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Panorama

Heidnische Götter, der NSU und der mörderische Mittwoch

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Wotan, Thor und Odin: Der heidnische Götterglaube ist in der rechten Szene überaus beliebt. Neonazis feiern die Sommersonnenwende und Erntedank. Welche Rolle spielten heidnische Götter für den NSU?

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Welche Bedeutung hat das heidnische Fest für den NSU?
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Alle sieben Tage der Woche sind nach einer heidnischen Gottheit benannt. Und der Mittwoch ist der wichtigste Tag der Woche. Mittwoch ist „Wotans Tag“, der des Chefgottes, erkennbar am englischen „Wednesday“. Diese Auslegung des heidnischen Götterglaubens ist noch heute populär – insbesondere unter Neonazis und Rechtsextremisten, die heidnische Feste wie die Sommersonnenwende mit pompösen Fackelmärschen zelebrieren.

So pries auch die rechtsradikale Untergrundzeitschrift „der Förderturm“ in einer Ausgabe von 2001 „Wotans Reich“ und „Wotans Wille“. „Wotan mit uns“ ist eine beliebte Endformel des Magazins für die Neonazi-Szene im Ruhrgebiet. Auch der Mittwoch spielte im „Förderturm“, mit deren Redaktion die Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ nach Erkenntnissen der Ermittler in Kontakt standen, eine übergeordnete Rolle.

Mittwochs mordete der NSU

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sollen sogar eine Geldspende aus dem Untergrund an die Redaktion des mittlerweile verbotenen Magazins geschickt haben. Brisant ist dabei: Sechs der mutmaßlich zehn Morde der Neonazi-Terrorgruppe (NSU) wurden mittwochs verübt. Auch der Nagelbombenanschlag auf die Kölner Keupstraße am 9. Juni 2004, bei dem 22 Menschen verletzt wurden, geschah an einem Mittwoch. Bewiesen ist noch nicht, dass er vom NSU verübt würde.
Spielten tatsächlich religiöse oder mystische Motive eine Rolle für die schlimmste rechtsextreme Mordserie in der Geschichte der Bundesrepublik? Jüngst sagte Bundesanwalt Herbert Diemer im NSU-Prozess dazu: „Ich weiß, dass der Mittwoch eine bestimmte Rolle spielt im rechtsextremistischen Spektrum.“ Der Nebenklage-Anwalt Yavuz Narin vermutete in der Wahl der Tattage versteckte Signale an die Szene.

Zschäpe wusste über Germanenkult Bescheid

Zumindest sei nicht auszuschließen, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ihre Taten deswegen auf Mittwoche legten. Auch dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl fiel die Vielzahl von Morden an einem Mittwoch auf. Auf seine Anregung hin bereiten Nebenkläger nun Beweisanträge zur Klärung des heidnischen Götterkultes im und um den NSU vor.

Anhaltspunkte für eine Verbindung zwischen dem NSU und dem heidnischen Germanenkult lieferte auch ein ehemaliger NSU-Gesinnungsgenosse: Tino Brandt, der Gründer des „Thüringer Heimatschutzes“, bezeugte vor Gericht, dass Zschäpe über die germanischen Bräuche informiert gewesen sei und diese gemeinsam mit anderen Personen aus der rechtsradikalen Szene Thüringens ausgeführt habe.

Weihnachten heißt „Julfest“

In der rechtsradikalen Szene spielt der heidnische Götterkult tatsächlich noch heute eine besondere Rolle. Neben der Sommersonnenwende wird auch die Wintersonnenwende gefeiert. Das Fest, das an Weihnachten stattfindet, wird in der Szene „Julfest“ genannt. Der Glaube an germanische Götter entspringt direkt der Ideologiewelt des Dritten Reiches, als Parteitage wie Gottesdienste, Adolf Hitler als Erlöser und das Hakenkreuz als gesegnet gefeiert wurden. Insbesondere SS-Führer Heinrich Himmler pflegte diesen Germanenkult.

Damals wurde das Christentum durch völkische und deutschgläubige Vorstellungen ersetzt, die einen fiktiven Zusammenhang zwischen dem deutschen Volk und dem nationalsozialistischen Ideal des Herrenmenschen formten und mit Ritualen wie der Sommersonnenwende und dem Julfest eine gewisse Anziehungskraft auf die damals sogenannten „Volksgenossen“ ausstrahlten.

Am rechten Rand des politischen Spektrums stehen noch immer Gemeinschaften wie die „Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“ (AGGGL) für die Traditionen der deutsch- und germanischgläubigen Bewegung ein. Schließlich veranstaltet die AGGGL bis heute Sonnwendfeiern, bedient sich im „nordisch-germanischen Heidentum“ für ihr sogenanntes Artbekenntnis und beruft sich auf „germanische Sittengesetze“.