Connect with us

Bildung & Forschung

Gauck besucht Islam-Zentrum der Uni Münster

Spread the love

Hoher Besuch für das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) der Universität Münster. Bundespräsident Gauck wird sich am Donnerstag vor Ort die Arbeit der Einrichtung ansehen. Derweil steht der ZIT-Leiter weiter unter Druck. (Foto: reuters)

Published

on

Joachim Gauck - reuters
Spread the love

Es ist eine Geste der Anerkennung. Wenn Bundespräsident Joachim Gauck am Donnerstag die Universität Münster besucht, gilt sein besonderes Interesse dem dortigen Zentrum für Islamische Theologie (ZIT). Die relativ junge Einrichtung – 2004 als „Centrum für religiöse Studien“ (CRS) gegründet – bildet Lehrer für den noch neuen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht an Schulen aus. Doch in die Feststimmung mischen sich Unmutsäußerungen.

Denn der ZIT-Leiter Mouhanad Khorchide stößt beim Koordinationsrat der Muslime (KRM) auf Widerspruch. Die Dachorganisation von vier islamischen Verbänden wirft Khorchide vor, nicht wie ein Vertreter einer bekenntnisorientierten Religion zu argumentieren, sondern wie ein Orientalist. In Büchern wie „Scharia – der missverstandene Gott“ vertritt Khorchide eine Interpretation des Islam, die zuallererst der „Barmherzigkeit“ verbunden sein will und einer „buchstabengetreuen Erfüllung von Gesetzen“ entgegenstehen würde. Man solle, so Khorchide, den Islam „nicht als Quelle von Gesetzen verstehen, sondern von Spiritualität und allgemeinen ethischen Prinzipien“.

Khorchide betonte zwar in Interviews, seine Kritik richte sich nicht gegen die Mainstream-Muslime, und er wird mit Aussagen wie „Wir brauchen keine Aufklärung, wie wir sie aus Europa kennen“ zitiert. Andererseits wandte er sich in einem Interview mit der Bundeszentrale für politische Bildung gegen Eltern, die ihren Kindern gegenüber aus religiösen Gründen Vorbehalte gegen „jugendkulturelle Dinge“ wie Piercings oder Diskotheken äußern, da man ihnen so „den Spaß am Leben nehmen“ würde. Muslimische Kreise werfen Khorchide vor, einen konturenlosen, assimilierten Islam zu vertreten.

Salafisten versuchen aus der Situation Kapital zu schlagen

Die Verbände haben ein Gutachten über den Professor angekündigt. Aber auch radikale Salafisten um den Prediger Pierre Vogel machen gegen Khorchide mobil. Parallel zum Besuch des Bundespräsidenten wollen sie gegen den Wissenschaftler demonstrieren.

In einem anderen Streitpunkt bahnt sich indes eine Lösung an. Bislang hat sich noch nicht der Beirat konstituiert, der über das Lehrpersonal und die Lehrinhalte bestimmen soll. Diese Aufgabe soll das Gremium ersatzweise übernehmen, da die islamischen Verbände nicht wie die Kirchen als Religionsgemeinschaft staatlich anerkannt sind.

Im Beirat sollen jeweils vier von der Universität ernannte Personen und vier vom KRM vorgeschlagene Vertreter mitarbeiten. Doch ein von der Uni benanntes Mitglied zog sich zurück. Und ein Platz des KRM ist bislang unbesetzt, weil es gegen die vorgeschlagenen Personen Bedenken wegen der Verfassungstreue gab. Trotz der Beirats-Blockade läuft der Lehrbetrieb bereits seit einem Jahr. Professoren wurden aber nur befristet angestellt, das Curriculum semesterweise fortgeführt. Die Verbände fühlen sich übergangen.

Beirat könnte Khorchide schon bald abberufen

Nun aber sieht es so aus, dass der Beirat seine Arbeit in naher Zukunft endlich aufnehmen kann. Denn die Uni hat bereits einen Ersatz in Aussicht genommen, der indes das Plazet der Verbände finden muss. Der KRM seinerseits hat auch einen neuen Personalvorschlag unterbreitet. Dem Vernehmen nach hat die betreffende Theologin grünes Licht von der Bundesregierung, die sich an der Finanzierung des Islam-Zentrums beteiligt.

Wie es aber mit dem unter Druck geratenen Khorchide weitergeht, ist offen. Er wehrt sich gegen die Kritik der Verbände, die sich seine Lehrveranstaltungen gar nicht näher angeguckt hätten. Wenn er in jedem Buch mit mehr als 400 Koranversen argumentiere, sei das „keineswegs die Vorgehensweise eines Orientalisten oder eines Islamwissenschaftlers“. Zugleich räumt Khorchide Fehler im Umgang mit den Verbänden ein. Wenn er sich mit ihnen häufiger an einen Tisch setzen würde, ließe sich „einiges an Missverständnissen“ beseitigen. Grundsätzlich könnte der Beirat ihn auch abberufen – wenn er denn mal funktioniert. (KNA)