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Politik

Henkel will mit der AfD nach Straßburg – und die Türkei in der EU sehen

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Seit gestern ist der frühere BDI-Präsident und Industrielle Hans-Olaf Henkel offiziell Mitglied der eurokritischen „Alternative für Deutschland“ (AfD). Interessant sind vor allem seine Positionen zu einem möglichen EU-Beitritt der Türkei.

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Der Vorsitzende der Partei Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke (l), übergibt dem früheren Industrie-Präsidenten Hans-Olaf Henkel am 14.01.2014 während einer Pressekonferenz in Berlin den Mitgliedsausweis für die Partei. Der 73-jährige Manager will im Mai 2014 auf einem vorderen Listenplatz für die Europawahl antreten.
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Der aus Hamburg stammende Hans-Olaf Henkel (re.) war Manager bei IBM, Präsident des BDI und Präsident der Leibniz-Gemeinschaft. Über lange Zeit hinweg galt er als entschiedener Unterstützer der FDP. Dies änderte sich schlagartig, als die Eurokrise ihre Schatten vorauswarf und der Versuch des Abgeordneten Frank Schäffler, die Partei zu einer kritischen Position gegenüber der Rettungsschirmpolitik der Bundeskanzlerin zu bewegen, scheiterte.

Mit der Gründung der AfD sei, so Henkel, zum ersten Mal eine Partei auf die Bühne getreten, die sich zu Alternativen zum Einheitseuro bekenne.

„Mit meinem Betritt will ich nicht nur ein Signal an gleichgesinnte liberale Wähler für die kommende Europawahl senden, ich will auch einen Betrag dazu leisten, dieser Partei ein liberales Profil zu geben“, erklärte Henkel. Er werde sich in dieser Partei besonders in der Europapolitik für die Abkehr von Zentralismus, Gleichmacherei und Vergemeinschaftung von Schulden und für die Rückkehr zu Subsidiarität, Wettbewerb und Eigenverantwortung einsetzen, heißt es weiter in einer Presseerklärung.

Es ist davon auszugehen, dass Henkel einen sicheren Listenplatz fürs Europaparlament einnehmen und voraussichtlich auf Platz 2 der Liste hinter Parteisprecher Bernd Lucke (li.) kandidieren wird. Weitere Namen, die im Zusammenhang mit den vorderen Listenplätzen bislang genannt wurden, sind die der Bundespressesprecherin Dagmar Metzger, jener des Ökonomen Joachim Starbatty und der Familienexpertin Beatrix von Storch. Obwohl es keine offizielle Quotenregelung gibt, wird einem internen Rundschreiben zufolge ein Frauenanteil von mindestens 30% auf der Europaliste angestrebt.

AfD offiziell gegen EU-Beitritt der Türkei, Henkel dafür

Henkels bevorstehende Nominierung deutet allerdings auch darauf hin, dass noch einige Positionen innerhalb der AfD im Fluss sind. Während die Partei offiziell gegen einen möglichen EU-Beitritt der Türkei eintritt, bekennt sich Henkel als ausdrücklicher Befürworter eines solchen. In der Tendenz könnte Henkels Position am Ende noch an Gewicht gewinnen. So erscheint es als durchaus möglich, dass die AfD auf europäische Ebene Teil der Allianz der Konservativen und Reformisten in Europa (AECR) wird, zu der neben den britischen Konservativen und der polnischen PiS auch die türkische AKP gehört. Und in diesem Zusammenhang könnte man auch zunehmend innerhalb der Wählerschaft der Partei realisieren, dass die Türkei unter den gegebenen Umständen zweifellos eher zu jenen Ländern gehören würde, die einem weiteren Machtzuwachs für Brüssel kritisch gegenüberstehen und diesen blockieren würden. Dies läge jedoch ohne Zweifel auch im Interesse der Eurokritiker in Deutschland.

Im „Handelsblatt“ stellte der Wirtschaftsexperte die in der Türkei ergriffenen Reformen im Oktober 2012 geradezu als positives Gegenbild zur Europolitik in Griechenland dar. „Mussten die griechischen Unternehmer hilflos zusehen, wie der Euro ihre Waren und Dienstleistungen auf dem Weltmarkt immer teurer machte, konnten die türkische Notenbank und die türkischen Politiker durch eine Kombination von Abwertung der Lira und politische Reformen die Wettbewerbsfähigkeit der türkischen Wirtschaft ständig verbessern“, schrieb Henkel.

„Troika hätte gleich weiter nach Istanbul fahren sollen“

Den „Eurorettern“ empfahl er Weiterbildung vor Ort: „Nachdem die „Troika“, bestehend aus Vertretern der EU, EZB und IWF, unzählige Male in Athen nach dem Rechten gesehen haben will, hatte sich auch die Kanzlerin kürzlich dort sehen lassen. Sie hätte gleich weiter nach Istanbul fahren sollen. Dort hätte sie am besten sehen können, was den Griechen durch den Euro entgangen ist. Die Türkei boomt, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Zahl der Unternehmensgründungen explodiert, die Steuerbasis verbreitert sich, die Staatsschuldenquote ist nur noch halb so hoch wie bei uns. Lange vor Kanzlerin Merkel wird Ministerpräsident Erdoğan einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.“

Kritik an Henkel wurde innerhalb der Einwanderercommunity allerdings im Zusammenhang mit seiner Verteidigung Sarrazins vor einigen Jahren laut. Wie das DTJ aus gut informierten Kreisen erfuhr, wäre diese allerdings eher Ausdruck einer persönlichen Freundschaft mit dem Ex-Bundesbanker gewesen und kein inhaltliches Bekenntnis zu dessen Thesen.

Lucke hat innerparteilich hoch gepokert – und gewonnen

Die eurokritische AfD selbst hatte in den letzten Wochen eher turbulente Zeiten durchlebt. Wenige Monate nach ihrem kräftigen Lebenszeichen bei der Bundestagswahl – immerhin hatte es zuvor noch keine Partei geschafft, nach nur einem halben Jahr auf Anhieb bundesweit flächendeckend 4,7% zu erringen – dominierten Flügelkämpfe, Personalfragen und medial lautstark in Szene gesetzte Parteiaustritte die Szenerie.

Nicht zuletzt deshalb dürfte die Partei in Umfragen derzeit auf 4% zurückgefallen sein. Diese würden jedoch problemlos für den Einzug ins Europaparlament reichen und es sprechen nicht wenige Faktoren dafür, dass die AfD am Ende noch ein wesentlich höheres Ergebnis erzielen könnte.

Der politische Trend in der EU ist einer liberal-konservativen Kraft, die sich gegen die Rettungsschirmpolitik und europäische Zentralisierungstendenzen einsetzt, durchaus gewogen. Dies wird der AfD zweifellos bis zu den EU-Wahlen noch wesentlich mehr an Aufmerksamkeit bescheren und darüber hinaus gehen Protestwähler bei Europawahlen ein weniger hohes Risiko ein als etwa bei Bundestagswahlen, wo auch taktische Überlegungen hinsichtlich möglicher Regierungskoalitionen eine große Rolle bei der Wahlentscheidung spielen.

Und es sieht danach aus, als hätte die Parteispitze rund um Sprecher Bernd Lucke bewusst und gezielt die Auseinandersetzung mit Kräften innerhalb der Partei gesucht, welche aus ihrer Sicht nicht zur AfD passten und versucht hatten, die Partei in ein zweifelhaftes politisches Fahrwasser zu bewegen. Dass Lucke diesen Kampf noch vor dem Europaparteitag am 25. Januar für sich entschieden hat, könnte sich für die Eurokritiker noch als zusätzlicher Segen erweisen.