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Kolumnen

„Gülen-Netzwerk öffne Dich!“

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Kritiker des Gülen-Netzwerkes fordern mehr Transparenz, mehr Offenheit. Aber die Offenheit, die sie fordern, zeigen sie selber nicht. Eine Kritik an der Gülen-Netzwerk-Kritik der letzten Tage. (Foto: zaman)

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„Gülen-Netzwerk öffne Dich!“
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Das Gülen-Netzwerk steht – mal wieder – im Fokus einiger deutscher Medien. Oder sollte man doch besser sagen in der Kritik? Denn der Begriff Kritik gibt die Situation eigentlich besser wieder. Und der Grund? Hat das Gülen-Netzwerk etwas verbrochen? Hat es sich verdächtig gemacht, die Gesetze missachtet, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik polemisiert? Oder gar Hass und Misstrauen gegen andersdenkende oder andersgläubige Bevölkerungsteile gesät, gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen?

Nein, nein, nein. Nichts davon trifft zu. Sie hat lediglich die Deutsch-Türkischen Kulturolympiaden veranstaltet, bei denen türkische und deutsche und Schüler anderer ethnischer Herkunft Gedichte und Lieder vortragen, und zwar auf Deutsch und Türkisch. Türkische Kinder singen deutsche Lieder, deutsche Kinder tragen Gedichte auf Türkisch vor. Aber wenn hinter solchen Aktivitäten Muslime stehen, die mit ihrer Religion nicht gebrochen haben, ist das für manche schon ein Grund, misstrauisch zu werden und die Menschen hinter solchen Aktivitäten erst einmal vorsichtshalber verdächtig zu machen.

Vorsichtshalber beim Verfassungsschutz anrufen

Man ruft beim Verfassungsschutz an, ob denn gegen diese Menschen nichts vorliegt. Man fragt den Staatsschutz, ob denn diese Gruppe doch nicht beobachtet werden sollte für den Fall der Fälle. Denn, man kann ja nicht vorsichtig genug sein und mag auch Vertrauen gut sein, Kontrolle ist bekanntlich besser. Man fragt die Nachbarn, den Vermieter, ob sie denn nichts gegen Personen, die mit ihnen in Verbindung gebracht werden, doch nichts in der Hand haben, die manche Verdächtigungen erhärten könnten. Man spricht mit religiösen und ethnischen Gruppen, die sich gegen diese Menschen äußern. Bekanntlich sind ja diejenigen am objektivsten, die gläubige Muslime kritisieren.

Sind die Recherchen zu Ende, hat man alle W-Fragen bezüglich der Gülen-Gruppe beantwortet, setzt man sich hin und schreibt kluge Berichte und Kommentare. Es ist die Rede von einer „Wand aus Schweigen, Angst und Einschüchterung“, denn solche Begriffe sind in Bezug auf Muslime immer korrekt, immer angebracht. Sie zeigen, man ist auf der richtigen Seite, man ist auf der Hut. Man beklagt fehlende Geschlechtergleichheit, mangelnde innere Meinungsfreiheit. Auch diese Argumente sind stets angebracht. Denn solange nicht alle muslimischen Frauen das Kopftuch abgelegt haben, wird dieses Argument vorzubringen sein.

Frauen können die Karriere bevorzugen, sich gegen Kinder entscheiden, Erlösung in fernen buddhistischen Klöstern suchen, sich für eine eheähnliche Gemeinschaft mit einer anderen Frau entscheiden. Die moderne Frau ist emanzipiert, hat den Mut, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen. Die Frau kann sich auch gegen das Kopftuch entscheiden. Das ist ihr gutes Recht. Das zeigt ihre Klugheit. Aber sich für das Kopftuch entscheiden, nein, da hört der Spaß auf. Schließlich ist auch die Freiheit nicht unbegrenzt, sie hat auch irgendwo ihre Grenzen.

Wie offen sind die, die Offenheit fordern?

Und dann fordert man vom Gülen-Netzwerk mehr Offenheit, mehr Transparenz und schreibt so kluge Sätze wie: „Solange das Gülen-Netzwerk nicht mehr Einblicke in sein Denken gibt, ist das Wohlwollen der Politik fehl am Platze.“ Richtig! Aber wie soll das gehen? Wie gibt man Einblick in sein Denken? Im Film Hannibal öffnet der Kannibale Hannibal den Schädel eines Polizisten, sodass seine Gehirnmasse zu sehen ist. Das kann wohl nicht gemeint sein. Was dann? Die Bücher, die Fethullah Gülen schreibt, stehen jedermann zur Verfügung, genauso wie auch die Übersetzungen in deutscher und englischer Sprache. Wenn sich der Journalist oder die Journalistin, der darüber schreibt, der türkischen Sprache nicht mächtig ist, sich aber auch nicht die Mühe macht, die Übersetzungen zu lesen, wie soll man dann Einblick in sein Denken geben?

Diese Frage ist wohl für Normalbegabte eine eindeutige Überforderung! Trotzdem möchte man Forderungen nach mehr Transparenz eine gewisse Berechtigung nicht absprechen. Mehr Transparenz – warum nicht. Solange man diesen Begriff bis zur totalen Entblößung nicht überstrapaziert, kann man ihn unterschreiben. Aber gehört denn nicht dazu auch ein gewisses Wohlwollen, eine gewisse Akzeptanz? Ist es nicht unfair, schon bei einer Veranstaltung einer Kulturolympiade den Staatsschutz anzurufen allein aufgrund der Glaubenszugehörigkeit der Veranstalter, und danach mehr Offenheit zu fordern? Wie offen sind denn die, die Offenheit fordern?