Connect with us

Politik

Gefährliches Muskelspiel der AKP

Spread the love

Viele Demonstranten fordern den Rücktritt Erdoğans. Nun hat sich die AKP-Führung dazu entschlossen, ihre eigenen Anhänger auf Massenkundgebungen zu mobilisieren. Doch diese Strategie birgt große Risiken für die Türkei.(Foto:ap)

Published

on

Gefährliches Muskelspiel der AKP
Spread the love

Die Protestwelle gegen die regierende AKP reißt nicht ab. Immernoch werden in vielen türkischen Städten Demonstrationen gegen die Politik des Ministerpräsidenten abgehalten, immernoch besetzen Demonstranten den zentralen Taksim Platz und Gezi Park.

Erdoğan rief am Samstag das wichtigste Entscheidungsgremium der AKP in Istanbul zusammen, um die andauernden anti-Regierungsproteste zu diskutieren und eine diesbezügliche Strategie der Partei zu entwickeln. Das einberufene AKP-Gremium entschloss sich nun dazu, zwei große Kundgebungen ihrer Anhänger abzuhalten – scheinbar als Machtbeweis gegenüber den regierungsfeindlichen Demonstranten. Die erste Kundgebung wird am 15. Juni in Ankara, die Zweite am 16. Juni in Istanbul abgehalten werden. Die Regierung will damit anscheinend zeigen dass sie trotz der wachsenden Proteste noch immer über massiven Rückhalt in großen Teilen der türkischen Bevölkerung verfügt.
Polarisierung der türkischen Gesellschaft schreitet voran

Die Entscheidung der AKP in Istanbul und Ankara große Pro-AKP Demonstrationen abzuhalten, um ihren Rückhalt in der türkischen Bevölkerung zu beweisen, könnte Analysten zu folge jedoch große gesellschaftliche Risiken bergen. Durch die politisch forcierten Demonstrationen und eine aggressive Rhetorik könnten nicht nur Spannungen in der türkischen Bevölkerung verstärkt werden, sondern mittelfristig sogar den Friedensprozess der türkischen Regierung zur Beilegung des Kurdenkonflikts gefährden.

„Sollte auf den geplanten Demonstrationen die Einstellung ‚Los, wir zerschlagen sie!‘ untermauert werden, so wäre das eine Katastrophe für die Türkei“, warnte Doğu Ergil, Dozent an der Fakultät für Politikwissenschaft der Fatih-Universität. Ergil bezieht sich damit auf die die Sprechchöre der Menge, die den Ministerpräsidenten bei seiner Rückkehr von einer Auslandsreise am Freitag auf dem Istanbuler Atatürk Flughafen begrüßten. „Lasst uns losgehen, lasst und die auf dem Taksim (Platz) zerschmettern“, war von einigen anwesenden Personen gerufen worden. „Die tiefere Bedeutung solcher Slogans zu ignorieren könnte den Weg ebnen für eine Transformation der (momentanen) Polarisierung der Gesellschaft hin zu Zusammenstößen“, kommentierte Ergil in der Zeitung „Today’s Zaman“. „Solch eine Haltung kann auch die Friedensinitiative gefährden, da so definitiv die Polarisierung der türkischen Gesellschaft verstärkt wird.“

Anstatt zu versuchen, sich mit den Demonstranten des Gezi-Park und des Taksim-Platz zu versöhnen, verfolgte Ministerpräsident Erdoğan vom Beginn der Proteste an einen konfrontativen und offensiven Diskurs mit den Protestlern. Er sagte beispielsweise, dass die Proteste hauptsächlich durch Lobbygruppen aus dem In- und Ausland provoziert worden seinen, um über die Zinsen an den Finanzmärkten der Türkei Gewinne einstreichen zu können. Die Demonstranten bezeichnete er als als „ein paar Plünderer“.

Istanbul Protest rtr.JPG

AKP will Rückhalt in der Bevölkerung beweisen

Einer Online-Umfrage der Bilgi Universität zufolge demonstrieren auf dem Taksim Platz hauptsächlich junge Menschen. So sind etwa 40 Prozent der Demonstranten auf dem Taksim Platz zwischen 19 und 25 Jahren alt und 24 Prozent zwischen 26 und 30 Jahren. Doch haben sich neben Umweltaktivisten und deren Unterstützer auch illegale linksextremistische Gruppierungen unter die Demonstranten gemischt und versuchen die Proteste für ihre politischen Ziele zu instrumentalisieren.

Der Direktor des „MetroPOLL Strategic and Social Research Center“ Özer Sencar, vermutet, dass die AKP in der türkischen Öffentlichkeit durch den harschen Einsatz der Polizeikräften Sympathie und Prestige eingebüßt hat. Seiner Meinung nach versucht die AKP nun zu beweisen, dass die Partei immer noch über eine große Anhängerschaft verfügt, die auch mit der Politik der Partei sympathisieren. „Der Ansatz sein Ansehen durch Kundgebungen wiederherzustellen und so die Unterstützung der eigenen Anhänger zu erneuern ist besser als junge Leute mit Wasserwerfern zu bekämpfen“, sagte Sencar und warnte gleichzeitig vor einer allzu aggressiven Rhetorik auf solchen Kundgebungen.

Die 2001 gegründete AKP ist mit 326 Abgeordneten (Stand November 2011) die stärkste Fraktion im türkischen Parlament und hat dort die absolute Mehrheit der Sitze inne.