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Politik

HDP kündigt Opposition in der Regierung an

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Die Übergangsregierung in Ankara hat ihre Arbeit begonnen und wird von allen Seiten kritisiert. Auch die HDP lässt verlautbaren, dass man nur teilnehme, um der AKP auf die Finger zu schauen.

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Wahlplakate von AKP und HDP
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In Ankara hat die Übergangsregierung, die das Land bis zu den Neuwahlen am 1. November führen soll, ihre Arbeit aufgenommen. Sie besteht aus insgesamt 25 Mitgliedern, von denen 12 der AKP angehören, 2 der HDP, eines der MHP sowie 11 Unabhängigen. Es ist nicht nur das erste Mal, dass eine solche Übergangsregierung ins Amt gelangt ist, sondern auch das erste Mal, dass an einer türkischen Regierung Minister beteiligt sind, die einer pro-kurdischen Partei angehören. Nachdem sowohl CHP als auch MHP ihre Teilnahme an der Übergangsregierung abgelehnt hatten, sorgte die Zusage des MHP-Abgeordneten Turğrul Türkeş vergangene Woche für einen kleinen politischen Skandal.

Der Sohn des Parteigründers Alparslan Türkeş hat das Amt des stellvertretenden Premierministers von Bülent Arınç übernommen und verteidigte seinen Schritt damit, dass das Land gerade schwierige Zeiten erlebe, in denen man sich seiner Verantwortung stellen müsse, und er nur eine verfassungsmäßige Aufgabe wahrnehme. „Ich habe diesen Schritt getan, damit der Staat nicht alleingelassen wird“, so Türkeş. Die MHP-Führung kritisierte ihn dafür scharf, Parteivize Semih Yalçın forderte seinen Rücktritt, während der Vorsitzende Devlet Bahçeli ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet hat.

Für Premierminister Ahmet Davutoğlu wiederum ist die Verweigerungshaltung von CHP und MHP lediglich ein politisches Manöver, das „als politisches Material im Wahlkampf“ gegen die AKP genutzt werden soll, wie er sagte. Gleichzeitig versicherte er, man werde sich nicht nur wie eine geschäftsführende Übergangsregierung verhalten, sondern alle Kompetenzen ausnutzen: „Wir werden mit diesem Kabinett arbeiten, als ob wir die Türkei für vier Jahre regieren. Auf keinen Fall werden wir uns von der Devise leiten lassen, ‚Das ist nur eine Übergangsregierung bis zum 1. November, also lasst uns die Tage rumkriegen und ein bisschen mit unseren roten Nummernschildern umher flanieren.’“ Rote Nummernschilder kennzeichnen in der Türkei die Dienstwagen der Minister.

Ministerin für Familie und Soziales Ayşen Gürcan

Erste Ministerin mit Kopftuch

Ein weiteres Novum ist die erste Ministerin mit Kopftuch. Ayşen Gürcan übernimmt als einzige Frau in der Regierung das Ministerium für Familie und Soziales. Neuer Außenminister ist Feridun Sinirlioğlu, vormals Staatssekretär im Außenministerium. Der ehemalige türkische Botschafter in Tel Aviv war vor wenigen Wochen erst in die Nachrichten gelangt, als er Geheimverhandlungen zur Normalisierungen der türkisch-iraelischen Beziehungen geführt haben soll. Das Amt des Innenministers hat wiederum der ehemalige Polizeichef Istanbuls, Selami Altınok, übernommen.

Auch in der HDP gab es einen Abweichler von der Parteilinie, allerdings in die andere Richtung. Während die beiden Abgeordneten Ali Haydar Konca und Müslüm Doğan die Posten als EU- und als Entwicklungsminister übernehmen, lehnte Levent Tüzel das Angebot Davutoğlus ab. Tüzel weigerte sich, an der Übergangsregierung teilzunehmen, weil er sie als Verlängerung der amtierenden AKP-Regierung sieht, die er als „Kriegskabinett“ ablehnt. Tüzel ist Mitglied der sozialistischen EMEP (Emek Partisi, Partei der Arbeit), die Teil des breiten Parteienbündnisses ist, das zur HDP gehört. Die HDP-Führung reagierte im Gegensatz zur MHP gelassen auf den Abweichler aus den eigenen Reihen: „Wir betrachten das als eine persönliche Entscheidung eines Gefährten, der im Rahmen unserer Allianz mit der EMEP Mitglied unserer parlamentarischen Gruppe ist“, versicherte HDP-Sprecher Ayhan Bilgen.

HDP will als Korrektiv der AKP-Politik wirken

Warum die HDP als einzige Partei den Kurs einer Beteiligung an der Übergangsregierung eingeschlagen hat, machte ihr Co-Vorsitzender Selahattin Demirtaş an die AKP adressiert klar: „Unsere Minister sind da, damit ihr nicht einfach (allein) entscheiden könnt, in den Krieg zu ziehen und damit ihr keine staatlichen Gelder dazu missbrauchen könnt, sie für den Wahlkampf der AKP einzusetzen.“ In einem offiziellen Statement der Partei hieß es ebenfalls, man betrachte die Beteiligung an der Übergangsregierung als eine Fortsetzung des Kampfes für Frieden, Demokratie, Gerechtigkeit und gegen den „Palastcoup und die Kriegspolitik der AKP“.

Entsprechend verweigerten die beiden HDP-Minister Ali Haydar Konca und Müslüm Doğan auch Übergabezeremonien mit ihren Vorgängern. Es gehe angesichts des Blutvergießens im Südosten des Landes nicht um solche Formalitäten. „Uns geht es nicht um die Posten. Alles, worum es uns geht, ist, die Waffen zum Schweigen zu bringen“, fasste Konca den Parteistandpunkt zusammen. „Wir werden keine roten Nummernschilder benutzen und wir werden keinen Armee von Bodyguards haben, sondern wir werden mit den Menschen zusammen sein.“

Dass sie mit ihrem Vorhaben, korrigierend auf die Politik der AKP einzuwirken, erfolgreich sein werden, scheint CHP-Chef Kılıçdaroğlu zu bezweifeln. Zumindest spricht er der neu entstandenen Übergangsregierung die Unabhängigkeit ab. „Es steht gar nicht zur Frage, ob diese Regierung dem Land dienen wird“, so Kılıçdaroğlus bitteres Resümee. Davutoğlu führe nur Befehle aus, die er aus dem Präsidentenpalast erhalte. Gerade deshalb sei die folgende Wahl jedoch von lebenswichtiger Bedeutung für das Land, da sie es vor die Entscheidung zwischen Demokratie und Diktatur stelle. Mit Blick auf Erdoğans Präsidentschaftsambitionen sparte er auch nicht an einem gewichtigen historischen Vergleich: „Ein Land kann nicht für die Ambitionen einer einzelnen Person oder ihrer Familie geopfert werden. Erinnert euch, dass Nero Rom angezündet hat. Diese Leute heutzutage zünden nicht nur Ankara an, sondern die gesamte Türkei.“