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Politik

Gaza: Besorgnis nach Unruhen

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Die Palästinenser haben die Toten der blutigen Unruhen von Freitag im Gazastreifen beerdigt. Abbas macht Israel für die Eskalation verantwortlich – die Armee spricht dagegen von einer Provokation der Hamas. Es gibt erneut Verletzte.

Von Stefanie Järkel und Saud Abu Ramadan

Die blutigen Zusammenstöße im Gazastreifen schüren international Sorgen vor einer neuen Gewalteskalation zwischen Israel und den Palästinensern. UN-Generalsekretär António Guterres forderte «unabhängige und transparente Ermittlungen» zu den Vorfällen vom Freitag. Bei Massenprotesten der Palästinenser an der Grenze zu Israel waren 15 Menschen von israelischen Soldaten getötet und mehr als 1400 verletzt worden. Israel verteidigte das Vorgehen am Samstag als Schutz vor der radikal-islamischen Hamas.

Nach Angaben der israelischen Armee waren mindestens zehn der Getöteten militante Palästinenser. Acht seien Mitglieder der Hamas gewesen, einer des Islamischen Dschihads und einer der Al-Aksa-Brigaden. Die Armee nannte die Namen, das Alter und den Wohnort der «bekannten Terroristen». Die Hamas sagte lediglich, fünf der Toten seien Mitglieder ihres militärischen Arms gewesen.

Noch am Samstag wurden die Toten zu Grabe getragen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas rief einen Tag der Trauer aus. In den Palästinensergebieten und in Ost-Jerusalem blieben wegen eines Generalstreiks die Läden geschlossen.

Gaza: Erneute Zusammenstöße mit 49 Verletzten

Bei erneuten Zusammenstößen mit israelischen Soldaten wurden wieder Palästinenser verletzt. 49 Menschen hätten Schussverletzungen an der Grenze erlitten, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza mit.

Nach Angaben des palästinensischen Ministeriums waren am Freitag mindestens 15 Palästinenser während des «Marschs der Rückkehr» von israelischen Soldaten erschossen oder durch Panzergranaten getötet worden. Mehr als 1400 wurden verletzt, die meisten durch Tränengas.

Hamas: «Recht auf Rückkehr»

Nach palästinensischen Medienberichten waren mehr als 20 000 Menschen zu dem Marsch an der Grenze zu Israel gekommen, nach israelischen Angaben sogar rund 30 000. Die Hamas wollte mit der Aktion ihren Anspruch auf ein «Recht auf Rückkehr» für palästinensische Flüchtlinge und deren Nachkommen in das Gebiet des heutigen Israels untermauern. Israel lehnt eine Rückkehr in das eigene Staatsgebiet ab.

Israels Regierung verteidigte das Vorgehen der Armee. «Der Sperrzaun zwischen Israel und dem Gazastreifen trennt zwischen einem souveränen Staat und einer Terrororganisation», erklärte das Außenministerium. «Er trennt zwischen einem Staat, der seine Bürger schützt, und Mördern, die Angehörige ihres eigenen Volkes in die Gefahr schicken.» Die Armee sprach von einer gezielten Provokation der Hamas.

Palästinenserpräsident Abbas macht Israel verantwortlich

Palästinenserpräsident Abbas machte dagegen allein Israel für die blutigen Zusammenstöße verantwortlich.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan verurteilte die Tötung der 15 Palästinenser als «Massaker». Seine Regierung werde «israelischen Terror» immer und überall anprangern, sagte Erdogan am Samstag vor Anhängern in Istanbul und sprach von einem «unmenschlichen Angriff».

Erdogan, Ägypten und Iran kritisieren Vorgehen Israels

Ägypten und Iran kritisierten das Vorgehen Israels scharf. Iran unterstützt die Hamas in Gaza und betrachtet Israel als Erzfeind.

Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung: Proteste ursprünglich aus der Gesellschaft heraus organisiert

Der Nahost-Experte Marc Frings sieht nun die Möglichkeit einer weiteren Eskalation. «Das ist die Gefahr, dass dies nur der Anfang einer Welle von Unruhen ist», sagte der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah der Deutschen Presse-Agentur. «Uns steht bis Mitte Mai eine Phase der absoluten Unsicherheit bevor.» Frings betonte, dass die Proteste ursprünglich aus der Gesellschaft heraus organisiert worden seien. «Die Hamas hat sich spät auf den Zug gesetzt», sagte er – und habe die Aktion für ihre Ziele missbraucht.

Die Kürzungen der US-Mittel für das Palästinenserhilfswerk der UN setze die Menschen zusätzlich unter Druck. «Das sind harte Sicherheitsfaktoren, die heute schon dazu führen, dass das ein Pulverfass ist», sagte Frings. «Da braucht es keine Hetze oder ein Aufwiegeln durch die Hamas mehr.» Israel hat nach der Machtübernahme durch die Hamas 2007 eine Blockade über das Küstengebiet verhängt, die mittlerweile von Ägypten mitgetragen wird.

USA wollen am 14. Mai US-Botschaft in Jerusalem eröffnen

Die Proteste im Gazastreifen sollen bis zum 15. Mai dauern. Anlass sind die Feiern zum 70. Jahrestag der Gründung Israels. Die Palästinenser begehen den 15. Mai als Nakba-Tag (Tag der Katastrophe), weil im ersten Nahost-Krieg 1948 rund 700 000 Palästinenser flohen oder vertrieben wurden. Am 14. Mai wollen die USA zudem die US-Botschaft in Jerusalem eröffnen.

«Die Welt ignoriert Situation der Palästinenser»

Auch Mechemar Abu Sada, Politikprofessor an der Al-Azhar-Universität in Gaza, sagte: «Was gestern passiert ist, ist ein Ausdruck der Wut der Palästinenser, vor allem der Menschen in Gaza, weil die Welt ihre Situation auf den nationalen und humanitären Ebenen ignoriert.» Was am Freitag passiert sei, könnte sich am Nakba-Tag wiederholen, sagte er. «Und es könnte dann gewaltsamer und heftiger werden.»

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini rief beide Seiten zu einer Deeskalation auf. «Alle Beteiligten müssen Zurückhaltung üben und weitere gewalttätige Eskalationen sowie jegliche Handlungen, die Zivilisten gefährden könnten, vermeiden.»

dpa/dtj