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Politik

Hätte man den Anschlag in Istanbul verhindern können?

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Schon wieder erschüttert ein schwerer Anschlag die Türkei. Dieses Mal muss sich die Regierung aber mehr denn je fragen lassen, ob sie ihn nicht hätte verhindern können. Denn konkrete Hinweise gab es offensichtlich und ausgerechnet deutsche Behörden hatten schon Vorkehrungen getroffen.

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Polizisten nach Anschlag in Istanbul
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KOMMENTAR Die Sicherheitslage in der Türkei wird immer angespannter. Erneut hat sich ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt und Unschuldige mit in den Tod gerissen. Und erneut konnte er das mitten im Zentrum einer Millionenstadt tun. Ob auf dem zentralen Kızılay-Platz in Ankara, im Regierungsviertel, vor der weltberühmten Blauen Moschee oder mitten im Zentrum des Istanbuler Stadtlebens: Die türkischen Sicherheitsbehörden sind nicht in der Lage, die touristischen und urbanen Zentren des Landes davor zu schützen, dass in ihnen fast einmal im Monat Unschuldige durch Bomben getötet werden. Und auch dieses Mal wird kein Politiker dafür die Verantwortung übernehmen.

Natürlich gibt es niemals hundertprozentige Sicherheit vor Terroranschlägen. Aber zu behaupten, die Sicherheitsbehörden hätten nichts gegen den letzten Anschlag in Istanbul tun können, ist dieses Mal unglaubwürdiger denn je.

Bereits am Donnerstag hatte das Auswärtige Amt beschlossen, deutsche Auslandsvertretungen bis zum Montag zu schließen – darunter das Generalskonsulat und die Deutsche Schule, die beide in unmittelbarer Nähe der Istiklal liegen. Grund waren „sehr konkrete Hinweise“ auf einen unmittelbar bevorstehenden Anschlag. Besonders pikant: Diese Hinweise waren unter anderem vom türkischen Geheimdienst MİT gekommen. Die Reaktion der türkischen Behörden auf die deutsche Entscheidung: trotzig und arrogant.

Mit den Sicherheitsmaßnahmen des Auswärtigen Amtes würde man nur die Stimmung im Land missbrauchen und weiter Angst schüren. Sie würden die Öffentlichkeit „in einem negativen Sinne beeinflussen“. Stattdessen solle man sich doch auf den türkischen Staat verlassen, der mit „seiner tausendjährigen Staatserfahrung“ in der Lage und entschlossen sei, sich mit jeder erdenklichen Gefahr auseinanderzusetzen. Das ist ganz offensichtlich nicht der Fall. Stattdessen wurden Ermittlungen gegen die Deutsche Schule eingeleitet, weil ihre Schließung nicht mit den türkischen Behörden abgesprochen gewesen sein soll.

Wie kann es sein, dass deutsche Behörden angesichts einer konkreten Bedrohungslage in der Türkei Maßnahmen ergreifen, türkische aber nicht? Wie kann es sein, dass das deutsche Außenministerium die Sicherheitslage in der Türkei offenbar besser einzuschätzen weiß als die türkischen Sicherheitsbehörden?

Es ist ja nicht so, dass Geheimdienst und Sicherheitskräfte in der Türkei zu wenige Befugnisse hätten, eher das Gegenteil ist der Fall. Aber die Regierung setzt Antiterroreinheiten dazu ein, Razzien in Kindergärten und Schulen durchzuführen, während sich Terroristen von IS und TAK in Ruhe auf ihre Attentate vorbereiten können. Und gewiss sind diese auch die Hauptschuldigen für die furchtbaren Ereignisse, die das Land erschüttern.

Aber anstatt anzukündigen, bald rechtliche Grundlagen dafür zu schaffen, dass auch Journalisten, Akademiker und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen zu Terroristen erklärt werden können, nur weil sie sich kritisch zur AKP-Politik äußern, sollte die Regierung ihre Kräfte endlich auf die konzentrieren, die tatsächlich Menschen nach dem Leben trachten. Denn es muss ernsthaft daran gezweifelt werden, dass der türkische Staat wirklich alles tut, um seine eigenen Bürger zu schützen.