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Gesellschaft

Grund- und Menschenrechte sind nicht verhandelbar

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In einem Interview mit der in Arbil erscheinenden kurdischen Zeitung „Rudaw“ betonte Fethullah Gülen, dass in Sachen Grundrechte und –freiheiten kein Kompromiss eingegangen werden dürfe.

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Grund- und Menschenrechte sind nicht verhandelbar
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„Bildung in der eigenen Muttersprache ist auch für Kurden ein Grundrecht“, stellte der seit 1999 im US-amerikanischen Bundesstaat Pennsylvania ansässige Gelehrte klar. Und er sieht für seine türkische Heimat eine besondere Verantwortung im Umgang mit ihrer größten ethnischen Minderheit: „Die Türkei sollte weltweit eine wichtige Rolle zum Schutz der Rechte der Kurden übernehmen.“

„Das Sicherstellen der Bildung in der Muttersprache sei für den Staat eine Frage der Gerechtigkeit gegenüber seinen Bürgern“, betonte Gülen gegenüber „Rudaw“ und in Sachen Grundrechte und –freiheiten könne kein Kompromiss eingegangen werden.

Auch zum Friedensprozess in der Türkei, die Entwicklungen im Nahen Osten und die Hizmet-Aktivitäten im Gebiet beantwortete Gülen dem kurdischen Journalisten Rebwar Kerim dessen Fragen. „Es liegt außerhalb unserer Entscheidungskraft, ob wir türkischer oder kurdischer Herkunft sind“, so Gülen.

Der Schlüssel zur Lösung sei es, jedem in einer geschwisterlichen Haltung dasselbe zu wünschen, was man selbst für sich selbst wünscht. Das Sicherstellen von Bildung in der Muttersprache sei für den Staat eine Frage der Gerechtigkeit gegenüber seinen Bürgern. Nach deren gesetzlicher Sicherstellung könnten auch weitere in der Praxis auftauchende Probleme angesprochen werden, so Gülen.

Die Türkei müsse eine offene Türe für die Öffnung der Kurden zur globalisierten Welt sein. Gülen gab zum Ausdruck, dass Türken sich, noch vor den Kurden selbst, um die Kurdenfrage kümmern sollten.

Umarmen und Geduld

„Wir sollten zivile Aktivitäten unterstützen, die es sich nachhaltig zum Ziel setzen, die seit Jahrzehnten andauernden Tränen zu trocknen und das Blutvergießen zu beenden“, betonte der Prediger. Ebenfalls sollten alle Beteiligten daran arbeiten, dass Ereignisse aus ihrer Vergangenheit eine gemeinsame Zukunft nicht verhindern. Es sei unerlässlich für beide, mit breitem Horizont und Vernunft konstruktive Aktivitäten und Projekte zustande zu bringen.

Gülen begründet dies nicht zuletzt aus der islamischen Tradition heraus: „Aufrichtigkeit, gegenseitige Achtung, Schätzung und Respekt und – wie es in einem Hadith unseres Propheten heißt – „für seine Geschwister zu wünschen, was man für sich selbst wünscht“, ja sogar das Achten und Bevorzugen des Gegenübers auf Kosten unserer eigenen Interessen, so wie es die el-Ansar in Medina zu Zeiten des Propheten vorbildlich gezeigt und gelebt haben; all diese Tugenden werden dafür sorgen, dass die Wurzeln der Probleme verfaulen und austrocknen werden. Türkische sowie kurdische zivilgesellschaftliche Organisationen und NGOs sollten versuchen, die Menschen auf einer solchen Basis zur Einheit und Solidarität zu verhelfen. Fürchten sollten wir uns nur vor verletzenden Worten und Taten, mit Geduld, Vernunft und einer umarmenden Haltung sollten wir hingegen an die Sache rangehen. Jeder sollte möglichst vorsichtig, zurückhaltend agieren und Provokationen vermeiden.“ Probleme könnten niemals mit Slogans, Wut, Aggression und dem Zerstören von öffentlichem Eigentum gelöst werden. Nicht mit Verbrennung, Zerstörung und Geschrei, sondern mit Weisheit, Weitsicht und Empathie sollte man an die Sachen herangehen, äußerte Gülen weiter – und stellte damit auch eine gedankliche Verbindung zu den Protesten von Taksim her.

Beide Seiten sollten die Emotionen des Gegenübers respektieren

Wirtschaftliche, soziale, kulturelle und spirituelle Beziehungen sollten gemeinsam mit der Sicherheitslage Schritt für Schritt verbessert werden. Die von Kurden bewohnten Regionen sollten zu sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Anziehungsknoten entwickelt und die Attraktivität der Bildung in diesen Gebieten sollte erhöht werden, so Gülen weiter. Arbeitslose, schwache und bildungsferne Menschen sollen sich nicht mehr als Menschen zweiter Klasse wahrnehmen müssen. Prinzipien der Brüderlichkeit, Gerechtigkeit und Gleichheit sollten beachtet und verletzende, beleidigende Worte und Taten vermieden werden.

Provokationen mit dem Ziel Unfrieden zu stiften sowie Kämpfe, Drohungen und Konflikte zu erzeugen, welche auf einer ethnischen und konfessionellen Grundlage beruhen, sollten ignoriert werden. „Ideologische Propaganda hat bei uns keinen Platz“, betonte Gülen.

„Samen des Aufruhrs in unserer Region sollten in besonderer Wachsamkeit erkannt werden. Denn dieses Volk kann nicht noch mehr Aufruhr ertragen. Völker des Nahen Ostens haben im Gegensatz zum Zeitalter der Moderne starke historische und traditionelle Werte, die das friedliche Zusammenleben sicherstellen und bekräftigen können. Jahrhundertelang pflegten Kurden, Türken, Araber, Christen, Muslime und Juden eine Kultur des Zusammenlebens. Diese Werte sollten mithilfe pädagogischer Modelle und zivilgesellschaftlicher Organisationen wiederentdeckt, wiederbelebt und ins praktische Leben umgesetzt werden.“

Menschenrechte und Freiheiten verlieh uns Gott, der Allmächtige

Hierbei sei ein sehr wichtiger Punkt, dass Rechte und Freiheiten keine Phänomene seien, die von einer höheren menschlichen Instanz den Menschen gewährt werden oder die die Menschen sich hart erkämpfen müssten, um sie zu erhalten. Diese wurden uns vielmehr von Gott, dem Allmächtigen, verliehen, dem Einen, der uns erschaffen hat und uns jede Sekunde vor der Nicht-Existenz bewahrt und uns Leben schenkt. Selbst Propheten und alle anderen Menschen sind sich gleich, alle. „Bevor wir diese Gleichheit überhaupt anerkennen, kann weder von einer Gerechtigkeit noch einem Gesetz die Rede sein. Aus diesem Grund sollten Worte und Taten vermieden werden, die den Eindruck erwecken könnten, Grundrechte und –freiheiten würden nur gnadenhalber gewährt. Denn in diesen kann kein Kompromiss mit anderen Werten eingegangen werden. Auf der anderen Seite ist es besonders wichtig, sich besonders von Gewaltanwendung und Grenzüberschreitungen fernzuhalten, für welche Zwecke auch immer.“

Schmerzhafteste Zeit der Geschichte für die islamische Welt

Die gesamte islamische Welt durchlaufe derzeit eine der qualvollsten und schmerzhaftesten Zeiten ihrer Geschichte, betont Gülen. Überall seien Unwissenheit, Ignoranz, Armut und Streitigkeit bzw. Uneinigkeit die Hauptprobleme, begleitet von Betrug, Täuschung, gegenseitigem Misstrauen, Feindseligkeit, Tyrannei und Unterdrückung im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben. Individuellen Potenzialen und Talenten werde keine Möglichkeit zum Aufblühen geboten und persönlichen Interessen eher Beachtung geschenkt. Araber, Türken, Kurden etc. sollten sich dieses Problems bewusst werden und darauf bedacht sein, Lösungswege zu finden.