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Kolumnen

Die Grünen: Eine normale Partei mit Problemen

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Die Niederlage bei der Bundestagswahl hat zu einer umfassenden personellen Erneuerung bei den Grünen geführt. Ob die bis dato wenig bekannten neuen Gesichter der Partei ein Profil mit Wiedererkennungswert geben können, ist ungewiss. (Foto: dpa)

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Die neu gewählten Parteivorsitzenden der Grünen, Simone Peter und Cem Özdemir, geben am 21.10.2013 in Berlin nach der Sitzung des Bundesvorstands ihrer Partei eine Pressekonferenz.
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Die Grünen sind nicht wiederzuerkennen. Mit Simone Peter steht eine neue, bundesweit noch unbekannte Frau aus dem Saarland an ihrer Spitze. Altbekannte Gesichter wie Claudia Roth, Jürgen Trittin oder auch Renate Künast rücken ins zweite Glied. Ein Mann namens Anton Hofreiter führt die Bundestagsfraktion. Auch ihn kennt kaum jemand, obwohl er bereits seit 2005 im Bundestag sitzt und seit 2011 den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung leitet. Was hat er da nur die ganze Zeit gemacht, dass er in der Öffentlichkeit nicht weiter auffiel?

Und dann sind da noch der neben Peter mit einem mageren Ergebnis wiedergewählte Parteichef Cem Özdemir und die Spitzenkandidatin des Bundestagswahlkampfes, Katrin Göring-Eckart. Beide sind zwar bekannt, sorgten sich aber bislang mehr um die eigene Karriere als um das Fortkommen der Partei. Özdemir ist wohl überhaupt nur deshalb wiedergewählt worden, weil es keinen respektablen Gegenkandidaten gab. Ihm fehlen die Ideen, die Überzeugungen und die Kraft, eine Partei zu einen und anzutreiben.

Göring-Eckart wiederum trat in der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder vehement für neoliberale Projekte ein. Sie unterstützte die Liberalisierung des Arbeitsmarktes und der Finanzmärkte, half mit, die Unternehmen von Steuern und einem Teil der bis dahin je zur Hälfte gemeinsam mit den Arbeitnehmern gezahlten Sozialabgaben zu befreien.

Heute tut sie so, als hätte sie mit der Politik von damals rein gar nichts zu tun gehabt. Es ist schon erstaunlich, wie leicht dieser Frau, die immerhin noch bis September Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und somit Mitglied im Rat der EKD war, diese Lüge über die Lippen kommt. Aber das nur am Rande.

Von der „Anti-Staatspartei“ zur Partei der Kriegsherren

Seit ihrer Gründung im Januar 1980 in Karlsruhe haben die Grünen einen langen politischen Weg zurückgelegt. Sie kamen aus der Anti-Atom- und der Friedensbewegung. Sie waren im besten Sinne eine Graswurzelbewegung. Sie waren Opposition pur, anarchistisch und irgendwie sozialistisch. Wie anders sie waren und sein wollten, demonstrierten sie 1983 nach ihrer Wahl in den Bundestag, indem sie Blumen auf die Oppositionsbänke stellten. Sie trennten Parteiämter und Mandate und brachten das Rotationsprinzip in die deutsche Demokratie ein mit dem Ziel, dass sich kein Grünen-Politiker bequem in den öffentlichen Ämtern einrichten solle. Sie wollten die Anti-Staatspartei sein.

Gelungen ist es ihnen nicht. Am Ende erlagen auch sie den Verlockungen der Pfründe, mit denen der Parlamentarismus und die Parteipolitik hierzulande gesegnet sind. Sie warfen alle guten Vorsätze über Bord, wurden zu einer Partei wie alle anderen und mutierten obendrein von NATO-Gegnern zu der Partei, die erstmals seit 1945 wieder deutsche Soldaten in den Krieg schickte. Ihre Spitzenpolitiker legten Turnschuhe und Schnauzbärte ab, trugen fortan teure Anzüge und Kleider, waren also auch äußerlich von der bürgerlichen Konkurrenz in Form der CDU/CSU nicht mehr zu unterscheiden. Und ihr Übervater, der einst systemkritische Steinewerfer Joschka Fischer, machte seine Mitstreiter zu treuen Vasallen US-amerikanischer Interessen.

Nur an der Basis hielten immer noch einige die Sonnenblume hoch, das Symbol aus den Gründerjahren, das bis heute an die einst hehren Ziele in der Umwelt- und Friedenspolitik erinnert. Doch auch „ganz unten“ wandelten sich die Grünen. Ein Großteil ihrer Anhänger war nach dem Studium längst in gut dotierte Ämter aufgestiegen, führte Anwaltskanzleien oder Arztpraxen. Bei ihnen konkurrierte nun der Idealismus von einst mit den realen fiskalischen Interessen der Gegenwart.

Wenig Hoffnung für die Zukunft

Lediglich in den abgehängten Landstrichen rund um die alten Kampfgebiete der Anti-Atom-Bewegung wie dem Wendland oder etwa in Schleswig-Holstein überlebte der Geist der frühen Jahre. Dort ist ihr Selbstverständnis am ehesten immer noch das einer außerparlamentarischen Opposition. Der Einfluss dieser Kräfte in der Partei hingegen ist verschwindend gering.

Wer also sind diese Grünen, die nun mit dem nichtssagenden Cem Özdemir, der wendigen Katrin Göring-Eckart und der freundlichen Simone Peter in die Opposition ziehen? Sie sind eine Partei mit Vergangenheit, mit einer noch kurzen, aber ungeheuer aufregenden Geschichte. Sie waren die „Partei der Bürgerrechte, der Emanzipation und der offenen Gesellschaft“, das hat Peter ganz richtig gesagt. Aber sind sie das heute noch? Und wenn ja, wie wollen sie dieses Selbstbild so glaubhaft begründen, dass der Wähler wieder imstande ist, in ihnen eine eigenständige, von allen andern deutlich unterscheidbare politische Kraft zu sehen?

Die neue Grünen-Spitze hat nun vor allem eine Aufgabe: Sie muss der Partei einen Wiedererkennungswert verschaffen. Es sieht allerdings nicht so aus, als wenn das den Leuten, die jetzt vorne stehen, gelingen könnte.