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Gesellschaft

„Handeln statt Misshandeln”

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Die Zahl alter Menschen, die Opfer von Gewalt werden, erschreckt. Eine Initiative in Siegen zählt jedoch weniger Fälle blauer Flecken, sondern mehr Fälle von Verwahrlosung und subtiler Gelderpressung. (Foto: dpa)

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Lange Zeit trug ein intaktes Bevölkerungswachstum zum Aufstieg der Türkei bei. Mittlerweile bricht der Bevölkerungspyramide zunehmend das Fundament weg.
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Am Welttag gegen Diskriminierung und Misshandlung alter Menschen fordern Initiativen mehr Beachtung für dieses Tabuthema. Dabei greife es zu kurz, Gewalt gegen alte Menschen auf blaue Flecken zu reduzieren: Wenn wir von Gewalt gegen alte Menschen reden, meinen wir längst nicht mehr nur die körperliche Gewalt”, sagt Karin Kulik von der Siegener Initiative „Handeln statt Misshandeln” (HSM) gegen Gewalt im Alter im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Formen psychischer Gewalt wie die Drohung, die hilflosen Menschen alleinzulassen und Verlustängste zu schüren, müssten ebenso ernst genommen werden.

In der Beratungsarbeit begegne sie Menschen, die in verwahrlosten Wohnungen lebten, weil sich ihre Kinder von der Aufgabe, die Eltern zu pflegen, überfordert fühlten: Keine Zeit, Stress im Job und dann noch eine kranke Mutter pflegen – das könne Angehörige in Ausnahmesituationen treiben. Schlimmstenfalls komme es zu Gewalt. Streit könne auch deshalb eskalieren, weil einige Senioren Hilfe bockig ablehnten: „Sie igeln sich in ihrem Zuhause ein. Das bedeutet ganz viele Gespräche, ganz viel Arbeit, damit sie sich überwinden, rauszugehen, Hilfe anzunehmen.”

„Sieh´zu, wie du damit fertig wirst”

Kulik berichtet auch von Fällen, in denen Senioren von ihren Kindern dazu überredet wurden, ihnen Haus und Geld zu überlassen – sonst dürften sie die Enkel nicht mehr sehen oder müssten ins Heim. Ein anderes Beispiel für Gewalt gegen alte Menschen sei das Wegsperren Demenzkranker, damit diese nicht allein aus dem Haus gehen. „Auch Fixierungen sind ein großes Thema” – dass Leute ans Bett gefesselt würden, sei in Pflegeheimen nur noch selten ein Problem.

Ihr erster Beratungsfall ist Kulik besonders in Erinnerung geblieben: Nach einem Schlaganfall konnte eine alte Frau nicht ohne Hilfe kochen oder essen. Sie lebte in einer Einliegerwohnung bei ihrem Neffen. „Der knallte ihr das Essen auf den Tisch – nach dem Motto: Sieh‘ zu, wie du damit fertig wirst”, erzählt Kulik. Wenn sie sich bekleckerte, trat der Neffe mit dem Fuß nach ihr – „das war schon ganz schlimm”. Die Frau hörte im Radio von der HSM, rief dort an und bekam Hilfe. „Sie zog zu ihrer Schwester ins Heim. Alleine wäre sie aus dieser Situation sicher nicht rausgekommen”, sagt Kulik. (dpa/dtj)