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Politik

Herr Gauck, Sie sind bei mir unten durch!

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Der Bundespräsident Joachim Gauck hat durch seinen Empfang des ägyptischen Präsidenten viele irritiert. Unser Kolumnist Ismail Kul ist gar enttäuscht, denn er hat nicht vergessen, wie sich Gauck im vergangenen Jahr verhalten hat. (Foto: dpa)

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Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi (l) und Bundespräsident Joachim Gauck gehen am 03.06.2015 durch den Garten des Schlosses Bellevue in Berlin auf dem Weg zu den militärischen Ehren. Bei seinem zweitägigen offiziellen Deutschland-Besuch wird der vor einem Jahr gewählte 60-Jährige Präsident von einer Wirtschaftsdelegation begleitet.
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MEINUNG Kennen Sie den Hollywood-Film Minority Report? Mit Tom Cruise als Helden und Steven Spielberg als Regisseur?

Im Film geht es darum, Verbrechen zu erkennen, noch bevor sie verübt werden. In solchen Fällen werden entsprechende Schritte eingeleitet, sprich, die Person wird festgenommen, bevor der Gedanke Realität wird.

Das ist natürlich Zukunftsmusik. Der Film ist ja auch ein Science-Fiction-Thriller. Im wahren Leben gilt selbst jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig. Wo käme man hin, wenn man auch für seine Gedanken verantwortlich gehalten werden sollte? Schon der Nationaldichter Goethe soll gesagt haben: „Es gibt keine Verbrechen, so groß sie auch sein mögen, die zu begehen ich mich nicht an gewissen Tagen fähig gefühlt hätte.“

Falls einer Person aufgrund vermutetem, zukünftigem Fehlverhalten etwas angetan wird, dann ist diese Person unschuldig, auf jeden Fall Opfer und derjenige, der dies zu verantworten hat, schuldig; auf jeden Fall Täter.

Im wahren Leben ist das so. Oder doch nicht? Zugegeben, man könnte an dieser Binsenweisheit so seine Zweifel bekommen. Wovon ich rede? Na gut, ich erkläre es:

Zwei Quellen der Enttäuschung

Der Bundespräsident hat den ägyptischen Präsidenten Abd al-Fattah al-Sisi in seinem Amtssitz empfangen. Man sah Fotos, auf denen sie sich sehr fröhlich zeigen, so wie zwei Freunde, die sich nach langer Zeit wieder gesehen haben. Dieses Bild hat mich ehrlich gesagt verstört. Der Bundespräsident Joachim Gauck hat mich E N T T Ä U S C H T.

Die Enttäuschung speist sich aus zwei Quellen.

Zum einen: Joachim Gauck ist der Präsident der Bundesrepublik Deutschland. Er repräsentiert den Staat. Einen Staat, der eine freiheitlich-demokratische Verfassung hat; die für viele Staaten der Welt als vorbildlich gilt.

Zudem steht Joachim Gauck wegen seiner Biografie für Recht und Freiheit. Einen Unrechtsstaat hat er am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Schon als Jugendlicher trat er in Opposition zur Diktatur in der DDR. Er ist Träger unter anderem des Geschwister-Scholl-Preises und des Europäischen Menschenrechtspreises. Nach seinem Amtsantritt veröffentlichte er ein Büchlein mit dem Titel ‚Freiheit – ein Plädoyer‘. Darin ruft er zur Verteidigung von Freiheit und Menschenrechten auf der ganzen Welt auf.

Nun umarmt er aber einen Präsidenten, der in seinem Heimatland einen militärischen Putsch durchgeführt hat. Den ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Landes abgesetzt hat. Die Justiz des Landes, dem dieser Mensch vorsteht, den alten Präsidenten zum Tode verurteilt hat.

Minority Report ist nicht Realität

Wie kann Gauck nur so seine Prinzipien verraten? Was hätten wohl die Geschwister Scholl dazu gesagt?

Gewiss: Präsident Muhammad Mursi war auch nicht fehlerlos. Es gab Anzeichen, dass er, statt die Bevölkerung mitzunehmen, ihr sein Programm der Muslimbruderschaft von oben herab aufdrücken wollte. Ein solches Programm ist immer problematisch, wenn durch einen Teil der Bevölkerung gewählte Politiker radikale Umwälzungen für die ganze Bevölkerung anstreben. Möglicherweise hätte Mursi die Diktatur der Mubarak-Zeit durch eine neue, religiös, politisch-islamistisch geprägte Diktatur ersetzt – möglicherweise.

Aber er hat das in die Tat umgesetzt. Minority Report ist Fiktion und Realität ist Realität.

Und ich habe nicht vergessen, wie Sie im vergangenen Jahr in Ankara die Türkei kritisiert haben. Wie Sie die Einladung Putins ausgeschlagen haben. Ob Sie dies zurecht taten oder nicht, ist nicht mehr von Bedeutung. Sie sind für mich nicht mehr glaubwürdig, spätestens seit Mittwoch.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident!

Sie haben mich enttäuscht. Das hätte ich von ihnen nicht erwartet. Ich hoffe, dass keine weiteren Diktatoren in Deutschland hofiert werden.