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Politik

Geld Macht gefügig

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Milliarden fließen jedes Jahr von Washington nach Kairo. Doch der Sturz eines demokratisch gewählten Präsidenten durch das Militär könnte die Zahlungen nun illegal werden lassen. Damit würde die Machtquelle der Generäle versiegen. (Foto: rtr)

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Jubelnde Menschen, buntes Feuerwerk und Zuversicht verbreitende religiöse Würdenträger, die brav neben fein herausgeputzten Generälen sitzen. Nicht gerade die Bilder, die man mit einem Militärcoup verbindet. Die Bilder hinterlassen einen durchweg positiven Eindruck der jüngsten Geschehnisse am Nil, denn wo laut gejubelt wird und patriotische Reden von bekannten Persönlichkeiten vor den Fahnen des Vaterlandes gehalten werden, da scheint die Welt in Ordnung.

Doch der Schein trügt. Die Einmischung des ägyptischen Militärs in die Politik wurde nicht überall mit Feuerwerk und Applaus begrüßt. Denn jeder Militärcoup erfolgt durch den Einsatz von Gewalt und durch die physische Verdrängung der alten Machthaber – und erzeugt Opfer.

Das, was wir nicht sahen, waren die Panzer auf den Plätzen und die bewaffneten Soldaten, die in die Städte einrückten. Es gab keine Bilder davon, weil sich Soldaten gleich zu Beginn der Aktion Zutritt zu Fernseh- und Radiostationen verschafften und diese abschalteten. Gleichzeitig wurden gegen die Führer der Muslimbruderschaft Mohammed Badia und Chairat al-Schater Haftbefehle erlassen, Mursi nahm das Militär gleich selbst in Gewahrsam.

Der „perfekte“ Coup zeigt die Macht der Generäle

Ob die Ereignisse vom Mittwoch den politischen Willen der Ägypter wirklich widerspiegelt, ist diskussionswürdig. Doch die konsequente Durchführung des Coups und die scheinbar problemlose Kontrolle der ägyptischen Medien und westlichen Berichterstattung zeigt eines deutlich – die Macht des Militärs.

Das Militär ist in Ägypten traditionell ein einflussreicher politischer Akteur. Spätestens seit dem Militärcoup der sog. „Freien Offiziere“ im Jahre 1954 kamen die politisch Mächtigen am Nil aus den Reihen der Armee: Gamal Abdel Nasser, Anwar el Sadat und zuletzt der „Kampfpilot“ Husni Mubarak hatten alle eine Militärkarriere hinter sich. Soldaten waren jahrzehntelang die strahlenden Helden des Landes am Nil und die Generäle sponnen die Fäden in Wirtschaft und Politik.

Doch ist nicht etwa das Vertrauen und die Bewunderung der ägyptischen Bevölkerung und auch nicht ihre heldenhaften Verdienste für das Vaterland wichtigste Quelle ihrer Macht – sondern die immensen Militärhilfen aus Washington.

Kairo gehört seit Jahrzehnten zu den größten Empfängern von US-Militärhilfe: Rund 1,3 Milliarden Dollar fließen laut der Recherchestelle des US-Kongresses jährlich in die Verteidigungskasse nach Kairo. Doch durch die großzügige Militärhilfe begeben sich die – oft in den USA ausgebildeten und dort bestens vernetzten – Generäle in finanzielle Abhängigkeit zu den USA. Die Überweisungen nach Ägypten stellen für Washington eine Möglichkeit dar, Einfluss zu nehmen: auf den Demokratisierungsprozess etwa oder auf die Wahrung des israelisch-ägyptischen Friedensvertrags.

Ägypten Militär Putsch.JPG

Der Coup setzt die USA unter Druck

Doch mit dem Coup vom Mittwoch könnte das Militär unbewusst seine Machtquelle gefährdet haben. Stundenlang blieb US-Präsident Barack Obama nach der Entmachtung des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi stumm. Im abhörsicheren „Situation Room“ im Keller des Weißen Hauses beriet er über die brenzlige Lage in Kairo mit Verteidigungsminister Chuck Hagel, CIA-Chef John Brennan, Generalstabschef Martin Dempsey und anderen ranghohen Mitgliedern seines Sicherheitsstabes. Erst nach gründlichem Abwägen wandte er sich kritisch an das ägyptische Militär. „Zutiefst besorgt“ sei er über den Sturz eines demokratisch gewählten Präsidenten, lässt er schriftlich verbreiten. Das entscheidende Wort „Putsch“ vermeidet Obama bewusst.

Denn sollten die USA Mursis Sturz tatsächlich als Coup d’Etat definieren, könnte das erhebliche finanzielle Konsequenzen haben. Ein US-Gesetz von 1961 schränkt nämlich die Hilfe an die Regierung jedes Landes ein, „dessen ordnungsgemäß gewählter Staatschef durch einen Militärputsch oder -erlass abgesetzt wird“. Er habe seine Regierung angewiesen, zu prüfen, welche Konsequenzen die Ereignisse auf die Hilfe für Ägypten hätten, sagte Obama daher vorsichtig.

Eine Einstellung der Militärhilfe ist aber trotz der langsam aufkommenden Kritik an der finanziellen Unterstützung des machtbewussten ägyptischen Militärs sehr unwahrscheinlich – auch auf Grund des mühsamen Aufbaus von wichtigen Verbindungen ins ägyptische Offiziercorps und den langen Auftragslisten der ägyptischen Armee bei US-Rüstungsunternehmen. Obama will daher auch im Haushaltsjahr 2014 die Militärhilfe von 1,3 Milliarden Dollar fortschreiben und so den Einfluss auf Ägypten, einen der wenigen verbliebenen Verbündeten der USA in der Region, aufrechterhalten.

Militärhilfe trotz Repressalien des Militärs gegen Oppositionelle

US-Außenminister John Kerry betonte jüngst: „Eine starke Sicherheitspartnerschaft zwischen Ägypten und den USA, unterlegt mit Militärhilfe, erhält uns einen Draht zur ägyptischen Militärführung, die zu den Hauptmeinungsmachern des Landes gehört.“

Dem „guten Draht“ zu den Entscheidungsträgern am Nil wurde in der Vergangenheit so viel Bedeutung beigemessen, dass systematische Menschenrechtsverletzungen und Repressalien gegenüber Oppositionellen – darunter vielen Angehörigen der Muslimbruderschaft – für die USA kein Grund darstellten, die jährlichen Geldspritzen einzustellen oder zu reduzieren.

Sollte es in Ägypten nach den Geschehnissen vom Mittwoch nun zu weiteren Aktionen gegen die Muslimbruderschaft kommen, könnten Teile der Organisation, wie bereits in den fünfziger und sechziger Jahren geschehen, in den Untergrund gehen. Eine gewaltsame Eskalation des politischen Machtkampfes zwischen den verschiedenen Akteuren wäre die Folge. Die Frage wird dann sein, ob die USA auch dann noch zum Militär halten, wenn es wie in der Vergangenheit repressiv gegen die Muslimbruderschaft und andere Oppositionsgruppen vorgeht. Doch eine Einstellung der Militärhilfen könnte ungeahnte Folgen für das Mächteverhältnis in Ägypten haben, denn schon der französische Philosoph Emmanuel Mounier wusste: „Eine Waffe ist nirgends gefährlicher als in der Hand des Schwachen.“ (dpa/dtj)