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Goethe und der Islam – Teil I

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BLOG Das Interesse von Johann Wolfgang von Goethe gegenüber dem Islam gehört zu den bemerkenswertesten Phänomenen in der deutschen Literaturgeschichte. Auch wenn es jahrzehntelang nicht erforscht wurde, weiß man heute mit Sicherheit, dass der Islam im Leben Goethes eine besondere Rolle spielte. In sämtlichen Gedichten Goethes lässt sich eine Koraninspiration erkennen, der ich nachgegangen bin. Vorweg möchte ich sagen, dass es mir nicht darum geht, Goethes Religionszugehörigkeit zu zeigen. Ganz im Gegenteil möchte ich mit dieser ausführlichen Beschäftigung unseres Nationaldichters mit dem Islam zeigen, dass der west-östlicher Austausch möglich war und ist!

Die Beschäftigung mit dem Koran ist in zwei Lebensbereichen Goethes zu erkennen. Zum einen beschäftigte er sich mit ihm zwei Jahre lang in seiner Jugendzeit (1770-71), in dem er den Koran zweimal las und Exzerpte machte. Inspiriert von diesen Versen schrieb er ein Drama und eine Hymne, die er dem Propheten Muhammad widmete.

In Folge seiner zweiten Beschäftigung ab 1814 schrieb er den West-Östlichen Divan, inspiriert durch den persischen Dichter Hafis.

Doch in diesem Beitrag soll es vorerst darum gehen, wie Goethe mit dem Islam Bekanntschaft machte und in der Folge eine offensichtliche Leidenschaft gegenüber dem Islam bzw. Orient entwickelte. In den folgenden Beiträgen werde ich dann auf die Verse eingehen, welche sich Goethe notierte, was ihn an diesen Versen interessierte und wo bzw. in welchen Gedichten seine Koraninspiration erkennbar ist. Hierzu werde ich das Buch „Goethe und die arabische Welt“ von Katherina Mommsen als Vorlage nehmen.

Historischer Aspekt

Nach der Französischen Revolution, die ihren Beginn der Aufklärung zu verdanken hatte, waren die Menschen gegenüber Neuerungen offener als vor der Aufklärung. Es tauchten neuartige Religionen auf, aber auch Bibelkritiker mischten sich unters Volk, die es wagten, die Religion offen zu kritisieren. Parallel dazu erweckten auch andere Gesellschaften und ihre Religionen das Interesse vieler Individuen. Unter diesen war der Islam eine Religion, die als fremd oder gar als feindlich dargestellt wurde.

Obwohl der Islam als gefährlich eingestuft wurde, ist es interessant zu sehen, dass er zum größten Teil weiterempfohlen wurde. Einige wenige Schriftsteller wie Schiller, Kant und Lessing haben sich intensiv mit dem Islam befasst. Auch Goethe gehörte zu dieser Gruppe.

Anders bei ihm war jedoch, dass seine Beschäftigung mit dem Islam das „Toleranzbestreben der Aufklärungsbewegung“ bei Weitem übertraf.

Goethes erste Beziehung zum Koran

Goethes erste Beziehung beginnt während seines Jura-Studiums in Straßburg (April 1770 – August 1771). Hier machte er Bekanntschaft mit dem fünf Jahre älteren Gottfried Herder, dessen Aufsätze er gelesen hatte und von denen er fasziniert war. Bei seinem ersten Treffen mit Herder regte dieser den noch jungen Goethe an, sich mit der Forschung zu beschäftigen und machte ihn bekannt mit der Weltliteratur und wies ihn auf die Vorurteile gegenüber dem Orient hin. Goethe gefiel die Redekunst Herders, woraufhin er ihn fragte, wem oder was er diese zu verdanken hat. Herder zeigte ihm ein Buch, das Goethe nicht entziffern konnte. Herder sagte, auf das Buch zeigend: „Wenn die germanischen Überwinder Europas ein klassisches Buch ihrer Sprache wie die Araber den Koran, gehabt hätten; nie wäre die lateinische eine Oberherrin ihrer Sprache geworden, auch hätten sich viele ihrer Stämme nicht so ganz in der Irre verloren“, sowie „Ich empfehle allen, die ein großer Dichter und Literaturwissenschaftler werden wollen, dieses Buch zu lesen“.

Der junge Goethe hatte sich schon immer für die Dichtkunst interessiert. Er verbrachte noch einige Tage bei Herder, um sein Wissen zu erweitern und mehr über den Koran und die orientalische Kultur zu erfahren. Goethe lernte „die Poesie als die ewige Ursprache der Menschheit aufzufassen und sie in der hebräischen Dichtung des Alten Testaments, im Volkslied sowie in Shakespeare zu erkennen“. Nach dem Aufenthalt bei Herder versprach Goethe, den Koran zu studieren und sein Wissen über den Islam zu vertiefen.

Goethe hat sein gutes Verhältnis zum Islam Herder zu verdanken. Obwohl er seit seiner Kindheit mit den orientalischen Märchen aufwuchs, die seine Mutter ihm jeden Abend aus dem Märchenbuch „1001 Nacht“ vorlas, bekam er nie die Möglichkeit, sich mit den orientalischen Schriften zu beschäftigen. Dies macht er in seiner Autobiographie deutlich: „Denn das bedeutendste Ereignis, was die wichtigen Folgen für mich haben sollte, war die Bekanntschaft und die daran sich knüpfende nähere Verbindung mit Herder.“

Goethes Koranstudium

Er war von dem Gespräch mit Herder so fasziniert, dass er den Koran schon besaß, bevor er auf einer Messe erschien. Als er jedoch mit dem Koranstudium begann, wurde er sehr enttäuscht. Zum einen gab es sehr wenige deutsche Koranübersetzungen und zum anderen hatte ihm diese erste Übersetzung vom Arabischen ins Deutsche von Megerlin (übrigens mit dem Titel „Die Türkische Bibel“), nicht das gegeben, was er von Herder gewohnt war.

In den „Frankfurter Gelehrten Anzeigen“ schrieb Goethe zu dieser Übersetzung folgende Rezension: Diese elende Produktion wird kürzer abgefertigt [als zuvor erwähnte Bücher]. Wir wünschten, daß einmal eine andere unter morgenländischem Himmel von einem Deutschen verfertigt würde, der mit allem Dichter- und Prophetengefühl in seine Zelte den Koran läse, und Ahndnungsgeist genug hätte, das Ganze zu umfassen.“

Die Koranübersetzung von Megerlin war die erste Übersetzung, die aus dem Arabischen direkt übersetzt wurde. Goethe verstand die Absicht Megerlins nicht und verschaffte sich andere lateinische und englische Übersetzungen, die ihm viel mehr gefielen. In seinen Exzerpten ist zu sehen, dass er sowohl aus der Megerlenschen Übersetzung zitiert als auch aus englischen und lateinischen Übersetzungen. Doch welche Verse hat er sich notiert? Und weshalb?

Fortsetzung folgt inschallah :)