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Hate Speech in der Türkei: Yeni Akit Spitzenreiter, Juden, Armenier und Syrer „beliebt“

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In türkischen Medien weht oftmals ein rauer Wind, was die Sprache angeht. Dies wird insbesondere bei den Kolumnen deutlich. Denn während zum Beispiel in Deutschland – mal abgesehen von der Bildzeitung – selbst bei Kommentaren Sachlichkeit an erster Stelle steht, kommt es bei türkischen Kolumnisten auf deren individuelle Meinungsübertragung an. Journalisten treten viel häufiger in TV-Talkshows auf und verteidigen ihre eigenen Ideen und Ideale. Ausschweifungen in türkischen Medien gehören somit zum Alltag. Denn wo besonders viel Meinung laut wird, steigt auch die Tendenz für Fehler.

Wahrnehmung in der Türkei eine andere als in weiten Teilen Europas

Bemerkbar werden die Unterschiede zwischen türkischen und eher zentraleuropäischen Medien in Punkto Medienethik. Hate Speech und Fake News kommen in türkischen Medien deutlich häufiger ungeahndet davon. Ein gutes Beispiel lieferte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, als er Deutschland mit der Nationalsozialistischen Zeit verglich und auf wenig Widerstand stieß. Was in Deutschland für große Aufregung sorgte, wurde in der türkischen Landschaft und unter weiten Teilen der deutsch-türkischen Community eher als normal, teilweise sogar als berechtigte Kritik empfunden.

Hrant Dink-Stiftung untersucht Hate Speech in türkischen Printmedien

Die in der Türkei ansässige Hrant Dink-Stiftung hat sich zur Aufgabe gemacht, die ethischen und moralischen Standards in türkischen Medien zu verbessern. Diesbezüglich hat die nach dem bei einem Attentat verstorbenen armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink benannte Stiftung vor wenigen Tagen den „Hate Speech-Report 2018“ veröffentlicht. Darin geht es um die Verwendung von Hate Speech in türkischen Printmedien. Die Stiftung hat dazu knapp 5.000 Zeitungsartikel und Kolumnen in türkischen Medien unter die Lupe genommen und kommt zu einem klaren Ergebnis.

6517 Hate Speech-Vergehen in 2018

Laut den Ergebnissen der Stiftung wurden in 4839 Kolumnen in türkischen Printmedien nationale, ethnische und religiöse Gruppierungen mittels Hate Speech zur Zielscheibe gemacht. In 205 Veröffentlichungen wurden mehr als nur eine Gruppe angefeindet. Betrachtet man die Einzelauswertungen der Artikel, kommt die Stiftung auf 5044 Vergehen, bei denen 98 unterschiedliche Gruppen Opfer von Hasssprache wurden. Insgesamt belaufen sich die Beleidigungen, Verleumdungen und Stigmatisierungen auf die Zahl 6517. Zusammengefasst kommen türkische Printmedien im vergangenen Jahr also auf 6517 Hate Speech-Vergehen gegen 98 unterschiedliche Gruppierungen.

Antisemitismus auf Platz 1

Dabei war die Sprache von Hass und Geringschätzung in türkischen Medien insbesondere gegen das Judentum gerichtet. Die Hrant Dink-Stiftung zählte 1133 Verstöße gegen universelle ethische und moralische Richtlinien. An zweiter und dritter Stelle wurden mit 973 Verstößen Armenier und mit 918 Angriffen Syrer Opfer von Hate Speech. Die nächsten Plätze belegten mit 672 die Griechen und mit 439 die griechisch-türkische Minderheitsgruppe der „Rum„. Die weiteren Plätze belegten der Reihe nach Christen (370), Nicht-Muslime (262), Briten (235), Franzosen (140), Araber (112), Russen (105), Amerikaner (101), Deutsche (90), Serben (73), Buddhisten (73), Atheisten (70), Europäer (47), Iraker (47), Kurden (39), Afghanen (29), Iraner (23), Flüchtlinge (22), Israelis (20) und Italiener (20).

„Yeni Akit“ Spitzenreiter bei Hate Speech

In der Auflistung der Medien, die die meisten Textinhalte mit Hate Speech publizieren, kommt die in Deutschland seit 2005 verbotene Yeni Akit an erster Stelle. Wegen des Vorwurfs der systematischen Volksverhetzung hatte der damalige Bundesinnenminister Otto Schily das Wirken der Verlagsgesellschaft verboten. Allein diese Zeitung hat in der Türkei in nur einem Jahr 284 Artikel veröffentlicht, auf die die Eigenschaften einer Hate Speech zutreffen. Yeni Akit unterstützt in der Türkei offen die AKP-Regierung. Sie gilt als das aggressivste Blatt des politischen Islam. Ihr folgt in der Rangordnung der größten Hassverbreiter die Milli Gazete mit 161 solcher Artikel und die Zeitung Yeniçağ mit 118 Texten.

Nicht nur konservative Zeitungen mit Hate Speech – Sözcü auch dabei

Des Weiteren fallen in der Liste eher Zeitungen aus dem konservativen Milieu auf, doch auch aus den Reihen kemalistischer und linker Medien gibt es zahlreiche Artikel mit Hate Speech. Mit der Zeitung Sözcü kommt sogar die berühmteste türkische Zeitung aus dem links-kemalistischen Milieu im oberen Viertel des Reports vor. Sözcü kommt alleine auf ganze 76 Kolumnen oder Artikel, in denen Hate Speech verbreitet wird. Auch die Zeitung Aydınlık, die ehemaligen Verurteilten aus dem Ergenekon-Prozess zuzurechnen ist, schafft es im Ranking mit 67 Hassbeiträgen auf einen Platz im oberen Teil des Rankings.

Wer ist Hrant Dink?

Der Journalist Hrant Dink war ein Armenier mit türkischer Staatsbürgerschaft und einer der Herausgeber der Wochenzeitung Agos in Istanbul. Der von türkisch-nationalistischen Gruppierungen und Institutionen in Gesellschaft und Justiz jahrelang verfolgte Journalist wurde 2007 auf offener Straße erschossen. Sein Tod versetzte die Türkei in eine Schockstarre, aus der sich das Klima unter den unterschiedlichen Ethnien, religiösen und weltanschaulichen und politischen Gruppen bis heute nicht wirklich erholen konnte.