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Politik

Demirtaş: „Wenn wir die Wahlhürde nicht schaffen, gehört das Parlament Erdoğan“

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Die HDP hat ihren Wahlkampfauftakt in Europa mit einer Rede von Selahattin Demirtaş in Berlin begangen. Der Andrang war groß, Belange der Deutsch-Türken waren kein Thema. Unterstützung bekommt die HDP von der Partei Die Linke.

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HDP-Co-Vorsitzender Selahattin Demirtaş.
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Mehr als 2000 Menschen zog es am Sonntag in den großen Saal des Neuköllner Estrel-Hotels, wo die pro-kurdische HDP (Halkların Demokratik Partisi, Demokratische Partei der Völker) mit einer Rede ihres Co-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş ihren Kampf um die europäischen Stimmen für die Wahlen in der Türkei eröffnete. Erklärtes Ziel der Partei ist es, möglichst viele Stimmen der mehr als zwei Millionen wahlberechtigten Türken in Europa für sich zu gewinnen. „Wenn Europa an die Wahlurnen geht, überwinden wir die Hürde“, brachte der kurdische Politiker die Bedeutung der europäischen Stimmen auf den Punkt. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt, mehrere hundert verfolgten die Rede im Stehen, es kam sogar zu kleinen Rangeleien um die besten Plätze.

Stargast Demirtaş, keine Öcalan-Poster

Das Publikum war bunt durchmischt, nicht nur von Jung bis Alt, sondern auch Frauen mit und ohne Kopftuch, die kurdischen Farben Rot, Gelb und Grün allerdings waren allgegenwärtig. Auch Parolen wie „Bijî berxwedana YPG“ („Es lebe der Widerstand der YPG“) hallten vor, während und nach der Rede regelmäßig durch den Saal. Türkische Fahnen, sonst üblich bei Wahlkampfveranstaltungen türkischer Parteien, waren nicht zu sehen – Öcalan-Porträts und PKK-Fahnen, wie man sie bei Veranstaltungen der (pro-)kurdischen Bewegung allzu oft sieht, jedoch auch nicht.

Bevor der Stargast der Veranstaltung die Bühne betrat, richtete erst einmal die Linken-Politikerin Ulla Jelpke (MdB) ein Grußwort an die Schwesterpartei und betonte dabei, ihr Parteivorstand habe am vorhergehenden Wochenende beschlossen, den Wahlkampf der HDP in Deutschland politisch zu unterstützen. Im besagtem Beschluss, der DTJ vorliegt, heißt es, die Partei „ruft ihre Mitglieder mit türkischer Staatsangehörigkeit auf, an der Wahl teilzunehmen und empfiehlt ihnen, ihre Stimme der HDP zu geben“.

Als Demirtaş die Bühne betritt, erhebt sich seine Anhängerschaft. Diese soll im Übrigen offensichtlich ausgebaut werden, zumindest wurden im Saal Mitgliedschaftsanträge für den Berliner HDP-Ableger verteilt, die von nicht wenigen eifrig ausgefüllt wurden. Demirtaş spricht frei und kommt ohne große Umschweife zu den zentralen Themen des Wahlkampfes und der Programmatik der HDP. Gleich zu Beginn redet er von der 10%-Wahlhürde, die als Überbleibsel des Militärputsches antidemokratisch sei und abgeschafft gehöre. Die HDP müsse sie aber bei dieser Wahl überwinden, um eine absolute Mehrheit der AKP zu verhindern. „Bei diesen Wahlen konkurrieren nicht zwei Parteien, sondern zwei Weltanschauungen, zwei verschiedene Ordnungen. Eine davon ist die von der AKP vertretene Alleinherrschaftsordnung (‚tekçi düzen‘). Denn jeder, der nicht an das glaubt, an was sie glauben und ihnen nicht die Stimme gibt, ist nach Ansicht der AKP ein Feind“, so Demirtaş.

Nicht nur führte er explizit die Rolle der Emanzipation der Frauen im Parteiprogramm der HDP aus (die HDP sei die einzige Partei mit einer 50%igen Frauenquote). Er spricht auch eindringlich davon, dass sich die HDP an alle Volksgruppen und Konfessionen wenden will, egal ob Türken, Kurden, Armenier, Tscherkessen, Lasen, Araber, Sunniten oder Aleviten. Die HDP sei eine Partei für alle Völker, unterstreicht er mehrmals.

Auch Demirtaş macht türkische Innenpolitik in Deutschland

Man merkt, dass er das Publikum als potentielle Wähler anspricht; die Partei brauche jede einzelne Stimme, um das schwierige Ziel, die 10%-Hürde zu überwinden, zu erreichen. Von Themen, die die in Deutschland lebenden Zielgruppen direkt betreffen wie Integration, Diskriminierung oder Assimilation hingegen ist nichts zu hören. Auch wenn Demirtaş sich damit nicht in die deutsche Innenpolitik einmischt, wie Erdoğan in den Jahren zuvor mehrmals getan hat, trägt er jedoch die türkische Innenpolitik genauso nach Deutschland wie sein politischer Hauptgegner. Alle großen deutschen Parteien sehen die Polarisierung der in Deutschland lebenden Türken über die deutsche Innenpolitik als ein Hindernis für eine erfolgreiche Integration.

Die Parlamentswahlen am 7. Juni werden von vielen als historische Richtungsentscheidung über die Zukunft des politischen Systems des Landes gesehen und die Frage, ob die HDP, die das erste Mal als Partei antritt, die Wahlhürde passiert, ist von zentraler Bedeutung in diesem Machtpoker. Dafür könnten die Stimmen der 1,4 Millionen wahlberechtigten türkischen Staatsbürger in Deutschland das Zünglein an der Waage bilden. Zwischen dem 8. und dem 31. Mai können wahlberechtigte türkische Staatsbürger in Konsulaten und Auslandsvertretungen der Türkei ihre Stimmen abgeben.