Connect with us

Kolumnen

Kriegssimulation für zu Hause

Spread the love

Das plötzliche Ausrasten aus nichtigem Anlass gehört zum „Spiel des Lebens“ – bei GTA V wie in Kriegen im Irak oder Syrien. Die Lobhudelei auf das neue Computerspiel stößt nicht überall auf Zustimmung. (Foto: rtr)

Published

on

GTA V ist seit dem 17. September auf dem Markt und ein Kassenschlager wie kaum ein anderes Computerspiel zuvor.
Spread the love

Seit letzter Woche gibt es das neue Grand Theft Auto auf dem Markt, die PC-Version wird nicht lange auf sich warten lassen. Die Fans fiebern dem Ausbau der alten Spielererfahrungen entgegen: noch schnellere Straßenrennen, noch mehr Sex & Crime und noch perfidere Figuren.

Der Spiegel-Rezensent schwärmt von Trevor, der in seinem Wahnsinn eigentlich ein aktuelles Trauma aufgreift – das des Kriegsveteranen, der beim Töten bleibt. Und dies unberechenbar und zynisch, brutal und jähzornig. Die große Gangsterwelt umfasst alles vom Kleinkriminellenmilieu bis hin zum groß erträumten genialen Coup, der dann aber doch häufig scheitert und in blanker Gewalt endet. Ein bisschen Gesellschaftskritik soll auch dabei sein, aber im Großen und Ganzen bleibt das Zuschlagen die Befreiung – oder die Beklemmung.

Die meisten Elemente dürften einem aus der Berichterstattung bekannt vorkommen. Ähnlichkeiten und Analogien sind sicher rein zufällig, aber wohl doch unvermeidbar. Denn woher soll sie kommen, die Inspiration der Spieleprogrammierer? Alles, was hier grafisch aufwändig aufbereitet wird, gibt es in den allgemeinen Medien auch so: Frauen sind wie stets unterrepräsentiert oder werden mit Ach und Krach an das angepasst, was man „Männerwelt“ nennt; Amokläufe und andere vermeintlich spontane Gewaltexzesse vom Krieg bis zu Schlägereien in U-Bahnstationen können im Simulator nachempfunden werden. Oder werden sie hier geradezu trainiert?

Alles ist sowieso schon mal dagewesen, in GTA IV und vielen anderen Games des Genres, aber hier nun soll es noch viel größer, präziser, perfider und eindrücklicher sein. Das plötzliche Ausrasten aus nichtigem Anlass gehört dabei zum „Spiel des Lebens“ – bei GTA V wie in Kriegen wie im Irak oder Syrien und neuerdings auch hier auf den Straßen oder eben in den Wartehallen Deutschlands.

Plötzliches Ausrasten aus nichtigem Anlass

Alles kein Problem? Gibt es doch eine Altersfreigabe nur für Erwachsene. Nun, wer sagt, dass Menschen jenseits der 18 nicht beeinflussbar wären? Sprich: wir alle. Und beinhaltet die Indikation des Spiels nicht den Reiz des Übertretens? Letzteres belegt die neue Nutzungsstudie von Dr. Rudolf Weiß für Call of Duty Black Ops 2, die zeigt, wie weit das Spiel unter 14-Jährigen verbreitet ist – es hat auch eine Indikation ab 18: nachzulesen auf dem Blog des Vereins gegen Mediengewalt. Dort heißt es u.a.: „Mindestens zwei von drei Jungen der befragten Schüler im Alter von 14 Jahren aus Haupt-, Werkreal- und Realschulen sowie aus Gymnasien und Förderschulen haben bereits Erfahrungen mit dem neuen Mainstreamshooter Call of Duty-Black Ops2, der keine Jugendfreigabe hat.“

Wollen wir das? Warum überlässt es die aufgeklärte Gesellschaft, dass derlei Fehlentwicklungen von der Industrie implementiert werden? Deren Folgekosten wird nicht die gewinnorientierte Industrie tragen, sondern werden die Steuerzahler begleichen: Psychotherapien, Kuraufenthalte, Antigewalttrainings, Suchtprävention und dergleichen mehr. Eine demokratische Gesellschaft sollte doch diskutieren und bestimmen können, welche gesellschaftlichen Werte sie verbreitet sehen möchte.

Die viel gelobte Medienpädagogik ist jedenfalls kein Ausweg. Sie wird vor allem von der gleichen Industrie propagiert, die suggeriert, dass der möglichst frühe Zugang zur Technik alle Probleme lösen würde. Das kann sich leicht als Falle erweisen und zu einem noch früheren Konsum nicht bildungsfördernder sondern gewalthaltiger Medienprodukte führen, wie es die Fernsehnutzung ja bereits vorführt.