die nie wieder auf der Straße spielen werden mit ihren Freunden“

Baden-Württembergs Vize-Ministerpräsident Nils Schmid (SPD) sagte mit Tränen in den Augen: „Ganz Baden-Württemberg ist heute in Trauer vereint.“ Mit zittriger Stimme sprach er über „Kinder, die nie wieder auf der Straße spielen werden mit ihren Freunden“. Den Trauernden versicherte er, sie könnten sich darauf verlassen, dass sich Bürger – egal aus welchem Land – hier zu Hause fühlen können. Das Land werde alles dafür tun, „dass dies auch in Zukunft so bleiben wird“. Man werde alles daransetzen, die Ursache für den Brand herauszufinden.

Am Dienstagnachmittag sollten die von der Staatsanwaltschaft freigegebenen Leichen der türkischstämmigen Familie in ihre Heimat geflogen werden. Geplant sei der Abflug einer Privatmaschine für etwa 13.00 Uhr, sagte der stellvertretende türkische Konsul in Stuttgart, Tuna Atala. Das könne sich aber noch kurzfristig ändern. Die 40-jährige Mutter, die mit ihren Kindern ums Leben kam, stammte aus Afyonkarahisar in der Mitteltürkei.

Eine Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft bestätigte, dass die Obduktion abgeschlossen sei. Damit gilt als sicher, dass die acht Mitglieder der türkischstämmigen Familie am giftigen Rauch erstickt sind. Der türkische Botschafter hatte am Montag angekündigt, dass die Leichen rasch überführt werden. Die Eile begründet sich damit, dass Gestorbene im Islam eigentlich binnen weniger Stunden beerdigt werden müssen.

Als sehr wahrscheinliche Ursache für das Flammeninferno haben die Ermittler einen technischen Defekt ausgemacht. Die Untersuchungen laufen aber weiter.

Mutter habe sich mehrfach wegen der schlechten Wohnverhältnisse an deutsche Ämter gewandt

Die Lebensbedingungen der Familie rücken indes immer stärker in den Vordergrund: Angehörige der Opfer hatten dem Vermieter der Wohnung und den deutschen Behörden schwere Vorwürfe gemacht. Die elektrischen Leitungen in der Wohnung seien total marode gewesen, sagte etwa die Großmutter der sieben getöteten Kinder. Der Vermieter habe sich aber nicht darum gekümmert. Einzige Heizquelle in der Wohnung war ein Holzofen. Und dem Vernehmen nach gab es dort kein warmes Wasser. Ein Polizeisprecher erklärte, der Vermieter solle ebenfalls vernommen werden. Er sei derzeit im Ausland.

Wegen der schlechten Wohnverhältnisse habe sich die Mutter mehrfach an deutsche Ämter gewandt, erklärten weitere Angehörige. Auch das Jugendamt sei mehrfach in der Wohnung gewesen. (dpa/dtj)