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Gesellschaft

Hamburg: Aus Kirche wird Moschee – mit Hilfe aus Kuwait 

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Weder die Anwohner noch die Architektur stehen dem Umbau einer Hamburger Kirche in eine Moschee im Wege. Eher sind es die Kosten. Nun aber hat das Islamische Zentrum Al-Nour einen potenten Sponsoren gefunden.

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Al-Nour-Moschee Hamburg
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Auf dem Turm der ehemaligen Kapernaum-Kirche in Hamburg-Horn glänzt seit diesem Sommer der arabische Schriftzug „Allah“ in der Sonne. Im Kirchenschiff leuchten die bunten Glasfenstersteine. An der Ostseite scheinen sie sich zu einem leuchtenden Kreuz zusammenzufügen. „Das müssen wir fachmännisch von innen etwas unkenntlich machen, aus Rücksicht auf die Gefühle der betenden Muslime“, sagt der Vorsitzende des Islamischen Zentrums Al-Nour, Daniel Abdin. Die Glasfenster werden aber bleiben, versichert der 52-Jährige. Das Gebäude stehe unter Denkmalschutz. „Außen Kirche, innen Moschee“, so lautet das Motto des gebürtigen Libanesen.

Das Islamische Zentrum Al-Nour hat die leerstehende Kirche 2012 gekauft, für annähernd eine Million Euro. Seitdem laufen die Umbauarbeiten zu einer Moschee. Das ehemalige Kirchenschiff hat bereits eine neue Empore für Frauen und eine Gebetsnische für den Imam, die im Rohbau fertig ist. Der Boden besteht noch aus nacktem Beton. Er soll mit Teppichen bedeckt werden, darunter kommt eine Fußbodenheizung. Die glatten Wände werden hell gestrichen und mit islamischer Schriftkunst verziert. Zum Frühjahr nächsten Jahres soll der Umbau fertig sein, hofft Abdin.

Die evangelisch-lutherische Kirche aus dem Jahr 1961 wurde von dem Architekten Otto Kindt (1909-2006) errichtet. Damals wurden in Hamburg zahlreiche Kirchen gebaut. Die Kapernaum-Kirche fällt jedoch durch ihre besondere Architektur auf, eine Kombination aus roten Backsteinwänden und Betonflächen, die durch rautenförmige Öffnungen und Fenster aufgelockert werden. Das Islamische Zentrum hat inzwischen einen maroden Vorbau abreißen lassen und will ihn durch eine Konstruktion ersetzen, die das nahezu ovale Hauptgebäude mit dem Turm verbindet. Die geplanten islamischen Verzierungen fügen sich erstaunlich gut in die Rautenstruktur der ehemaligen Kirche ein, wie die Pläne zeigen.

Für Christen ist der Name Kapernaum klangvoll. Der Bibel zufolge wohnte und wirkte Jesus in dem Ort am See Genezareth. Wer in der Kirche getauft, konfirmiert oder getraut wurde, empfindet Wehmut, wie die Horner Pastorin Susanne Juhl sagt. „Die Kapernaum-Kirche ist schon etwas besonderes.“ Juhl hielt am zweiten Weihnachtsfeiertag 2002 den letzten Gottesdienst in der Kirche. „Das war einfach traurig“, erinnert sie sich. Aber man müsse realistisch sein. Die nötigen 1,5 Millionen Euro für die Sanierung waren einfach nicht da.

Die Kirche wurde 2005 an einen Privatinvestor verkauft. Pläne, das Gebäude als Kita zu nutzen, zerschlugen sich. Es stand gut zehn Jahre lang leer. Dann entdeckte Abdin das Verkaufsangebot – im Internet. „Im ersten Moment war es natürlich etwas überraschend“, sagt Juhl. Das offene Vorgehen des Islamischen Zentrums, das einen „Dialog auf der Baustelle“ organisierte, habe jedoch das Verständnis gefördert. Und dass demnächst wieder in dem Gebäude zu Gott gebetet werde, sei „auch eine gute Sache“. Der Sprecher des Kirchenkreises Hamburg-Ost, Remmer Koch, betont, dass die Horner Gemeinde den Verkauf an das Islamische Zentrum von Anfang an positiv sah. „Die von Medien erwartete Empörung ist ausgeblieben“, stellt er fest.

Die evangelische Nordkirche hat 2007 in einer Rechtsverordnung festgelegt, dass Kirchen nicht an nicht-christliche Religionsgemeinschaften – mit Ausnahme der jüdischen Gemeinden – verkauft werden dürfen. „Der Umbau der ehemaligen Kapernaum-Kirche zu einer Moschee ist daher aus unserer Sicht ein Sonderfall“, erklärt Kirchensprecher Stefan Döbler. Als die Verordnung erlassen wurde, war die Kirche bereits im Besitz eines Hamburger Kaufmanns.

Auch Abdin hatte das Geld für den Kauf und die Sanierung des Gebäudes nicht gleich parat. Aber das Al-Nour-Zentrum, das damals 700 Mitglieder zählte und bis heute nur eine ehemalige Tiefgarage im Stadtteil St. Georg zum Beten hat, war schon mehrere Jahre auf der Suche nach einem würdigen Gebetsraum. Es kamen viele private Spenden zusammen.

Die Sanierung und der Umbau erwiesen sich als erheblich teurer als gedacht. Abdin, selbst Kaufmann von Beruf, hatte mit einer Million Euro gerechnet, jetzt kostet die Sanierung voraussichtlich 2,5 Millionen. Ein Großteil dieser Summe – rund 40 Prozent – kommt aus Kuwait. „Wir haben uns an den kuwaitischen Staat gewandt“, sagt Abdin, der auch Vorsitzender der Schura, des Rates der islamischen Gemeinden in Hamburg, ist. Warum an Kuwait? „Der kuwaitische Staat ist einer der demokratischsten in der Golfregion.“ Und was erwartet das Emirat von Al-Nour im Gegenzug? „Es gibt null Bedingungen“, versichert Abdin.

In dem ruhigen Wohnviertel in Horn will das Al-Nour-Zentrum zurückhaltend auftreten. Es werde keine Gebetsrufe eines Muezzins vom ehemaligen Kirchturm geben, sagt Abdin. „Im Zeitalter des iPhones weiß jeder auf die Sekunde genau, wann Gebetszeit ist, da muss man nicht die Nachbarschaft vergraulen.“

Auch der Turm soll sich nicht in ein triumphales, über 40 Meter hohes Minarett verwandeln. „Das wäre Euphorie, und Euphorie wäre hier fehl am Platz.“ Dennoch ist der Al-Nour-Vorsitzende davon überzeugt, dass die neue Moschee eines der markantesten islamischen Gotteshäuser in Hamburg sein wird. (dpa/dtj)