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Goethe und der Islam: Die Prädestinationslehre

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Für Goethe waren die Rationalität und die Philosophie die wichtigsten Mittel, um zur Erkenntnis Gottes zu gelangen. Diese Einstellung Goethes ist in seinem wichtigsten Werk „Faust“ auch zu erkennen, da er hier seinen Protagonisten und viele Nebenfiguren (Doktor, Wissenschaftler und Forscher) nachdenken und forschen lässt. Die wichtigste Aufgabe eines Menschen laut Goethe, sei es zu forschen, bis dieser an die Grenzen seiner Forschertätigkeit gelangt. Genau an diesem Punkt beginnt der Glaube an den einen Gott. „Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren.“  Der Glaube an den einen Gott heißt für Goethe, ihm zu vertrauen und seine Bestimmung so hinzunehmen, wie sie ist. Dieses Prinzip entsprach haargenau dem Denken Goethes, das er, noch bevor er sich mit dem Islam beschäftigte, in den Lehren Spinozas fand.

Dies ist ja nur eine Ermahnung für alle Welten. Für denjenigen unter euch, der aufrichtig sein will. Und ihr werdet nicht wollen, es sei denn, dass Allah will, der Herr der Welten. (81:27-29)

„Und was immer euch an Unglück trifft, es ist für das, was eure Hände erworben haben. (42:30)

Der Glaube an die Vorherbestimmung Gottes ist nicht nur in den Gedichten Goethes zu sehen, sondern auch in seinen persönlichen Briefen. In Anbetracht dieser Gedichte und Briefe lässt sich erschließen, dass der Glaube die Quelle seiner Lebensfreude war:

Was? Ihr mißbilliget den kräftigen Sturm

Des übermuts, verlogne Pfaffen!

Hätt‘ Allah mich bestimmt zum Wurm;

So hätt‘ er mich als Wurm geschaffen.

Hier ist erwähnenswert, dass Goethe untypisch statt Gott den arabischen Namen „Allah“ benutzt. Meines Erachtens möchte Goethe mit der Verwendung „Allahs“ auf den islamischen Vorsehungsglauben hinweisen.

Ein weiteres Gedicht, dass das Vertrauen zeigt:

Was machst du an der Welt? Sie ist schon gemacht,

Der Herr der Schöpfung hat alles bedacht.

Dein Los ist gefallen, verfolge die Weise,

Der Weg ist begonnen, vollende die Reise:

Denn Sorgen und Kummer verändern es nicht

Sie schleudern dich ewig aus gleichem Gewicht;

Als Goethes Schwiegertochter 1820 erkrankte, schrieb er im Brief an Carl Friedrich Zelter folgende Worte: „Weiter kann ich nichts sagen, als dass ich hier mich im Islam zu halten suche.“ Mit dem Begriff Islam verstand jedoch Goethe, sich in den Willen Gottes ergeben:

Närrisch, daß jeder in seinem Falle

Seine besondere Meinung preist!

Wenn Islam Gott ergeben heißt,

Im Islam leben und sterben wir alle.

Nach dem Auftreten der Cholera im Jahre 1831, woran viele Menschen starben, sehen wir, wie gottergeben er Schoppenhauer tröstet:  „Hier kann niemand den anderen rathen, beschließe was zu thun ist jeder bey sich. Im Islam leben und sterben wir alle.“

Selbst in seinen letzten Jahren, wo viele seiner Nächsten starben und er dadurch von starken Schwankungen getroffen wurde, zeigte er weiterhin ein sich dem Schicksal fügendes Verhalten: „Gott fügt wie er für gut findet, uns armen sterblichen bleibt weiter nichts als zu tragen“ oder „Wir leben, so lange es Gott bestimmt hat“.

Goethe vertraute in die Allmacht Gottes: „Das ist eben Gott, der hier unmittelbar mit seiner Allmacht eintritt.“ Wenn Gott einem Menschen etwas zufügt, dann auch nur weil er das Beste für ihn will. Es gibt keine Zufälle, alles ist in der Leitung des allsehenden, allhörenden und allwissenden Gottes. Es ist nicht leicht, die Vorherbestimmung hinzunehmen. Daher darf die Rolle des Gläubigen nicht heuchlerisch sein. Wenn er Gott vertraut, dann muss er ihm stets vertrauen. Im Blick auf die von Goethe notierten Verse lässt sich die Aussage Ursula Homann nur bewahrheiten: „Goethe war überaus empfindlich gegenüber aller Heuchelei“.

„Darin besteht eben nicht die Gerechtigkeit: wer recht glaubet an Gott, und an den jüngsten Tag, und an die Engel, an die Schrift, und Propheten: und wer ferner von seinem Vermögen gibt, um der Liebe Gottes Willen, seinen Verwandten, den Waisen, den Armen, den reisenden, Pilgrimen, den Bettlern, und den Gefangenen Sklaven zur Erlösung, wer auch das Gebet beständig verrichtet, sein Bündnis, hält, wo er Treue versprochen und der sich geduldig erweist in Widerwärtigkeiten, und Unglücksfällen, und zur Zeit der kriegerischen Gewalttätigkeit: solche sind die so wahrhaftig sind und Gott fürchten.“  (2/172)

„Die Heuchler – sind zweifelhaft zwischen beidem, und hangen weder diesen noch jenen recht an. Für den aber weichen Gott so in der Irre gehn läßt, wirst du gewiß keinen Weg finden.“  (4/142)