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Politik

Gericht droht Google mit Sperre – soziale Medien beugen sich dem staatlichen Druck

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Ein türkisches Gericht hat Google damit gedroht, es zu sperren, wenn es nicht Bilder von der Geiselnahme am 31. März löscht. Erst in der Nacht zum 07. April kam es zu einer Einigung in letzter Minute. Währenddessen haben sich andere soziale Medien dem staatlichen Druck gebeugt.

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Google Logo mit Handschnelle
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Das Erste Friedensstrafgericht in İstanbul hat in der Nacht vom 06. zum 07. April den Verband der Internetprovider der Türkei (ESB) angewiesen, die Suchmaschine Google zu sperren, sollten die Betreiber nicht auf die Forderung eingehen, Bilder der Geiselnahme des Staatsanwaltes Mehmet Selim Kiraz zu entfernen. Erst wenige Minuten vor Ende der Deadline um 1:30 Uhr nachts deutete Googles Anwalt in der Türkei Gönenç Gürkaynak via Twitter an, dass eine Übereinkunft zwischen den Behörden und dem Suchmaschinenriesen zustande gekommen sei. Kurz darauf verkündete eine Reihe von regierungsnahen Webseiten, Google sei den Forderungen nachgekommen.

Erneuter Feldzug gegen soziale Medien

Bereits früher am 6. April erließ das Gericht eine Anordnung an die Behörden, 166 Internetseiten zu blockieren, die die besagten Fotos enthielten. Darunter sind nicht nur viele türkische Nachrichtenportale, sondern auch die Social Media-Riesen Facebook, Twitter und YouTube. Alle drei weigerten sich zu Beginn, Inhalte zu löschen, beugten sich der Anordnung jedoch noch am Montagabend, nachdem der Zugang zu ihren Seiten gesperrt wurde.

Der zuständige Richter Bekir Altun rechtfertigte seine Anordnung damit, dass manche Internetseiten durch die Verbreitung der Bilder „Terrorismuspropaganda“ für die verbotene „Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front“ (DHKP-C) betreiben würden, die die blutige Geiselnahme mit drei Toten am 31. März durchführte. Altun beschuldigte diejenigen, die an der Verbreitung der Bilder mitwirken, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden.

Rechtfertigungen von Regierungsseite, harsche Kritik von Pressevertretern

Auch İbrahim Kalın, der Pressesprecher des Präsidenten, rechtfertigte den Beschluss damit, dass manche Medienhäuser agieren würden, „als ob sie terroristische Propaganda verbreiten“ und fügte hinzu „Das hat mit der Veröffentlichung des Bildes des Staatsanwalts zu tun. Was im Nachhinein (der Ermordung) passiert ist, ist genauso bitter wie der Vorfall selbst.“ Von Pressevertretern und in den sozialen Netzwerken selbst erklang hingegen harsche Kritik an der Vorgehensweise des Staates. Die Vorsitzende des türkischen Presserates Pınar Türenç kritisierte, dass diese Sperren und Restriktionen nicht mit einem demokratischen Land vereinbar seien und betonte, dass es sich um die größte Sperre dieser Art handele, die in der Türkei jemals durchgeführt wurde. Der Presserat würde zustimmen, dass die Bilder der Geiselnahme nicht derart exzessiv hätten verbreitet werden sollen, aber „man kann nicht die ganze Bibliothek schließen, nur weil sie ein paar verbotene Bücher enthält. Das wäre unvernünftig und irrational.“

Auch Mustafa Kuleli, der Generalsekretär des Türkischen Journalistenverbandes, stellte die Maßnahme in einen direkten Zusammenhang zur politischen Situation des Landes: „Autoritäre Regime nehmen soziale Medien allgemein oft ins Visier um sie unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Türkei hat diese Art der autoritären Regierungsführung in letzter Zeit übernommen.“ Mit Blick auf die Parlamentswahlen, die am 07. Juni anstehen, betonte er dabei, die Maßnahmen signalisieren mehr Druck und Einschränkungen sowohl für soziale Netzwerke als auch andere Medien im Vorfeld der Wahlen. „In einer Zeit, in der die Regierung die meisten Medienhäuser gekauft hat, ‚Pool Medien‘ eingeführt hat und Strafen gegen kritische Medienhäuser verhängt hat, sind soziale Medien die letzte Chance der Menschen, ihre Gedanken und Ideen auszudrücken. Deshalb sollten wir tun, was auch immer nötig ist, um soziale Medien zu schützen.“

Für die Staatsorgane scheint die Sperre indes nicht zu gelten. So umgingen mehrere hohe Institutionen wie der Kassationshof und sogar Recep Tayyip Erdoğans Präsidialamt die Twittersperre. Das Präsidialamt teilte ausgerechnet das Statement İbrahim Kalıns, das die Sperre rechtfertigte.